Da
ist sie nun endlich - nach nicht enden wollenden Geburtswehen konnten
auf dem Vereinigungsparteitag der neuen Partei "Die Linke"
rund 800 Delegierte erstmals ihres Amtes walten. Feierstimmung! Nach
erheblichen Verrenkungen - wir erinnern uns an das merkwürdige
Wahlkonstrukt zwischen PDS und WASG zur Bundestagswahl 2005 - ist es
nun besiegelt: es gibt in Deutschland wieder eine Linke von nicht
vernachlässigbarer Größe. Der zur Zeit des Aufbruchs
dieses Projektes erhobene Anspruch, eine Sammlungsbewegung aller
Linken sowie des sonstigen gesellschaftlichen Widerstandes gegen die
Irrsinnspolitik der neoliberalen Allparteienkoalition hat man sicher
nicht einlösen können - noch viel wird hier in den
kommenden Jahren zu leisten sein. Aber wie schon die Wahl in Bremen
quasi vorwegnahm: Bei der Bevölkerung ist sie nicht unwillkommen
- die neue Linke - und dies zu Recht. Endlich eine Partei - deren
Wahl nicht dem Wegschmeißen der Stimme gleichkommt - und die
kein integraler Bestandteil des verkrusteten Machterhaltungs- und
Selbstbedienungskartells der anderen großen Parteien ist.
Das
allgemein übliche Prädikat "links
neben der SPD" kann man getrost weglassen - denn die SPD
mag künftig alles Mögliche sein, nur ist sie nicht mehr der
Hüter des hierzulande traditionell recht knappen linken
Tafelsilbers. Das verrät unverschämterweise allein schon
der Name der neuen Partei. Auch wenn Gerhard Schröder nicht
direkt aus Hameln stammt - jetzt rächt es sich, dass die SPD ihm
seinerzeit folgte und ihre eigenen Grundlagen dabei unbeaufsichtig
zurückließ. Da
nutzen heute weder
Erkenntnis-Verweigerung noch
die Fortsetzung der imageschädigenden
Keiferei, möchte man Hubertus Heil fast zurufen - für
die SPD sind die bequemen Zeiten vorbei. "Die Linke" ist
nicht mehr weg zu "reden" - und auch, wenn es noch so weh
tut - ein ehemaliges Schwergewicht aus den eigenen Reihen, Oskar
Lafontaine, ist eine ihrer zentralen Figuren. Ab jetzt gibt’s Druck
von da - und manchem SPD'ler könnten bald noch die Tränen
in die Augen treten, wenn er nun mit ansehen muss, wie andere künftig
aus jenen Positionen politisches Kapital schlagen, die die SPD
opportunistisch und allzu leichtfertig aufgegeben hat. Hierzu ein
kurzer Blick auf die aktuelle Sitzverteilung im Bundestag:
Neidisch
werden künftig SPD'ler auf ihre Kollegen von Union, Grünen
und FDP schielen - diese nämlich können sich - zumindest
bis auf Weiteres - noch die Rosinen aus den überaus zahlreichen
Privilegien ihres längst von jeder echten politischen Arbeit
abgehobenen Daseins picken. In der SPD hingegen lautet bereits ab
heute die Devise: harte politische Kernerarbeit. Diese schwere
und undankbare Arbeit, an die sich die altehrwürdige Partei kaum
noch erinnert: Ernsthafte und glaubhafte Alternativen für eine
neue zukunftsgerichtete Politik erarbeiten - Schröderismus ist
Passé und der Parteiputsch der Seeheimer ist endgültig
Auslaufmodell geworden. Und das ist gut so...
Zwei
aktuell in der Gesellschaft widerstrebende Strömungen stehen
sich heute unvereinbarer denn je gegenüber: "Neoliberalismus
oder solidarische Gesellschaftspolitik". Hier gibt es keine
Kompromisse, die sattsam bekannten Lippenbekenntnisse sind hier nicht
mehr gefragt - hier gibt es nur Entscheidung für das Eine oder
das Andere. Das erste Opfer dieser Zerreißprobe ist ohne
Zweifel die SPD - trägt sie doch diesen Widerspruch schon seit
Anbeginn des Schröderismus in sich. Da mögen zwar heute
noch manche frohlocken ob des Taumelns der altehrwürdigen Tante
SPD - aber das Lachen könnte ihnen schon bald gefrieren - z.B.
anlässlich der Hessen-Wahl in 2008.
