In
der Union scheint es ja üblich, ausgediente oder abgehalfterte
Granden vorübergehend als "soziales Gewissen" zu
beschäftigen. Der Ex-Arbeitsminister unter dem dicken Kanzler,
Norbert Blüm, gehört auch in diese Kategorie. "Die
Rente ist sicher..." hallte Nobby's Schlachtruf seinerzeit
durchs Land, als CDU/FDP wenig später den "demographischen"
Faktor einführten. Kurz darauf schaffte die Schröder-Regierung
den zwar wieder ab, ersetzte ihn in der Folge aber durch andere
sozialpolitische Grausamkeiten. So oder so wurde die Axt an das
Rentenversprechen gelegt - von deutlich über 60% des letzten
Einkommens fiel die Rentenhöhe auf inzwischen unter 50% des
letzten Einkommens - allein die Beamten stehen mit noch 71% nach
vormals 75% etwas besser da. Und von eben diesen nicht einmal mehr
50% erfolgen dann noch eine Reihe Abzüge, von denen zur aktiven
Zeit der betroffenen Menschen nicht einmal entfernt die Rede war.
Nobby indes - seines Mininsterpostens verlustig gegangen - tingelt
seitdem als "Rentenexperte" durch Land und Medien und
vertritt dort irgendeine Position - und das durchaus engagiert. Doch
bloß - welche? Wer sich hiervon einen näheren Eindruck
verschaffen will, wird bei diesem aus seiner Feder stammenden Artikel auf ZEIT-online fündig.
Zunächst
einmal wissen Rentner inzwischen längst, wie sicher ihren Renten
wirklich sind. Das einzige was da sicher scheint, ist, dass ein
Rentner nur von dem leben kann, was ihm nach diversen und munter
weiter wachsenden Abzügen von seiner ehedem mal abgabenfreien
Rente übrig bleibt. Ferner ist für die Mehrzahl der Rentner
inzwischen genau so sicher, dass sie vom Verbleibenden kaum noch und
nicht wenige gar nicht mehr leben können. In dieses Szenario
hinein nun rechnet Nobby mit dem Vorschlag des Parteikollegen und
thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus in Punkto
"Bürgergeld" ab.
Nicht,
dass es nicht nötig wäre, sich durchaus kritisch mit dem
Althaus-Vorschlag zu befassen, und bei manchem dieser Art ist Nobby
sicher zuzustimmen - darüberhinaus aber ist interessant, welche
Argumente Nobby wie ins Feld führt. Denn hinter dieser Analyse
wird dann auch sichtbar, wie es zu so manch Absurden in diesem Land
kommen konnte - und wer kräftige Beiträge dazu lieferte.
Fangen
wir mit dem Ende seines Beitrags an. Hier outet Nobby sich als
Anhänger der Theorien von Adam Smith - sie wissen schon: Jene
"unsichtbare Hand des Marktes" die alles schon von selbst
zum Besten regelt, wenn man nur dem Egoismus der Invidiuen
ungehemmten Lauf lässt. Nette Angelegenheit mit nur einem Haken
- Smith's Theorie funktioniert nur mit freien unabhängigen
Marktteilnehmern und ignoriert jeglichen Einfluss von Macht. Wer
Macht - also Einfluss auf die Gestaltung - hat, gestaltet die
Verhältnisse eben nach seinem Eigennutz und diejenigen, die
solche Macht nicht haben, schauen in die leere Röhre...
Hedgefonds hocken inzwischen auf Geldbergen, die locker das BIP der
meisten Staaten übersteigen. Was vor allem beweist, dass ein
freier Markt nicht lange frei bleibt, wenn keine durchaus gut
sichtbare Hand kräftig etwas dafür tut. Eigentlich klar -
aber bei Nobby eben noch nicht angekommen...
Sodann
geißelt Nobby die private Kapitaldeckung als Motor sozialer
Sicherungssysteme - hier können wir mit Nobby konform gehen.
Privat heißt immer vor allem eines - Gewinne müssen
finanziert werden, die dann zwangsläufig bei den Leistungen
fehlen. Mithin kann eine solche Lösung niemals die Effizienz
eines Umlagesystems erreichen und ist zudem voll dem
Kapitalmarkt-Risiko ausgeliefert. Der Verwaltungsaufwand für solch großen Institutionen indes kann im
Computerzeitalter kein wirkliches Argument mehr hergeben und so kann vor privatwirtschaftlichen Lösungen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme - vor allem angesichts des derzeitig labilen
Welt-Finanzsystems - nicht eindringlich genug gewarnt werden.
