Man
kann ja nicht wirklich sagen, dass sich in Absurdistan nun überhaupt
nichts zum Besseren gewendet hätte. Bei der guten alten Tante
SPD scheint immerhin inzwischen angekommen, dass noch eine
Legislaturperiode nach Art der gegenwärtigen Großen
Koalition ihre Existenz als – sagen wir mittelgroße –
Volkspartei endgültig in Frage stellt. Der Haupterbe Schröders,
Franz Müntefering, kehrte ja elegant der Spitzenpolitik den
Rücken und vererbte so der geschundenen Partei etwas mehr
Bewegungsraum. Begriffsstutziger gibt sich da schon die trotz fast
gleicher Sitzzahl im Bundestag gefühlt allein regierende CDU. In
Hessen glaubt da nämlich Andenpaktierer Roland Koch – offenbar
in Anlehnung an den talentierten Grabredner Oettinger - er könne
bis zur Landtagswahl mit rechten Parolen noch Punkte sammeln. Auf ihm
und seinem Kabinett lastet jedoch eine beachtliche Hypothek in punkto
Armen- und Randgruppen-Bashing – Stichworte: Elektronische
Fussfesseln, Verwandten-Rückgriff bei Hartz IV, Studiengebühren.
Nicht zu vergessen der eine oder andere Skandal im Umfeld von Wahlen,
Parteispenden sowie seines Aufsichtsratsvorsitz bei Fraport, den Koch
jahrelang als „Nebenjob“ zu seinem Amt ausübte. Die gefühlte
Stimmung legt nahe: an etlichen Ecken und Kanten bläst der Wind
dem neoliberalen Feudalgeist inzwischen zunehmend ins Gesicht. Dass
dies allein indes noch keine Abkehr von Absurdistan bedeutet, macht
eine kurze Bestandsaufnahme schnell deutlich.
Die
Gesetzesmüllhalde Hartz IV stinkt nach wie vor vor sich hin. Wer
diesen bräunlich-scharfen Geruch einmal in die Nase bekam,
vergisst ihn so schnell nicht wieder. Man schuf ein Bürokratiemonster
mit teilweise rechts- und demokratiefernen Räumen, dem ohne das
Eingeständnis massiver Fehlgriffe nicht beizukommen ist. Und man
kann eine Putzfrau samt Besen darauf verwetten: solche will sich
angesichts der anstehenden Wahlen – manche könnte gar früher
kommen als man dachte - keiner der Kontrahenten ans Revers heften.
Bahnchef
Mehdorn spielt weiter Katz und Maus mit der Gewerkschaft GdL – auf
Kosten des sonst immer so geheiligten Profits. Der Vorstoß
(Link)
der Briefzustellergruppe PIN Anfang Dezember indes dürfte als
epochal einzustufen sein. Die mehrheitlich dem Springer-Verlag
gehörende Privat-Besser-Gruppe drohte nämlich unter
völligem Verlust jeglicher Bodenhaftung mit der sofortigen
Entlassung von mindestens 1.000 Mitarbeitern, falls der Bundestag am
14. Dezember 2007 und der Bundesrat am 20. Dezember 2007 der
Ausdehnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf die
Briefzustellerbranche beschließen würden. Hintergrund des
inzwischen beschlossenen Gesetzes: hiermit erlangt die zuvor bereits
im November ausgehandelte Mindestlohnvereinbarung zwischen
Arbeitgeberverband Postdienste und der Gewerkschaft Verdi
branchenweite Gültigkeit. Die Regelung sieht Mindestlöhne
von 8,00 bis 9,80 Euro vor.
Deutschlands
Finanzelite muss scheinbar irgendwie der Bankrott drohen –
zumindest wenn man sich die Argumentation des Unternehmens und seiner
Lobby ansieht. Ein derart – und nun bitte festhalten – HOHER
Mindestlohn sei mit dem „Geschäftsmodell“ von PIN nicht
vereinbar und so sei man gezwungen, die Entlassungen vorzunehmen.
Eine absurdistanische Lachtablette allererster Güte – denn
Sitz der Unternehmesgruppe ist Luxemburg. Einsehbar ist dieses
Steuersparmodell gewiss alles andere als legitimiert, auf diese Weise
Einfluss in der deutschen Politik zu suchen. Und das wo – nebenbei
bemerkt – in Luxemburg selbst der EU-weit höchste Mindestlohn
von immerhin 9,08 € gilt.
