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Der
deformierte Arbeitsmarkt
Nun
- was geht hier in Wahrheit eigentlich vor? Beginnen wir beim
sogenannten "Arbeitsmarkt". Sogenannt deswegen, weil dies
von Natur aus nicht wirklich ein "Freier Markt" sein kann,
denn ein solcher setzt eines IMMER
voraus: die Freiheit seiner Teilnehmer.
In modernen Gesellschaften aber sind Arbeitnehmer keineswegs frei -
vielmehr müssen sie ihren Lebensunterhalt "erarbeiten".
Letztes Jahrhundert funktionierte das über lange Zeit halbwegs
ordentlich in den Wirtschaftssystemen - es gab auch vorwiegend eine
Produktwirtschaft. Leute mit Geld und/oder Ideen schufen Produkte,
für deren Herstellung, Vertrieb und Pflege man Arbeit brauchte -
was Arbeitende wiederum in die Lage versetzte, solche Produkte zu
kaufen. Wenn gewisse Spielregeln eingehalten werden, entstehen
dynamische Gütermärkte und - wenn man so will - auch ein
Arbeitsmarkt. Schnell entwickelte sich eine florierende Wirtschaft
und in der Folge breiter Wohlstand.
Wichtig
für die Funktion von Märkten ist der
freie Ausgleich von Angebot und Nachfrage - konkret: wenn
beispielsweise ein Arbeitsangebot gar zu
jämmerlich bezahlt wird, ist es absolut
marktkonform, dass der Markt diesen Teil der Arbeitsnachfrage nicht
befriedigt. Dies MUSS sogar so sein - andernfalls würde
kein Druck auf die Wirtschaft entstehen, höherwertige Produkte
und Arbeitsplätze zu schaffen. Wir fühlen uns an das
asoziale Subjekt eingangs des Beitrags erinnert - dieser schuf
teilweise völlig sinnlose Arbeit, allein
um Zuschüsse einzustreichen. Wir erkennen: Solche
Zuschüsse - gleich welche - deformieren Arbeitsmärkte, denn
sie behindern den freien Marktausgleich. In Absurdistan gibt es aber
noch mehr Deformation - z.B. die bis in die Irrationalität
vermurksten Zumutbarkeitskriterien für
Arbeitslose. Hier wird unwiderlegbar Zwang auf Arbeitnehmer
ausgeübt, jeden noch so beschissenen Job anzunehmen - sowas hat
gewöhnlich einen präzisen Namen: Zwangsarbeit (nach dem
Grundgesetz in Absurdistan verboten...). In absurdistanischen
Amtsstuben aber jagt inzwischen diesbezüglich ein Krimi den
anderen - Fahrzeiten bis zu 3 Stunden pro Tag, perforierte
Arbeitszeiten: 12 Std am Arbeitsplatz für 6 Std. bezahlte
Arbeitszeit, Job in halbseidenen Branchen (Outbound-Callcenter) - ja,
dem Vernehmen sogar Arbeit in der Erotik-Industrie...
Je
nach "Sachbearbeiter" kann all dies flott mal als "zumutbar"
angesehen werden. Hierbei können Sachbearbeiter durchaus
unverkrampft vorgehen - denn: einem Arbeitslosen nutzt ein
Aufbegehren gegen eine gar zu heftige "Zumutung" zunächst
einmal wenig - sein vielleicht höchst
berechtigter Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung!
Er muss trotzdem - sonst setzt es Abzüge,
die ihm bei dem "üppigen" ALG2, das schon in voller
Höhe kaum zum Leben reicht, es fast verunmöglichen, sich zu
wehren. Toll haben sie das hinbekommen, die Creme de la Creme
in Absurdistan. Angemerkt sei: nicht alle Sachbearbeiter gehen so vor
- andere wieder schwimmen nur mit, wenn sie müssen - und
generell ist DIES nicht wirklich ihre Schuld. Die Schuld liegt hier
zu allererst beim Gesetzgeber, der solche aberwitzigen Verhältnisse
überhaupt erst schuf...
Dennoch
- dem Arbeitnehmer wird hier die Hoheit abgesprochen, selbst zu
entscheiden, ob ein Arbeitsangebot für ihn passend ist oder
nicht. Es entstand zwar ein ideales Betätigungsfeld für das
lang unterdrückte Spießertum im Lande, dies ändert
aber nichts daran, dass hier regelmäßig massiv gegen das
Grundrecht der freien Berufswahl verstoßen
wird. In diesem Punkt ist unser armer Abgeordneter Friedrich Merz
(CDU) ja so fürchterlich sensibel - zumindest wenn es um seine -
man beachte: Nebeneinkünfte - geht, die er zu allem Überfluss
auch noch unter Verfehlung des Themas hier einsortierte.
