Die
Aufregung bei CDU, Spiegel und vermutlich auch anderswo ist groß
- da will ein veritabler Parteivorsitzender mit den Taliban reden? -
Seit wann reden denn Menschen miteinander? Auch wenn sich
Spiegelautor Henryk M. Broder (sein Netzwerk: "Die
Achse des Guten") sich noch eben erst hier
lustig über Beck's vermeintliche Naivität machte - in
diversen Stellungnahmen diverser Unionspolitiker schimmert zwischen
den Zeilen bereits Panik durch - denn Beck gelang mit seinem
Vorschlag ein beachtlicher Coup gegen das Trugbild angeblich
harmlosen Militär- und Kriegswahns und gerechter Kriege, wie es
große Teile der CDU samt der sie unterstützenden
Meinungsmacher hier wahrheitswidrig aufzubauen versuchen.
Die
Argumente der Unionspolitiker wie Söder und von Klaeden indes
schwächeln. Becks Vorschlag sprengt der CDU-Politik sozusagen
die Verkleidung weg; jede
Kriegsbeweihräucherung muss heutzutage zwangsläufig
wahrheits- und vernunftwidrig sein - denn es gibt keine "guten"
Kriege. Dies allein schon deswegen nicht, weil sie - erst recht so
wie sie heute geführt werden - ihre Opfer vor allem unter der
Zivilbevölkerung und dort zumeist deren ärmeren Teil
fordern. Krieg war immer schon eine Veranstaltung der Mächtigen
und Reichen - und für nichts ist zu allen Zeiten mit Lügen
und Dummheit so viel gehetzt worden, wie für Kriege. Doch kein
einziger Krieg der letzten 50 Jahre hat irgendwo auch nur ein Problem
nachhaltig zu lösen vermocht.
So
gesehen spricht also durchaus eine Menge dafür, nach anderen
Wegen zu suchen. Mit faustdicken Lügen begründete
Angriffskriege wie der gegen den Irak sind jedenfalls gewiss nicht
der Weg in eine zivilisierte Zukunft, sondern eher der in die
finsterste Vergangenheit und stellen eindeutig Verbrechen gegen die
Menschlichkeit dar. Jeder Tag im heutigen Irak beweist eindeutig das
Verbrecherische, was der Bush'schen Strategie des Präventivkriegs
generell innewohnt. Henryk M. Broder gehört seinerzeit übrigens
mit zu glühensten Verfechtern dieses Schwachsinns - soviel zur
angeblichen "Achse des Guten".
Keinem
Volk der Welt wird man mit Gleit- und Splitterbomben, Cruise Missiles
und noch so viel sonstiger haushoch überlegener Waffentechnik
die angeblichen "Werte" der westlichen Welt vermitteln
können - sondern allenfalls abgrundtiefen Haß auf diese in
Augen der Leidtragenden "kranke" Kultur. An dieser
einfachen Wahrheit führt nun mal kein Weg vorbei. Wenn die USA
sich heute über die Herkunft des Fanatismus im Iran Gedanken
machen, brauchen sie doch nur ihre eigenen Geheimarchive zu
durchforsten - und werden sehr schnell auf jene beachtlichen Beiträge
stoßen, die ihre eigene Politik seit Jahrzehnten dazu lieferte.
Doch
selbst nicht die ISAF - und erst recht nicht die Operation Enduring Freedom
- hatten es vermocht, den in der afghanistanischen Bevölkerung
durchaus vorhandenen Unmut mit der mittelalterlichen
Brachialherrschaft der Taliban in Schwung für einen
Entwicklungsschritt in eine vernünftige Richtung um zu setzen.
Dies manifestiert sich schon darin, dass den Taliban seit jüngerer
Zeit wieder mehr Zulauf zuteil wird. Härteres Zuschlagen wird
diesen Prozess nur verstärken - man kann eben ein ingesamt
rückständiges Land nicht einfach in die Zukunft "bomben".
Nachdem
in den USA schon lange und hier seit Neuerem auch irreführende
Parolen der Mächtigen und Reichen quasi wie von Geisterhand
"öffentliche" Meinung werden, erfordert der Vorschlag
von Kurt Beck durchaus Mut - und aus eben jenem Grund ist die
Verstörung im Kartellverband von CDU und anderen Meinungsprägern
auch so groß. Die Aussichten, auf diesem Weg wenigstens etwas
zu erreichen, sind jedenfalls deutlicher von Null verschieden als bei
bloßem weiterem Umpflügen des riesigen und seit
Jahrzehnten geschundenen Landes. Spektakuläre Erfolge natürlich
sind auch dort kurzfristig nicht zu erwarten - und die Anzahl der
Fallgruben bleibt beachtlich. Dennoch: Gewonnene Zeit schafft neue
Chancen.
Menschen
in solchen Regionen rechnen in anderen Zeiträumen als der
schnellebige Westen - dessen Truppenabzug wird noch auf längere
Sicht eine grandiose Stärkung der Taliban zur Folge haben - die
dann behaupten können, sie hätten nicht nur die Weltmacht
Sowjetunion in die Knie gezwungen, sondern auch den versammelten
Westen. Hierauf können die Taliban locker mal ein paar Jahre
Jahre warten und hier kommt eben der wahre Fluch des asymmetrischen
Krieges zum Ausdruck. Hut ab für Beck - der wohl auch angesichts
seiner Eindrücke vor Ort das Risiko des Auscherens aus dem
hiesigen Meinungskartell auf sich genommen hat.