Absurder
geht es kaum noch: Zusteller sollen auf einen Teil ihres ohnehin
schon kargen Lohns verzichten, damit die arme Springergruppe sich
daran künftig nicht nur dumm sondern auch noch dämlich
„verdienen“ kann. Solche „Geschäftsmodelle“ braucht hier
und auch sonstwo niemand – denn das von Briefzustellern zu
bewältigende Arbeitsvolumen orientiert sich nicht an den
„Pusteblumen“-Träumen von PIN, sondern schlicht am
Briefaufkommen. Ob dieses sich ändert, wenn Millionen vom
Lebensunterhalt jener Menschen, die letztlich die Arbeit machen, in
die Taschen von Multimillionären umgelenkt werden, darf wohl
bezweifelt werden. Fest steht jedenfalls – auch die Anzahl Briefe,
die ein Multimillionär pro Tag schreiben kann, ist definitiv
endlich – und eine Rolle spielt der Portopreis bestenfalls beim
unsinnigen Werbemüll, den kaum jemand wirklich braucht.
Doch
dieser Rohrkrepierer scheuchte unsere leistungstragende Elite auf –
wohl auch weil Erste darunter bereits Gefahr liefen, die eigene
Propaganda mit Realität zu verwechseln. Kurze Zeit später
prangte in den Medien der Schocker „Arbeitgeber fordern
flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland“ - im
Kleingedruckten darunter dann die Aufklärung für dieses nur
scheinbare Weihnachtswunder: man dachte da doch glatt an großzügige
4,50 Euro die Stunde – was sich bei einem 35-Stunden-Vollzeitjob
auf glanzvolle 630 Euro Brutto summiert und damit rund 200 Euro unter
der staatlichen Hilfe zum Lebensunterhalt liegt – also dem was man
braucht, um hier ( und nicht in Timbuktu ) ein Leben auf Mindestniveau zu bestreiten. Die Privaten
können eben doch was besser als der Staat – in Punkto
Ausbeutung beispielsweise wurde dies von uns auch noch zu keinem
Zeitpunkt bestritten.
Was
an den Werbeslogan einer bekannten Elektronik-Handelskette erinnert,
bedeutet nicht anderes als Vollzeitarbeit, ohne über Geld zu
verfügen und rückt damit in die Nähe von Sklaverei –
erst recht wenn man die Hartz-Zwangsmaschinerie hinzu nimmt. Wenn
sich da mal nicht ein paar jener Traditionen konturieren, die der
Hessen-Koch so gerne intensivpflegen möchte – denn etliche
unverständlicherweise immer noch hochangesehene Familien in
Deutschland päppelten ja mit „Geschäftsmodellen“
solchen Genres bereits häufiger ihre Vermögen auf. Und
diese Klientel – das hat Roland Koch schon vielfach bewiesen –
liegt ihm nun mal ganz besonders am Herzen. Nur: Wahlen gewinnen –
das geht natürlich nicht mit den paar Hanseln allein. Ergo
braucht es die „Kampagne“...
Aber
als Unionschrist in Absurdistan ist man ja schließlich nie
wirklich allein. Neben den Parteienspezeln sind da noch viele andere
„Freunde“ und vor allem die einflussreichen Verleger-Clans im
Lande. Und diese bewegen nun schon seit Monaten unter Führung
der Bertelsmann eigenen RTL-Gruppe eine Medienkampagne gegen Arme und
Unterprivilegierte im Lande. Ohne Rücksicht auf Verluste wird
hier mit dem letzten bischen noch vorhandenen gesellschaftlichen
Kapital um sich geschmissen, als ob es unendlich davon gäbe.
Kinderverwahrlosung, Jugendkriminalität, Migrations-Debatte oder
überhaupt alles und jedes, was auch nur entfernt zur Förderung
möglichst tumber Spießbürgerdenke taugt, scheint
recht - solange es nur an niederste Instinkte appelliert und vor
allem die breite Bevölkerung spaltet.
Für
passende Untermalung dazu sorgt das Geschwall verlässlicher
Wirtschafts- und sonstiger Experten. Kaum ein Tag vergeht ohne die
Beschwörung immer neuer abstruser Szenarien – als ob Wohl und
Wehe eines der reichsten Länder der Welt davon abhinge, dass man
z.B. Menschen Löhne zahlt, von denen sie hier auch leben können.