Weiter
oben entscheidet sich Nobby leider dafür, das EINZIGE was eine
Lösung der immer schwelenderen Sozialprobleme überhaupt
verspricht, zu verreißen. Zitat: "...Auf dem Holzweg
befindet sich ein Sozialstaat, der sich auf Armutsbekämpfung
beschränkt und der Privatversicherung das »Rest«-Geschäft
überlässt...." Hier ist Nobby vorzuhalten: wer diese -
bei knappen öffentlichen Ressourcen notwendige - Lösung als
"marxistisch" ablehnt (was natürlich völliger
Quatsch ist...) der bleibt dann auch wenigstens die Kontur eines
Vorschlags schuldig, wie denn sonst bitteschön verhindert werden
soll, dass in einem der reichsten Länder der Welt immer mehr
Menschen in die Armut fallen? Da ist bei Nobby Fehlanzeige auf
breiter Flur.
Hier
wird der Zynismus der katholischen (und nicht der christlichen...)
Soziallehre in vollem Umfang erkennbar - in der verkorksten Weltsicht
dieser misanthropischen Weltanschauung muss es immer welche geben,
die ganz unten stehen - auf denen herumgetrampelt werden darf. Die
gesamte Gesellschaft rackert sich ab, um Sozialsysteme zu erhalten,
aus denen dann nur ein Teil der Menschen vergleichsweise viel - und
die große Masse wenig - und demnächst zu wenig - bezieht. Das Credo: wer viel hat bekommt
noch mehr. Bei Nobby gilt das sogar noch dann, wenn die Betroffenen
nicht mehr arbeiten - obwohl der Bezieher einer hoher Rente genau so viel
leistet, wie der einer niedrigen - nämlich nichts mehr. Zudem
scheint bei Nobby noch nicht angekommen, dass sich die Eckrente selbst (deren Voraussetzung künftig immer weniger Menschen erreichen können) bereits bedenklich dem Existenzminimum angenähert
- unter Berücksichtigung der vielen "Abzüge" ja
bereits fast erreicht hat.
Hier
kann es eigentlich keine Soziallehre mehr geben, die solches
gutheißt. Das gegenwärtige Besitzstandswahrungssystem
jedenfalls wird demnächst sowieso nicht mehr finanzierbar sein -
wie wir in unserem Beitrag zum Rentensystem bereits vorrechneten. Bei
Beibehaltung dieses von vornherein untauglichen (weil missgebildeten)
Systems fällt die Masse der Rentner demnächst ganz durch
den Rost der Armutsgrenze, während andere - und vor allem die
Beamten - weiterhin auf Kosten aller mit immer noch recht üppigen
Bezügen da stehen. Dies ist nicht, wie Nobby lautstark
reklamiert, Gerechtigkeit - sondern das krasse Gegenteil davon.
Nobbies
begrenztem Sichthorizont scheint offenbar entgangen, dass es längst
der Mythos Vollbeschäftigung selbst ist, der hier zur
Disposition steht. Unternehmen machen vom Arbeitskraft-Angebot der
Gesellschaft nur noch jenen Gebrauch, der aus ihrer Sicht
betriebswirtschaftlich erforderlich ist. Dies entspricht
wirtschaftlicher Logik - und die Aufgabe einer reichen Gesellschaft
wäre, dafür zu sorgen dass ihre schwächeren Bürger
hierbei nicht völlig unter die Räder geraten. Demgegenüber
muss die Besitzstandwahrung eines vehement schrumpfenden
Mittelstandes in den Hintergrund treten, zumal sich der reichere Teil
unserer Gesellschaft derzeit immer unverhohlener aus jeglichem
angemessenen Beitrag zur Gesellschaft zurückzieht.
Die
Bedrohung der Vollbeschäftigung ist eine logische Folge der
steigenden Produktivität, der Fortschritte im IT-Bereich sowie der "Globalisierung"
nach den menschenverachtenden Prinzipien von WTO und Megareichen. Was
hier an Arbeitsplätzen und mithin an zugeordnetem Beitrag zur
Finanzierung der Gesellschaft verloren geht, taucht nur zu minimalen
Anteilen in armen Ländern als Beitrag für deren weiteren Aufbau
auf - der weitaus größte Teil landet bei jenen, die
ohnehin schon mehr haben, als ein Mensch je in einem Leben brauchen
könnte. Hier wären die Gesellschaften weltweit längst
dazu aufgerufen, dieser schwachsinnigen Entwicklung endlich Einhalt zu
gebieten. Hierzu haben zumindest die Demokratien das Recht - und im
Sinne der Humanität auch sogar die Pflicht.
Nun
- nachdem relativ deutlich wurde, für wen Nobby ganz
offensichtlich nicht kämpft - stellt sich die Frage, für
wen kämpft Nobby denn dann eigentlich? Auch hier werden wir
klüger, wenn wir die Passagen seines Artikels zur
Selbstverwaltung der Sozialkassen studieren. Für Nobby geht es
anscheinend völlig konform mit seiner katholischen Soziallehre
dass sich im Sozialsystem irgendwelche Kassen- und Verbandsfürsten
mit 300.000 € Gehältern bereichern und allfällig
Korruption und Nepotismus praktiziert wird, während die 700€
Rentnerin in der Apotheke ihre letzten eigentlich für das Essen
vorgesehenen Cents zusammenkratzen muss, um die Zuzahlung für
ein Medikamt aufzubringen zu können.