Es
gibt im persönlichen Bereich eines Menschen unendlich viele
Aspekte, die eine Jobwahl beeinflussen - keine Behörde der Welt
kann dies letztlich beurteilen. In unserem Fall eingangs also lag
nicht wirklich "Geld auf der Straße". Der
inzwischen üblich gewordene behördliche Zwang erst macht
diese Betrugsform überhaupt möglich - Jener
Arbeitslose, der in die Fänge solchen Gesoxes gerät, muss
bei seiner völlig gerechtfertigten
Kündigung auch noch Sanktionen befürchten. Nicht
sehr viel anders läuft es in der so gefeierten
Zeitarbeitsbranche - Keiner der fortwährend laut krakehlenden
wie unbetroffenen Spießer würde doch freiwillig für
die Hälfte arbeiten, nur weil irgendein Unbeteiligter unverdient
Geld von seinem Lohn abzockt? Tag für Tag aber werden in
Absurdistan tausende von Menschen per Sanktionsandrohung gezwungen,
sich in diese Mühle hinein zu begeben. Hier
machen Gesetze nichts anderes als "Vertrieb" für eine
Schmuddelbranche. Und dies sind keineswegs, wie
Frank Jürgen Weise im ZDF abwiegelte, Ausnahmen.
Die
system-immanente Unterstützung dieser "Beschäftigungsform"
- nicht zuletzt auch unter Beteiligung von DGB-Gewerkschaften - wird
schon aus folgendem Sachverhalt erkennbar: Viele Zeitarbeitsfirmen
(so auch in der Sendung) brüsten sich, sie
würden "nach Tarif" bezahlen. Das hört
sich gut an - nur gibt es einen Haken. Hier sind nicht die Tarife der
Berufsgruppen gemeint, in denen die Zeitarbeit verrichtet wird,
sondern ein spezieller Tarif für
Zeitarbeit (IGZ-Tarif). Dieser sieht im Osten folgende
Staffelung vor: für eine einfache ungelernte Tätigkeit
einen Stundenlohn von 6,26 € - bei abgeschlossener
Berufsausbildung muss man sich mit 7,15€, als Meister mit 9,69€ -
und als Vollakademiker mit 13,77 € zufrieden geben. Wohlgemerkt -
dies richtet sich nicht nach der Qualifikation des Zeitarbeitenden,
sondern nach der Tätigkeit, die er verrichtet. Das Monatsbrutto
bewegt sich hier also zwischen 877 € über 1.350 € für
die Meistertätigkeit bis immerhin 1.927 €. für die
höchste Entgeltstufe.
Auch
wenn hier teilweise bereits deutlich unter den Stammtarifen (mit
welchem Grund eigentlich? Die verrichtete Arbeit jedenfalls ist
vollwertig...) bezahlt wird, ist dies allein nicht der
eigentliche Skandal. Dieser kommt anders und unter kräftigem
Zutun gerade großer und namhafter Arbeitgeber des Landes
zustande. Besonders brummende Großkonzerne besorgen sich ihre
Mitarbeiter schon seit Längerem vermehrt über
Zeitarbeitsfirmen. Für sie ist hier weniger die Lohnhöhe
entscheidend, als der Umstand, dass man
Zeitarbeiter genau so schnell wieder los wird, wie man sie
bekam. Konzerne können so ihren Personalpool maßgeschneidert
zu ihrer Auftragslage gestalten. Das ist praktisch, macht keine schlechte Presse und verursacht kaum Mehrkosten. Zudem
werden hier Tarifverträge, Kündigungsschutz,
Krankheitsrisiken etc. ersetzt durch die Verträge mit
Zeitarbeitsfirmen. Unliebsames, kränkelndes oder widerborstiges
Personal ist mit einem Anruf "ausgetauscht". Bei so
massiven Vorteilen macht es anscheinend wenig aus, Zeitarbeit nicht
schlechter zu bezahlen als die Stammbelegschaft. Im Gegenteil: so
kann man sich hernach noch mit runden Kulleraugen hinstellen und
beschwören, mit diesen Verwerfungen nichts am Hut zu haben...