Kein vernünftig denkender Mensch kann dies in Frage stellen,
ohne seinen eigenen Intellekt zu beleidigen. Hinzu kommt – die
Leidtragenden machen einen erheblichen Anteil am Konsumentenpool
hierzulande aus. Wovon eigentlich soll man sich all die schönen
Marken- und Versandartikel, tollen Dienstleistungen, Henkell-Sekte,
BMW's usw. usw. überhaupt kaufen, wenn viele trotz Vollzeitjob
schon zu ihrer bloßen Ernährung noch beim Staat betteln
gehen müssen?
Neu
bleibt hier bestenfalls das Ausmaß an Unverfrorenheit, mit dem
Elitäre sich immer ungenierter am wegschmelzenden Eigentum und
vor allem der Arbeitsleistung der ärmeren Bevölkerungsschicht
bereichern, sowie an der Verschleuderung von Gemeineigentum.
Ansonsten sind diese Prozesse ein alter Hut – und der einst mal
gewesene Konsens über Augenmaß und Anstand in diesem
Bereich scheint inzwischen restlos vergessen. In völlig neue
Dimensionen hingegen stößt die propagandistische
Durchwirkung unseres Medienzirkus vor. Dass solch vorsätzliche
Verwüstung gesellschaftlichen Konsenses Folgen haben muss, liegt
schon logisch eigentlich klar auf der Hand – was man dann in
Kriminal-Statistiken, aber auch in Boulevardblättern und
-magazinen – dort meist lustvoll und zielorientiert
herausgearbeitet - besichtigen kann. Das Schlimme daran – fast
könnte man zu dem Schluss gelangen, hinter den Kulissen sei all
dies auch durchaus so gewollt.
Gerade
die zuvor geschilderten Zusammenhänge stempeln Kochs
Wahlkampfknaller zu Demagogie höchst bedenklicher Prägung
ab. Er und seine und Propagandisten entblöden sich nicht, auf
Basis einer Handvoll allfälliger Delikte einen derartigen Hype
wie gegenwärtig zum Thema Jugendgewalt zu entfesseln. Und die
Parteispezeln - und besonders die von der führenden
Absurditätspartei CDU – haben, natürlich rein zufällig,
sofort ein passendes Patentrezept zur Hand, was man dem Volk nach
flüchtigem Wegwischen des braunen Staubes um die Ohren haut. Hat
Super-Nanni der Nation, RTL, denn nicht schon seit Langem zum
Beispiel „Erziehungscamps“ als Lösung aller Probleme quasi
„vorauseilend“ beworben? Tatsachen aber, wie z.B. die, dass
steigende Jugendgewalt regelmäßige Konsequenz steigender
Armut und Kinderarmut sowie von Ausgrenzung- und Hetzkampagnen ist,
gerät bei derartigem Propagandanebel schnell aus dem Blickfeld.
Keiner
der feinen Herrschaften fragt sich, wie junge Menschen bitteschön
mit all dem Schwachsinn fertig werden sollen, mit dem sie alltäglich
in Absurdistan konfrontiert werden – vom Fernsehen angefangen, über
Schulen und Jobsuche bis hin zu Handy samt passender
„Mehrwert-Dienstleistung“ lernen diese nämlich immer nur
Eines: Du musst reich oder ein Schwein sein in diesem Land, sonst
wirst du herum geschubst und über den Tisch gezogen. Letztlich
wird hier munter gesellschaftlicher Sprengstoff mit Langzeitwirkung
ausgelegt – Kinder aus Hartzfamilien mit resignierenden oder schon
zermürbten Eltern bleiben der Gesellschaft nun mal über
etliche Jahrzehnte erhalten.
Interessant
aber ist hier vor allem, wer da alles an derselben Seite des Seiles
zerrt – überhaupt: „Soziale Kompetenz“ einer besonderen
Art im Bertelsmann-Konzern sollte nicht unterschätzt werden.