In
solcher Ausprägung wandelt sich die angeblich so segensreiche
"Selbstverwaltung" nämlich zur "Selbstbedienung"
und hat sich damit eindeutig nicht bewährt. Wir brauchen keine
über 200 Krankenkassen - wir brauchen keine Ständeverbände
- diese kosten nicht nur viel Beitragsgelder. Die Interessenrangelei
hat längst zu einem Bürokratiemonster geführt, in
dessen vielen schattigen Nischen sich vor allem eines breit macht:
Korruption in nahezu jeder vorstellbaren Form. Hier ist staatliche
Verwaltung die einzige Rettung - Beamte beziehen nun mal keine
300.000 € Jahresgehälter und sind hinsichtlich Bestechung und
Vorteilsannahme einem scharfen Dienstrecht unterworfen.
Es
ist gradezu lächerlich, wie Nobby in seinem Beitrag
unterschwellig immer noch an jene Staatssicht appelliert, die seit
nunmehr über 90 Jahren hier nicht mehr gesichtet wurde - den
volksfernen Staat der Monarchie. Der Staat einer modernen
Gesellschaft ist nicht ihr Feind, sonder ihr handelndes Organ und das
einzige Institut, das überhaupt in der Lage ist, Gerechtigkeit
gegen andere Machtinteressen durchzusetzen. Und exakt etwas in dieser
Art ist bei den Sozialsystemen seit nunmehr drei Jahrezehnten
"überfällig".
Sie
sehen also - nicht hinter allem, was sich nach außen gern mit
dem Anstrich "Gerecht" und "Sozial" schmückt,
verbirgt sich solches auch, wenn man die Farbe mal ein wenig
abkratzt. Im Falle des Norbeit Blüm treten da - für einen
lebenslangen Unionspolitiker nicht sonderlich überraschend -
verstaubte Ansichten aus vergangenen Jahrhunderten sowie seine feste
Verankerung in der "Soziallehre" einer Kirchenmacht, die
traditionell weder von Sozialem noch von sonst irgendetwas aus der
Weiterentwicklung der letzten 200 Jahre verstanden hat.
Nobby's
emotionale Ablehnung des Bürgergeldes wird sehr deutlich
sichtbar - es kann nicht gerecht sein, argumentiert er, wenn Menschen
ohne Arbeit Geld erhalten - und beschwört deswegen den Untergang
herauf. Das Ende des Vollbeschäftigungsmythos indes ist es, was
sich abzeichnet - allerdings hervorgerufen nicht durch Arbeitslose,
die angeblich nicht arbeiten wollen, sondern durch eine andere Form
leistungslosen Einkommens - nämlich jenem der Vermögen, des
Geldes. Geld lebt nicht, Geld arbeitet nicht, Geld ist nicht
menschlich. Folglich hat es weder Einkommen noch Macht verdient -
wenn heute Hedgefonds-Manager 2 Mrd $ im Jahr "verdienen" (d.h. so einer könnte pro Jahr 2.000 Menschen zu Dollarmillionären machen) -
so ist dies kein gerechter Lohn für irgendwo irgendwie
vollbrachte Leistung, sondern nichts amderes als der
Beuteanteil bei der Plünderung und Ausbeutung der Gesellschaften
und ihrer Menschen.
Sollte
unsere Wirtschaft heute tatsächlich nicht mehr in der Lage sein,
genügend Arbeit für alle Menschen bereit zu stellen - was
allerdings zunächst einmal zu prüfen wäre - dann
stellt sich natürlich die Frage, was machen mit all jenen die
dann keine Arbeit mehr finden. Will man sie nicht als Elend auf den
Straßen haben, führt an einer Alimentierung dieser
Menschen kein Weg vorbei - und zwar an einer, die sich nicht unter
die Armutsgrenze drückt oder sie zu Entrechteten und
Stigmatisierten macht - wenn das Wort Gerechtigkeit
in Deutschland noch einen Sinn haben soll. Schließlich
landet jeder, der mal für mehr als nur einige Monate seinen Job
verliert, in diesem Bereich. Und hier haben wir nun ein reindeutsches
Problem: die dank unangemessen verbreitetem katholischem
"Sozialdenken" hier weit mehr als andernorts verkrusteten
Strukturen hindern viele von diesen daran, sich aus diesen Bereich
wieder zu befreien. An unserem selbst bestens versorgten Polit-Rentner
Norbert Blüm scheint dies - wie vieles andere auch - spurlos
vorüber gegangen. Spätestens hiermit stellt sich dann die
Frage - ob es wirklich so eine gute Idee ist, ausgerechnet bei jenen
nach Lösungsbeiträgen zu suchen, die ihr Versagen bereits
unter Beweis gestellt haben.
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