Zeitarbeitsfirmen
erhalten so für entsandte Mitarbeiter zumeist die ortsübliche
Bezahlung eines Platzhirschunternehmens, die nicht selten
übertariflich ist - der Arbeitende indes
wird mit dem IGZ-Tarif abgespeist. Auch sonstige
Schlechterstellungen im IGZ-Tarif würden mehr auffallen, wenn
Zeitarbeiter lange Zeit bei einem Unternehmen blieben - denn dann
würden u.a. miesere Urlaubs- und Sonderzahlungsregelungen
herumsprechen. Dem setzt die Branche Rotation entgegen, d.h. zumeist
ist ein Arbeitnehmer nicht viel mehr als 6 bis 9 Monate bei einem
Unternehmen. Der Boom der Branche erklärt sich somit: Es ist
besonders für große und prosperierende Arbeitgeber
(Export-Industrie) mit guten Bedingungen für ihr Stammpersonal
interessant, Zeitarbeiter zu beschäftigen - vermehrt wird daher
in Aufschwungsphasen der sonst fällige Stellenaufbau über
Zeitarbeit abgewickelt.
Aus
Sicht von Arbeitnehmern aber bedeutet das - den
"guten Job" beim großen ortansässigen Hersteller
gibt es für ihn immer weniger. Bestenfalls über die
deutlich schlechter bezahlte Zeitarbeit kann er - dazu mit
dramatisch beeinträchtiger sozialer Sicherheit dorthin gelangen.
Viel reden die Propagandisten der Zeitarbeit tagein, tagaus über die angeblich
so tollen Chancen auf "Übernahme" - ich denke, die
oben aufgezeigten Zusammenhänge machen klar, wieso dies im
Gesamtzusammenhang immer ein Märchen war, ist und bleiben wird. Für
Großunternehmen ging es hier klar immer nur um Eines: um die Minimierung ihrer unternehmerischen Risiken - und zwar auf dem Rücken
von Arbeitnehmern. Ein anderes sich hartnäckig haltendes
Märchen: Zeitarbeitsfirmen wurden Personal, welches sie gerade
nicht unterbringen können, weiter in Beschäftigung halten.
Auch hier belegen die alltäglichen Erfahrungen ungezählter
Menschen längst das Gegenteil.
Unterschlagen
wollen wir indes keineswegs zwei Entwickungen, die man zwar nicht der
ganzen Branche - sehr wohl aber erheblichen Teilen davon vorwerfen
muss. Erstens - bei der Einstufung in den IGZ-Tarif werden bisweilen
merkwürdige Verrenkungen unternommen, ebenso wie in den
Arbeitsbedingungen - da wird aus einer 35-Std. Woche schon flugs mal
eine 40-Std-Woche - natürlich ohne Lohnausgleich. Eine andere
Entwicklung ist: ganze Branchen - z.B. Elektronik-Fertigung -
besetzen ihre Produktionslinien fast vollständig durch
Zeitarbeit. Hier sind ehemals zwar nicht unbedingt hochbezahlte aber
immerhin auskömmliche Jobs im Bereich
einfacher Arbeit, die hier unwiederbringlich zerstört und
durch prekäre Arbeitsformen ersetzt wurden. Ist es etwa dies -
was Prof. Hans-Werner Sinn meinte, als er seinen denkwürdigen
Ausspruch tätigte "Geringqualifizierte können sich
ihren Lebensunterhalt auf dem freien Markt nicht mehr
erwirtschaften..."?
Jede
mittlere Stadt in Deutschland hat inzwischen dutzende Niederlassungen
von Zeitarbeitsfirmen - nicht wirklich ein Wunder, denn hier lässt
sich prima richtig viel Kohle machen - und zwar
auf dem Rücken von Arbeitslosen. Zahlen tun die Zeche
weder die großen Arbeitgeber, die sich über ihre zum
Nulltarif verringerten Risiken freuen dürfen noch die
Zeitarbeitsfirmen - hier zahlen allein die Arbeitnehmer und deren
Familien über miese Löhne, miese Arbeitsbedingungen und
einem dramatischen Verlust an sozialer Absicherung. Auch noch
interessant: Gerade bei den nicht ganz so strahlenweißen
Schafen der Branche häufen sich Klagen über ein - ich
nenne es mal "kreatives" Cash-Management. Im Klartext: Zwar
nimmt man pünktlich die Überweisungen des Kunden entgegen -
der Zeitarbeiter indes darf hier und da schon gern mal bis
Monatsmitte warten... Wer meckert fliegt, wer
fliegt, wird sanktioniert - So einfach kann es sein in
Absurdistan, während das Geld, welches einem nicht gehört,
mal eben ein bischen "arbeitet" (was dieses bekanntlich
nicht wirklich kann...). Der letzte Trend in Absurdistan: Dass manche
Zeitarbeitsklitsche angesichts solcher Praktiken in Probleme gerät,
Personal zu rekrutieren ist nachvollziehbar - inzwischen mehren sich
Berichte, Mitarbeiter solcher Unternehmen drohten Arbeitslosen mit
der "Meldung an die ARGE" für
den Fall, dass sie wegen zu mieser Bedingungen ablehnen. Von hier zu
unserem asozialen Subjekt anfangs ist es so kein wirklich großer
Schritt mehr.