Über ihre Prachtsender der RTL-Gruppe sowie über diverse –
natürlich steuersparende – Stiftungen werden Vernunft und
Konsens verbogen, wo immer es nur geht. So gelangt man mit der Zeit
in eine interessante Position – erst bastelt man kräftig mit
an den Ursachen für die Entwicklung von Misständen – dann
berichtet man ebenso reißerisch wie ursachenfern über
diese - und schließlich propagiert man angebliche Lösungen,
deren Kernbestandteil vor allem die Schaffung weiterer Misstände
ist. Das Schöne daran: in jeder Phase dieses sich selbst
erhaltenden Prozesses wird kräftig abkassiert.
Und
das Allerschönste – solchem Treiben ist kaum bei zu kommen.
Jeder Programmverantwortliche kann sich vor die Kamera stellen, und
mit großen Kulleraugen einfach behaupten, man würde genau
das produzieren und ausstrahlen, was die Leute sehen wollten. Zynisch
könnte er noch hinzufügen – was wenn nicht dies sei
zutiefst „demokratisch“. Wer wollte schon das Gegenteil beweisen?
Eine an der Realität orientierte objektive Erfassung von
Zuschauerzahlen gibt es nicht – wie vieles Wichtige hierzulande
versickert auch dies im Dickicht der netzwerk-durchwirkten Verbands-
und Vereinslandschaft.
Die
Rundfunkstaatsverträge geben vor, die – in ihren Auswirkungen
kaum zu unterschätzende - Arbeit der Quotenerfassung an private
Unternehmen zu vergeben, wie die GfK, die durch die Realitätsferne
ihrer regelmäßigen Publikationen ebenso regelmäßig
auffällt. Wer sagt eigentlich, dass hier das Wort
„Auftragsarbeit“ nicht vielleicht wörtlicher genommen wird,
als es eigentlich mal gedacht war? Im Klartext: von einer wirksamen
Kontrolle kann keine Rede sein. Eingedenk dessen braucht es dann
nicht mehr viel Phantasie für die Erklärung, wieso gerade
die absurdesten Sender (darunter auch RTL...) meist die vorderen
Plätze der Statistik bevölkern während Fernsehen mit
Restintelligenz durchweg als Nischen- und Spartensender bequotet
werden.
Dies
zu ändern ist gar nicht so einfach – denn jedem Eingriff hier,
würde sogleich der Geruch von „Zensur“ anhaften. Schlimmer
noch ist aber: für Politiker aber ist ein gutes Medienimage von
elementarer Bedeutung, weswegen ihrem Aktionismus auf diesem Feld
engste Grenzen gesteckt sind. So stehen wir in der Summe vor einem
etwa scheunengroßen Einfallstor in die gewaltengeteilte
Machtverteilung unseres demokratischen Systems, welches über
lange Zeit höchst geschickt Stück um Stück geöffnet
wurde,
Solches
bewerkstelligt nur, wer über reichlich Fußvolk im
undurchsichtigen Dickicht der Verbände und Netzwerke verfügt
– im Stillen werden da längst die nächsten Schritte
vorbereitet, während die Öffentlichkeit noch am Aktuellen
verdaut. Weil das in der Vergangenheit mit „Wirtschaftsexperten“
bereits so wunderbar funktionierte, hat man nun offenbar einen neuen
Expertentyp „aufgelegt“. Was liegt nach der Schaffung einer
Unterschicht eigentlich näher, als den dazu passenden
„Unterschichtexperten“ ins Leben zu rufen? Strategisch durch eine
ganze Staffel widerlich-voyeuristischer Formate vorbereitet, kann man
nunmehr bei RTL mitverfolgen, wie der „Arbeitsbeschaffer“ der
„Super-Nanni“ zur Hilfe eilt und beide im Verein die Probleme des
Landes wirklich anpacken...
Und
damit diese wichtige Konstrukte im sonstigen ausgestrahlten
Schwachsinn nicht völlig untergehen, müssen die Netzwerker
bei den Print-Kollegen auch ran – Einen der Vielen kennen wir
schon: wer könnte besser geeignet sein, als Reinhard Mohr
(Dauerautor bei Stern, Spiegel etc. und als „Theoretiker der
Single-Generation“ gefeiert), sich als „Unterschichtexperte“
zu empfehlen? Dieser Herr war uns wegen seiner tumben Aussagen
bereits 2006 zum Start von CogitoSum einen Beitrag wert
(Fallbeispiel...
Okt. 2006).
