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Vorgeschichte
Und
nun zu unserem Fallbeispiel. Frau G. (Name von der Redaktion
geändert) lebt in Friedrichshafen am Bodensee. Eine Region in
Deutschland, der Otto-Normal-Verbraucher keineswegs "Probleme"
im sogenannten "Arbeitsmarkt" unterstellen würde - die
offizielle Arbeitslosenquote pendelt hier derzeit um glänzende
3,2% - Werte von denen die überwiegende Mehrzahl anderer
Regionen in Absurdistan nur träumt. Frau G. ist jetzt Anfang 40
und arbeitete lange Zeit im sozialen Bereich. Frau G. entschied sich
vor einigen Jahren zur Aufgabe dieses Jobs, als das Mobbing ihres
Chefs immer unerträglicher wurde. Bald darauf strebte sie eine
berufliche Neuorientierung an, in deren Verlauf sie die
Berufsausbildung zur Bürokauffrau als Lehrgangsbeste abschloss.
Frau G. ist nunmehr voller Hoffnung – mit diesen Vorraussetzungen
sollte sie in einer solchen Region Chancen ohne Ende haben.
Doch
es gibt Schwierigkeiten von Anfang an - der tatkräftigen
Frau gelingt es trotz intensiver Bewerbung nicht, einen ordentlichen
Arbeitsplatz zu ergattern, obwohl sie ein breites Erfahrungs- und
Kenntnisspektrum mitbringt. Sie bleibt arbeitslos – und wird somit
ein "Fall" für die "Hilfe zur Arbeit" der
Options-Kommune Bodenseekreis.
Auch
wenn das Leben auf Hartz-Niveau alles andere als prickelnd ist,
schmeißt Frau G. die Flinte nicht ins Korn - bewirbt sich
wieder und wieder – unterbrochen von jeweils kurzbefristeten und
berufsfremden Jobs. März 2007
verordnet ihr das Amt einen 1€-Job, den Frau G. anstandslos
versieht und der ihr wenigstens ein paar zusätzliche Euro
einbringt, sodass ihr der Unterhalt ihres kleinen Autos leichter
fällt - welches in der Region mit ziemlich zerstückelten
ÖPNV-Angebot durchaus wichtig ist. Viele Jobangebote hier setzen
ein Fahrzeug voraus. Eines Tages im Mai erhält Frau G. von ihrem
Amt telefonisch die Aufforderung, sich bei der Firma S. vorzustellen.
Frau
G. macht für 9.5.2007 einen Termin aus - nach einem ca.
1-stündigen Gespräch mit dem Firmenchef Herrn S. scheint am
das meiste abgeklärt – Herr S. räumt Frau G. Bedenkzeit
bis zum nächsten Tag ein. Frau G. ist nicht unbedingt begeistert
– der in Aussicht gestellte Verdienst scheint ihr etwas mickrig.
Telefonisch erkundigt sie sich beim Amt, ob sie Zuschüsse
erhalten könne - was natürlich nicht drin ist. Frau G.
rechnet nach - unter Berückschtigung der Fahrkosten zum
künftigen Arbeitsort wird ihr kaum mehr beiben, als bisher. Doch
ihr ist auch klar (und selbst wenn sie es vergessen hätte -
wurde es ihr im Telefonat wie immer sehr deutlich gemacht), dass sie
nicht wirklich eine Wahl hat. Wie ausgemacht ruft sie also am
nächsten Tage die Firma S. an, erreicht aber nur die Bürokraft.
Inzwischen war Frau G. eingefallen, dass sie es bei der Vorstellung
versäumt hatte, sich nach den Rahmenbedingungen der Stelle -
also Urlaub, Sonderzahlungen und Entwicklungsmöglichkeiten zu
erkundigen. Frau G. holt das nach und bekundet zum Ende des
Gesprächs, dass sie den Job machen wolle.
Allerdings
informiert sie ihre Gesprächspartnerin, dass die endgültige
Entscheidung noch nicht gefallen sei und dies noch 1 bis 2 Wochen
dauern könne. Firma S. werde sich dann bei ihr melden. Im
Stillen ist Frau G. gar nicht mal so unglücklich über die
neuerliche Wendung – immerhin eröffnet diese ihr die vage
Chance, vielleicht irgendwo doch noch einen besser bezahlten Job zu
finden. Dennoch - Frau G. überkommen auch Anflüge von
Resignation: 2 Jahre lang hatte sie sich für ihre Ausbildung
abgerackert, sich wirklich angestrengt - und nun sowas?
Zwischenzeitlich
hatte Firma S. offenbar - was Frau G. zu diesem Zeitpunkt nicht
wissen konnte - beim Amt um weitere Bewerber für ihre
Praktikantenstelle gebeten - woraus klar hervor geht, dass Herr S.
sich wohl nicht für Frau G. entscheiden konnte. Näheres
über die Gründe ist nicht bekannt – doch hält dies
das Amt nicht davon ab, aktiv zu werden, während Frau G.noch
eher fast fürchtet denn hofft, die Stelle tatsächlich zu
bekommen.
Von
Firma S. hört Frau G. erst einmal nichts mehr – dafür
aber hat sie am folgenden Freitag dicke Post - Inhalt: ein
Bescheid über die Absenkung ihres ALGII um 30% für 3
Monate. Auf nicht weniger als 5 Seiten Bescheid und dazu
noch 4 Seiten Rechtsbelehrung, die sie unter Androhung weiterer
Sanktion unterschrieben zurück zu senden hat, macht
Fallmanagerin B. ihr klar, dass Frau G. die folgenden 3 Monate ein um
104€ gekürztes ALGII erhalten werde. Sanktion!
(Die wichtigsten Dokumente sind im Folgenden abgebildet - zur Wahrung
der Anonymität sind Stellen geschwärzt).
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