Wo
sind die politischen Konzepte, die die Klagen und Hoffnungen einer
immer größeren Menge gepeinigter Menschen in diesem Lande
wirklich auffangen können? Antwort - seit den ausgehenden 80er
Jahren (... sie wissen schon, das ist der Zeitpunkt, ab dem der
Neoliberalismus keine Rücksicht auf gesellschaftlichen Konsens
mehr nehmen musste... ) gab es schlicht keine. Sonntagsreden und
Mauschelei haben sie vollumfänglich ersetzt. Auch wenn es ewig
Gestrige entsetzt: "... Wenn schon konzeptlos, dann
wenigstens Links..." ist auf jeden Fall mal eine parate
Antwort, die die Neue Linke ab heute den Menschen im Lande anbietet.
Aus Demokratiesicht ist dies auch allemal besser, als die Abwanderung
von immer noch mehr Wählern in die Nichtwähler-Partei...
Das
Ganze ist nichts anderes, als das von den einschlägigen
Vertretern Neoliberalen Kurzdenkens stets so hoch gehaltenen Prinzip
des Wettbewerbs - des vorübergehend vergessenen Wettbewerbs um
das bessere politische Konzept. Wer hier weiter behauptet,
Arbeitszeitverlängerung bringt mehr Arbeitsplätze, Erhöhung
des Rentenalters rette die Sozialkassen, Mindestlöhne vernichten
Arbeitsplätze usw. usw. usw., könnte in dem nun erneut
ausbrechenden Wettbewerb nicht mehr unbedingt die besten Karten haben
- daran wird weder Bertelsmann und sonstiger Medieneinfluss
irgendetwas ändern können. Noch glauben die Menschen eher
dem, was ihnen persönlich im Alltag widerfährt, als dem was
ihnen auf Mattscheibe und Papier weiszumachen versucht.
Noch
an ihrem Gründungstag muss die neue Partei die Wiederaufnahme
der üblichen Schmähungen und Diffamierungen über sich
ergehen lassen. Ja, es gibt Restkader aus der untergegangenen DDR -
ja, es gibt eine kleine Gruppe strammer Kommunisten - ja,
gelegentlich flackert der Trabi-Charme vergangener Jahrzehnte auf.
All das ändert aber nicht daran, dass die neue Partei den
Menschen auf Schritt und Tritt vor Augen hält, wie wenig der
neoliberale Zeitgeist den meisten Menschen im Lande überhaupt
noch zu bieten hat. Wer hier mit dem Verfassungsschutz herumspielt,
wie Bayerns Beckstein, der nimmt in Kauf, dass selbst oberflächlichen
Beobachtern merkwürdige Risse in der uns als gültig
verkauften Logik auffallen.
Die
Linke schickt weder Soldaten ins Ausland noch errichtet sie Mauern
und Stacheldraht - wie wir gerade erst beim G8-Gipfel sehen konnten,
sind es Andere, die solches tun... Die Linke stellt unsere Verfassung
nicht in Frage - wie wir es beim EU-Vertrag Schwarz auf Weiß
haben, sind es Andere, die sie gleich ganz abschaffen wollen. Spätens
das Ausmaß der Schmähungen der Allkoalitionäre,
welche sie über ihre Parlamentskollegen ausschütten, müsste
selbst blauäugige Zeitgenossen mit der Nase darauf stoßen,
dass die Linke offenbar als Gefahr für den Schmierstoff gesehen
wird, der unsere Gesellschaft ach so wohlgeschmiert in Richtung
Lohnsklaverei und Sozialraub abdriften ließ.
Die
Linke mag zwar noch keine wirklich neuen und tragfähigen
politischen Konzepte vorweisen können - dies ändert aber
nichts an dem Umstand, dass der Neoliberalismus solche auch nicht
vorzuweisen hat. So ist die Linke mit ihrer traditionellen Vision vom
demokratischen Sozialismus auf jeden Fall eine Alternative und durch
die Annexion der von der SPD verlassenen Gräben
gesellschaftlichen Kampfes möglicherweise sogar im Vorteil.