Von
dessen „Leistungshöhe“ kann man sich in diesem
Beitrag überzeugen, der kürzlich unverdächtig in
der „Kultursparte“ von Spiegel-Online zu finden war. Hier wird
das neue RTL-Format doch nun endlich mal wirklich gebührend
gewürdigt. Uns ist leider nicht bekannt, was das den Sender
gekostet hat – wohl einiges, denn Mohr geht mächtig zur Sache
und natürlich - wie bei ihm üblich – begleitet von
einem dichten Feuerwerk neoliberalen Manipulativgeschwätzes.
Studienabbrecher
Mohr hat anscheinend nicht die geringsten intellektuellen Probleme
damit, das Berufen eines Bürgers auf die ihm nach Artikel 12
Grundgesetz zustehenden Berufsfreiheit als Ausdruck von - wie er es
nennt - “Voll-Kasko-Mentalität“ anzuprangern. Sie wissen
schon – das ist jenes edle Grundrecht, welches der arme Friedrich
Merz (CDU) durch die Offenlegungspflicht für Nebeneinkünfte
Abgeordneter gefährdet sah. Beim geistigen Spagat steht Mohr
kaum hinter Merz zurück – so bringt er gar das Kunststück
fertig, die Massivität der RTL-Propaganda nicht nur zu benennen,
sondern sie sogar noch als „...kleine Schule der Wirklichkeit...“
umzudeuten.
Dabei
wissen Bertelsmann, RTL und Mohr sicherlich sehr genau, dass man
anhand von herausgegriffenen Einzelfällen jede noch so abstruse
Schwachsinnsthese nach Belieben beweisen oder widerlegen kann. Ein
Konzept aus dem nun schon seit vielen Jahren derart viel politisches
wie sonstiges Kapital geschlagen worden ist, dass dies doch nun
langsam wirklich ausgelullert sein sollte. Doch auch als Autor eines
kritischen Magazins ficht das Mohr nicht an – vielmehr macht er
sich auf üble Weise über Empfindungen von Menschen lustig,
die in unserer ach so sauberen Gesellschaft nichts Anderes gewohnt
sind, als fortwährend nur herum geschubst zu werden.
Hier
läuft unser Autor derart zur Höchstform auf, dass es schwer
fällt, innere Beteiligung in Frage zu stellen. Nun – kein
Mensch ist unfehlbar und sicher soll auch dem Herrn Mohr seine eigene
Meinung zugestanden werden. Eine andere Frage aber bleibt: Wie kann
es sein, dass sich immerhin eines der führenden
Nachrichtenmagazine in Absurdistan die Veröffentlichung
derartigen Blödsinns gönnt und dies - wie wir an diesem
Beispiel sehen - in relativer Konstanz und Regelmäßigkeit.
Zu
unserem Reinhard Mohr jedoch gibt es noch etwas mehr zu sagen –
lesen Sie mal diesen
Artikel von ihm. In Zielrichtung und Gegenstand unterscheidet der
sich von dem nur einige Tage älteren zwar grundlegend,
denn diesmal ist die „Oberschicht“ dran – nur eine Konstante
bleibt: Die Lobhudelei auf RTL. Das totale Eindringen der
Propagandamaschinerie in private Freiheits- und Rechtsräume
aber, wodurch vor allem die bei RTL verbreiteten widerlichen
Sende-Formate vom Schlage „Doku-Soap“ neben dem Appell an niedere
Gaffer-Instinkte auch gesellschaftszersetzende Ideologie
transportieren, ist dem scheinbar so kritischen Autor nicht eine
Silbe wert.
Doku-Drama,
Doku-Soap, Telenovela, Casting-Shows u. dgl. sind vortreffliche
Instrumente mit einem breiten Wirkspektrum, welche sich um das
Kernziel „unterschwellige Verblödung“ gruppieren.
Strategisch reihen sich tumbe Vorurteile, Halbwahrheiten, lachhafte
Klischees und handverlesene Paradefälle (darunter vermutlich
auch einige Artefakte...) aneinander und ergänzen sich.
Hauptziel: Durchpflügen des mentalen Ackers für die dann in
der Regel kurz darauf über andere Kanäle kommunizierten
Saat politischer Inhalte. Toll ist dabei die Arbeitsteilung – die
Medien pflügen, die Politik pflanzt an und am Ende landet die
Ernte beim Geldadel.