Strategisch
klug ausgerichtete Gespräche und angemessen agierende Truppen
wären schon ein Mix, der es in sich haben könnte... vor
allem wenn Wiederaufbauhilfe dann nicht bloss in den afghanischen
Sand gesetzt wird, sondern sich ernsthaft der drängendsten
Probleme des Landes annimmt, ohne ihm die "westliche"
Kultur überzustülpen. Hiermit wird wird ein solcher Weg
keinesfalls einfach. Alles in Schutt und Asche zu legen indes ist
immer das Einfache - und das Denken dazu fast immer das Schlichte -
in der heutigen Welt der hochgezüchteten modernen
Militärmaschinen zumal.
Es
darf davon ausgegangen werden, dass das Oberhaupt der islamischen
Republik Afghanistan, Hamid Karzai, beim seinem kürzlichen
Besuch in Deutschland bereits Andeutungen in diese Richtung gemacht
haben dürfte - zumindest ließ er in seinen öffentlichen
Statements keine besondere Wertschätzung für ein massiveres
militärisches Engagement erkennen. Diesen Umstand haben
maßgebliche Kreisen hierzulande geflissentlich ignoriert und
hielten es stattdessen für besser, einen Tornado-Einsatz zu
feiern, der an der prekären Gesamtlage in Afghanistan nicht das
Geringste ändern wird.
Was
eigentlich würde Herrn von Klaeden wohl über die Lippen
kommen, wenn irgendein deutscher, niederländischer oder
italienischer Soldat ihn fragte, was er in diesem Land überhaupt
soll? Wo ist das Ziel, wo ist der Sinn dieses Einsatzes?
Teilzeitkrieger der Taliban einfangen etwa - Leute, die äußerlich
nicht von anderen Afghanern zu unterscheiden sind? Eingreifen in
öffentliches Leben, dessen Sprache und Denke man nicht einmal
ansatzweise versteht? In einem unwegsamen Land, das höchst
spärlich besiedelt, gnadenlos rückständig und
bettelarm ist? Will man jene 50 Jahre Entwicklung, die Afghanistan
noch brauchen wird, auf immer so weiter machen?
Kein
Weg führt daran vorbei, den von Präsident Bush entfachten
widersinnigen "Krieg gegen den Terror" ingesamt als
weltweit grandiosen Fehlschlag zu brandmarken. Unter Führung der
USA beging der Westen höchst schwerwiegende Fehler und
Verbrechen. Kurt Becks Vorstoß bleibt auch ein Signal dafür,
dass eine Umkehr längst Not tut. Diese Umkehr allerdings muss
auch hierzulande stattfinden - wo ein Bundes-Innenminister fortwährend
nach einem geradezu Orwell'schen Überwachungsstaat ruft und auch
dies mit der ach so großen Terrorismusgefahr rechtfertigt.
Wenn
man es anders herum sieht, wird die wahre Dimension des Ganzen
sichtbar - die Terroristen haben es fertig gebracht, die Demokratie
in der Weltmacht Nr. 1 weitgehend außer Kraft zu setzen. Sie
haben es fertig gebracht, dass westliche Truppen inzwischen weltweit
in eine Vielzahl undurchsichtiger Kleinkriege verwickelt sind, die sie nur verlieren aber
niemals gewinnen können. Sie habes es fertig gebracht,
konservatives Denken und christlichen Fundamentalismus weltweit zu
neuerlichem und unangemessenen Einfluss zu verhelfen - DAS kann man
auch Erfolg nennen...
Dabei
könnte die moderne Gesellschaft selbst ernannte Gotteskrieger
mit Nichts härter treffen, als mit der stoischen Beibehaltung
der eigenen Werte legitimierte Demokratie, Recht, Freiheit und
Frieden sowie die Übertragung dieser Werte auf eine selbstlose
und auf echte Weiterentwicklung gerichtete Politik. Dies ist nämlich
der auf Dauer unüberwindbare Gegner für rückwärtsgewandtes
Denken aller Art - auch solches bei den Taliban.
Ob
an dem Vorschlag von Kurt Beck wirkliche Substanz ist, oder ob er
eher der Wahlkampftaktik entsprang, wird die Zukunft zeigen müssen.
Allein schon, mit seiner Person für diesen Vorschlag einzustehen
ist für einen Spitzenpolitiker indes heute schon
anerkennungswürdig. Und wenn hierzulande darüber eine
Regierung "gespalten" wird (was ich nicht wirklich
glaube...) so ist dies uneingeschränkt zu begrüßen -
denn endlich wieder es ist mal ein Stück Vernunft, welches sich
da von der bisherigen Unvernunft im hiesigen Absurdistan abspaltet.
Da kann man nur sagen - es wurde auch allerhöchste Zeit...
Wir
Deutschen müssen nicht unbedingt alle Probleme der Welt lösen
- viel wäre schon erreicht, wenn wir unsere eigenen Erfahrungen
und Lernprozesse als nicht kompromittierbaren Anspruch an unseren
eigenen internationalen Auftritt hoch halten, bzw. wieder ernst
nehmen. Hierzu haben wir das Recht und auch die historische Pflicht.
All die vielen Schwätzer von einem "Krieg der Kulturen",
der mit unbeugsamer Härte zu führen sei, verkennen in ihrer
blinden Dummheit eine unabweisbare Tatsache: es nutzt absolut Nichts,
Kriege zu gewinnen (was außer Frage steht), wenn man danach den
Frieden verliert (was ebenso außer Frage steht, wenn westliche
Gesellschaften ihre Fortschritte der letzten 150 Jahre in die Tonne
hauen... ).
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