Die
vorgestellten Details zeigen - Zeitarbeit ist ein Instrument, das
sich unter raffinierter Umgehung von Gesetz und Tarif für nahezu
jede vorstellbare Schweinerei auf dem Arbeitsmarkt eignet. Ich bin
gewiss kein Fan von Einzelfall-Argumentation - wichtiger ist mir, die
strukturellen Schwächen des Arbeitsmarktes in Absurdistan offen
zu legen.
Eine solche ist ohne jede Frage gegeben, wenn Behörden
Arbeitslose ungestraft z.B. auch in solche Jobs wie beim anfänglichen
Beispiel drücken können. Dabei gilt immer: Bei einer
Deformation ist relativ unwichtig, was im Moment praktiziert wird,
sondern es zählt allein was durch sie MÖGLICH
ist. Zeitarbeit in der heutigen Form hat sowieso ein ganz
grundlegendes Defizit: Absurderweise
ackert ein dort beschäftigter Arbeitnehmer nicht nur zum Wohle
eines - sondern zum Wohle von gleich zwei Arbeitgebern. Hierfür
gibt es wirtschaftlich weder eine schlüssige Begründung und
noch sonst irgendeine Notwendigkeit. Ziel dieser Arbeitsform scheint
allein: Bereicherung
und Brechstange
für die hierzulande ehedem festgefügten Arbeitnehmerrechte
- die Deformation des Arbeitsmarktes.
Auch
Vermittlunggutscheine, Einstellungszuschüsse, 1€-Jobs,
Minijob-Subvention - all dies sind deformierende Eingriffe in den
Arbeitsmarkt und sie verschlingen im selben Ausmaß Milliarden,
wie sie stets von windigen Geschäftemachern abgezockt werden und
bei Arbeitslosen wie Arbeitnehmern kommt von diesem Geld praktisch
nichts an. Dieses wird in ganz besonders
krassem Ausmaß für das Kombilohn-Modell der Union
gelten - denn was leistet dieses Modell in Wahrheit, welches mit der
flachsinnigen Begründung gefordert wird: "Es
sei besser Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren..."?
Ganz
einfach - es reduziert künstlich den Preis für Arbeit und
schafft so noch mehr Lohnkonkurrenz.
Wie bereits bei Zeitarbeit und Minijobs werden windige
Geschäftemacher ihre Strukturen im Handumdrehen auf die
Abschöpfung des staatlichen Geldsegens optimieren und sich dann
solange schadlos daran halten, wie es diesen Schwachsinn gibt. Fast
schon naturgesetzlich, dass viele bisher ordentliche Arbeitsplätze
dieser neuerlichen Verlockung zum Opfer fallen werden. Hier nun eine selten
gestellte aber immens wichtige Frage: Nehmen wir einmal an es gäbe
5 Mio. Kombilohn-Arbeitsplätze - WIE
eigentlich will der Staat aus dieser Nummer wieder heraus kommen?
Zum Beispiel - weil das Steueraufkommen die dann fälligen
horrenden Subventionen nicht mehr so locker her gibt? Kippt er die Subvention,
wird er postwendend etliche Mio. Arbeitslose mehr zu finanzieren
haben - toll - eine sich selbst verstetigende Deformation.
Genau
betrachtet ist dies nichts anderes als eine besonders zynische neue Form von Reichen-Sozialismus
- denn der Staat bezahlt hier teilweise die Arbeit von Menschen - mit
einem nicht ganz unwichtigen Unterschied: denn die Früchte
dieser Arbeit kommen keineswegs der Allgemeinheit zu Gute sondern
landen eben bei sowieso schon unvernünftig Reichen. Und dieses
fordert in Absurdistan ausgerechnet jene Partei, die stets für
sich in Anspruch nimmt, den freien Markt hoch zu halten. Was auch
immer die Union hochhält - eines ist dies gewiss nicht: einen
freien Arbeitsmarkt.