Es
entsteht eine fast unangreifbare Hydra – deren Macht und Wirkung
unreguliert und unkontrolliert die gesamte Gesellschaft und ihre
Institutionen durchwuchert. Neu ist diese Art Filz nicht – man
denke da nur an die Nähe des dicken Kanzlers zu seinem „Freund“
Kirch und daran, wie planvoll die Regierung Kohl dieser Hydra
sechzehn Jahre lang den Weg bereitete und ihr viele Hindernisse aus
dem Wege räumte.
Seitdem
erleben wir eine Art neoliberales Märchen – kaum ein
Neo-Traum, der inzwischen nicht schon Realität geworden wäre:
Gesunkene Reallöhne, Arbeitszeitverlängerung, Abbau von
Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherungsschutz, Senkung von
Steuern, Privatisierung öffentlichen Eigentums, Beteiligung an
fragwürdigen Kriegen weltweit sind bekannte Leuchttürme
solcher Art von Politik. Diese wird dem Wahlvolk nun schon seit
Jahrzehnten stets unter Versprechung besserer Zeiten „verkauft“.
Die große Koalition dürfte von den Wenigsten wirklich
gewählt worden sein – vielmehr ist sie das sichtbare Zeichen
dafür, dass die neu entstandene Vögte-Klasse sich ihrem
Abschied von der Macht - also dem demokratischen Normalfall – zu
verweigern sucht.
Was
für die Masse der Bevölkerung statt all der Versprechungen
währendessen eintrat, waren immer weitere Verschlechterungen
ihrer persönlichen Lebenssituation. Auf breiter Front werden
Kleinverdiener, Rentner und Arbeitslose geplündert und
kollektives Eigentum verschleudert, begleitet vom Rauschen einer
absurden Erfolgspropaganda. Dabei hat die real stattfindende
Umgestaltung längst das Feld Geld- und Vermögensverteilung
hinter sich gelassen und rüttelt inzwischen an den Grundfesten
unseres politischen Systems.
Verfassungsdeformation,
Elitenformierung, immer weitere Eingriffe in die Privatsphäre,
Diffamierung von wechselnden gesellschaftlichen Gruppen,
Militäreinsatz weltweit und womöglich bald im eigenen Land
– all dies Warnzeichen des entschlossenen Willens der neuen Elite,
ihre meist unverdienten Privilegien mit allen Mitteln verteidigen zu
wollen. Der partei-politische Apparat wird zwar bereits seit Langem
kontrolliert – nur nutzt das in einer gewaltengeteilten
ordentlichen Demokratie nicht genug – und so geraten vermehrt deren
Grund-Strukturen selbst unter Beschuss.
Dieser
Kontext ist es, der Artikel wie die des Reinhard Mohr aus der
Bedeutungslosigkeit anderer Dummheiten heraus hebt. Das
propagandistische Grundstrickmuster nämlich wiederholt sich
tagtäglich tausendfach in unserer Medienlandschaft – in nahezu
allen Bereichen. Mohr ist hier nur Beispiel. Allabendlich werden
Fernsehzusehern mit Sendungen wie „Brisant“, „Exclusiv“,
„Hallo Deutschland“ und „Leute Heute“ die Hirne weich
geklopft. Star- und Promikult, Adels- und Papstbeweihräucherung
– als bunter Mix garniert mit schockierenden Einzelfällen
abscheulicher Soziopathie, Katastrophen, Unfällen, Krankheiten
soll er Menschen konditionieren für zeitgleich oder im nahen
Umfeld kommunizierte Heilsbotschaften. In einem ist Mohr zuzustimmen
– all dies trifft man beileibe nicht nur bei RTL an. Getrieben vom
Quotenwahn und wohl auch infolge verdeckter politischer Einflüsse
befindet sich die Informationsqualität auch bei
öffentlichen-rechtlichen seit Längerem im freiem Fall in
Richtung RTL-Senke.
Doch
– das ganze Spiel kommt inzwischen in die Jahre. Immer mehr Bürger
dekodieren dessen Strukturen – was dann im Zweifelsfall zum
Betätigen des Ausschaltknopfes führt. Natürlich ist
dies gerade jetzt – wo bei den kommenden Wahlen so viel auf dem
Spiele steht - außerordentlich ungeschickt. Und schon wird
sozusagen der nächste Gang eingelegt, das stärkere Register
gezogen. Nach der eher hintergründigen Manipulation wird nunmehr
die bloße Panikmache auf die Bühne „geschoben“. Auf
einmal erklären uns dieselben, die zuvor über einen nicht
enden wollenden „Aufschwung“ kreischten wie Teenies im Auditorium
ihrer Traumband, dass unser weiser und vorausschauender
Wirtschaftsminister Glos an einem „Notprogramm“ gegen die
Konjunkturkrise zimmere... Hier muss einem fast das Wort „Toll“ (
sie wissen schon – die Glosse von Frontal21 ) auf die Lippen
geraten.