Fraglich allein bleibt, wann diese Message unsere - jeweils arg in
ihren Nebenjobs verfangenen - Politiker erreicht. Geht
man nach den Stellungnahmen zum heutigen Vereinigungsparteitag der
Partei "Die Linke" scheint, dass die Kuriere der Botschaft
noch weite Wege vor sich haben...
Wird
"Die Linke" die Retterin der Nation? Nun - abwarten...
Einerseits ist sie es bereits heute schon - sozusagen noch an ihrem
Gründungstag. Sie ist es deswegen, weil sie das hergebrachte und
sich durch alle parlamentarisch vertretenen Partein ziehende Kartell
des Neoliberalismus aufbricht. Nicht wenig spricht dafür, dass
die von führenden SPD'lern herbeigesehnte "Schrumpfung"
des Riesen wohl erst dann überhaupt einsetzen können wird,
wenn die eigene Schrumpfung längst schon real zurückliegende
Geschichte ist.
Hiermit
wird die Kohl'sche Erfolgsstrategie "Aussitzen" mindestens
für die SPD zu keinem brauchbaren Vorbild. Und genau das ist es,
was dem Lande und seinen Menschen nur gut tun kann. Man soll ja nie
die Hoffnung aufgeben, dass Politiker eines Tages vorübergehend
mal wieder das tun, wofür sie eigentlich bezahlt werden:
Vernünftige Zukunftskonzepte entwickeln und sich für ihre
Umsetzung zu bewerben - statt dem Volk fremde zwielichtige Konzepte
aufs Auge zu drücken! So sehr die SPD über die gegenwärtige
Lage auch klagen mag - ihre Politiker erhalten dank der neuen Partei
auf jeden Fall als Erste die Chance dazu.... Ob sie diese zu nutzen
verstehen, wird sich zeigen...
Für
die Zukunft steht nur zu hoffen, dass sich die Tobsuchts-Anfälle
bei der SPD schnellstens legen - fast zwei Jahre Jahre sollten
reichen, sich an die neue Konkurrenz am linken Flügel gewöhnt
zu haben. Für 2009 steht weit mehr und wichtigeres auf dem
Spiel, als nur ein paar gekränkte Eitelkeiten einer großen
alten Tante - Zusammen mit Grünen und Linken ist es eine
beachtliche Mehrheit im Bundestag, die da zu verlieren ist.
Hier
steht die Frage im Raume, wie es eigentlich möglich ist, dass
das gegenwärtige Gesicht der Regierungspolitik so sehr deutlich
die Züge der Union trägt - und so sehr wenig von der SPD
darin erkennbar geblieben ist. Hierauf werden die Wähler
spätestens 2009 eine Antwort erwarten - und die wird verdammt
gut sein müssen. Ohne Abkehr vom Schröderismus wird man
eine solche Antwort nicht finden können, schon gar nicht, wenn
man dafür die Verantwortung trägt, dass eine gewählte
linke Mehrheit im Parlament sich in der Politik praktisch nicht
auswirkt. Allein der Umgang der CDU mit dem Koalitionspartner SPD
legt schonungslos offen, dass die SPD hier von der Union nicht das
Allergeringste an Beistand zu erwarten hat.
Es
zählt zu den absurdesten Umständen in diesem Land
überhaupt, dass SPD und Die Linke sich derart erbittert
bekriegen, wie es der Fall ist. Die Linke ist nicht Schuld am
gegenwärtigen Niedergang der SPD - hierfür kann die sich
bei Schröder sowie bei der aktuell von ihr selbst produzierten
Politik bedanken. Dies ist zwar eine unbequeme Erkenntnis, aber es
ist auch eine, die Selbsterhaltungskräfte dieser Partei endlich
dazu bewegen könnte, das Unionsjoch abzuschütteln - denn
derart viel Spielraum für eine vernünftige Politik in
Deutschland hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Auch
die vielen Ministerpräsidenten der CDU, die sich in ihren
angeblichen Wahlerfolgen "sonnen" und erhebliche Anteile am
Machtrausch der Union in Berlin tragen, könnten so einestages
unsanft erwachen - schließlich gingen bei der Bundestagswahl
über 77% der Wähler zur Urne, während die
Landtagswahlen derzeit meist kaum mehr als die Hälfte der
Wahlberechtigten mobilisieren. Hiermit ist die demokratische
Legitimation des Bundestages erheblich höher einzuordnen, als
die z.B. der Parlamentszusammensetzung in Sachsen-Anhalt.
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