Wir
stehen also vor einer ganzen Kollektion von Indizien, dass mit
unserem "Arbeitsmarkt" so Etliches nicht mehr zu stimmen
scheint. Betrachten wir ihn doch mal grundsätzlich: wir haben
rund 42,5 Mio. Erwerbspersonen in Deutschland. Abgesehen von ca. 4
Mio öffentlich Bediensteten, ca. 4 Mio Selbstständigen und
2 Mio Studenten sollten also rund 32,5 Mio. von ihnen eigentlich im
Arbeitsmarkt irgendwie ihr Auskommen finden - destatis weist rund 27
Mio sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus - 4,5 Mio
davon in Teilzeit. Der Rest? Schaut den anderen
beim Arbeiten zu, könnte man sagen. Würde man die
Arbeitszeit vom derzeitigen statistischen Durchschnitt 40
Wochenstunden auf 35 Wochenstunden senken - müsste sich die
Arbeitslosigkeit deutlich reduzieren lassen. Natürlich bedeutet
dies Einkommenseinbußen für die betroffenen Arbeitnehmer -
aber: Diese haben sie ja inzwischen durch die Deformation des
Arbeitsmarktes auch so bekommen - z.B. durch Arbeitszeitverlängerung,
die sie aus der nicht unbegründeten Angst arbeitslos zu werden,
schlucken mussten.
Wie
hirnverbrannt muss man eigentlich überhaupt sein, bei diesem
Szenario Arbeitszeitverlängerung um zu setzen? Sie wissen ja
hoffentlich noch, wem wir diesen Schwachsinn zu verdanken haben oder?
Das prophetische Wort vom "Freizeitpark Deutschland" des
dicken Kanzlers lässt grüßen. In
der Illner-Sendung sprach Gregor Gysi (Die Linke) dann auch zu Recht
von dem großen
naturwissenschaftlichen Experiment,
welches in Deutschland schon seit 17 Jahren läuft - nämlich:
Arbeitszeitverlängerung
schafft mehr Arbeitsplätze.
Das Ergebnis des Experimentes liegt indes klar auf der Hand -
diejenigen die noch Arbeit haben, schuften bei mehr oder weniger
stagnierenden Einkommen fast bis zum Umfallen - mit allen
gesundheitlichen und sozialen Folgen für sie selbst und ihre
Familien, die der Union angeblich ja auch so besonders am Herzen
liegen. Und ein zunehmender Teil der Bevölkerung wird
systematisch aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt - für sie ist
keine ordentliche Arbeit da, es sei denn sie lassen sich noch kräftig
mehr ausbeuten als die anderen es ohnehin schon tun.
Abschließend
wäre noch eine weitere wenig so thematisierte Deformation unseres
Arbeitsmarktes zu beleuchten: Gemeint sind die Grundstrukturen unserer Sozialsysteme, die hier bereits von Anbeginn an
deformierend wirken. Ein
Sozialsystem, welches Einkommen mit zunehmender Höhe immer mehr
von Sozialabgaben entlastet, bietet zwangsläufig Anreize zu
Deformation
- und aufs Ganze gesehen sind es sogar recht massive Anreize.
Deswegen auch entstanden in Deutschland ratzfatz über 8 Mio Minijobs:
weil der relative Anteil der Sozialabgaben durch die Pauschalisierung
hier geringer ist, als bei "normaler" Beschäftigung.
Gleiches gilt für Arbeitszeit und Überstunden: wenn
Einzelne mehr Stunden leisten, werden hierbei die widersinnigen
Beitragsbemessungsgrenzen
der Sozialversicherung eher übersprungen. Ab da aber sinkt die
Sozialquote am Lohnumsatz rapide. Dass eine Wirtschaft ihre
Strukturen hier selbst dann optimiert, wenn nur wenige
Prozent Einsparungen im Raume stehen, ist verständlich: denn hier
Gespartes ist sozusagen Reingewinn. Hiermit erhebt sich aber die
Frage - wieso gelang es unserer Politik im Verlauf der letzten 20
Jahre nicht, das System wirklich zu reformieren? Reform kann hier nur
bedeuten: Wenn
ich Arbeit zur Finanzierung der Sozialsysteme heranziehe, muss ich
dafür Sorge tragen, dass JEDE
Arbeit gleich belastet
wird. Andernfalls müssen Deformationen die zwangsläufige
Folge sein.
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