Doch
halt – erst das Kleingedruckte lesen: Eines von Glos
„Kernelementen“ beim Zimmern ist – welch eine Überraschung:
Steuererleichterung! Achja – es gab ja schon mindestens 14 Tage
keine mehr... Fairerweise wollen wir noch hinzufügen: Auch ein
staatliches Investitionsprogramm sei geplant. Vermutlich – um
Schäden aus den zurückliegenden Privatisierungsorgien
auszubessern, noch bevor sie so richtig übel auffallen.
Für
den, der genau hinschaut, ist jedenfalls seit einiger Zeit eine
langsame Veränderung der Propaganda-Stoßrichtung
erkennbar. Wohl der Erkenntnis folgend, dass ängstliche Menschen
eher zum scheinbar „Bewährten“ greifen – und damit
letztlich auch weniger zu politischen Experimenten neigen, finden die
grauen Eminenzen es wohl an der Zeit, in Absurdistan mal etwas Panik
zu verbreiten.
Dies
lässt auch die Kampagne Roland Kochs – sonst eher als
Trottelei abzutun – in einem völlig anderen Licht erscheinen.
Denn auch sie schürt diffuse Ängste, wie wir es seit Wochen
in Form ausgestrahlter Passantenbefragungen immer und immer wieder
vorgeführt bekommen. Und seit Neuestem könnte man
formulieren, die „Schäuble-Linie“ - also um politischer
Ziele wegen Angst verbreiten – ist nunmehr auch auf Konjunktur und
Wirtschaft ausgedehnt worden. So, als hätte es all das Geschwätz
von Gestern nicht gegeben, stehst Du eines Tages auf und wirst mit
einer völlig neuen Welt inklusive eines völlig neuen
Absurdistans in den Medien konfrontiert.
Wie
real oder irreal der Hintergrund der Panikmache ist, ist nicht
einfach zu beurteilen. Fest steht aber, der US-Hypothekencrash hat
weltweit Etliches aus dem Gleichgewicht gebracht. Muss es dann aber
nicht verwundern, wenn Deutsche Banken offenbar vermehrt dazu
übergehen, von ihnen gehaltene und bislang einwandfrei bediente
Baufinanzierungen auch hier im Lande abzustoßen? Das
Spielmuster ist bekannt – der neue „Eigentümer“ der
Finanzierung (das muss man sich in seiner Bedeutung mal so richtig
auf der Zunge zergehen lassen...) wird jede nur erreichbare
Vertragsklausel nutzen, um mehr Profit aus dem Vertrag zu
„quetschen“. Der Hebel hierfür liegt in den zumeist
„befristeten“ Konditionen und er kann rasch zur regelrechten
Knute werden, wenn deren Neuverhandlung ansteht.
Die
Aufkäufer – meist irgendwelche No-Names – brauchen sich,
anders als der namhafte „Vorbesitzer“, nicht um ihr Image scheren
und können voll hinlangen. Das kommt in Zeiten mit steigender
Inflation und Konjunkturproblemen natürlich besonders herb bei
Häuslebauern an, die sich oft schon zuvor mächtig strecken
mussten für ihr Eigentum. Ein Risiko besteht kaum – kann ein
Darlehensnehmer nicht mehr zahlen, kommt halt seine Hütte unter
den Hammer. An diesem Geschäft „verdienen“ Dutzende prächtig
– nur einer verliert alles: der ehemalige Eigentümer – der
fast immer bereits enorme Beträge in „sein Heim“ investiert
hat.
Wer
da glaubt, er könne dann so locker zum Wettbewerbs-Institut
wechseln, wie das nun mal auf freien Märkten so sein sollte, der
könnte sich mächtig verrechnet haben. Denn es ist ja heute
schon klar, dass Baufinanzierungen in näherer Zukunft nicht
grade „in bestem Ruf“ stehen. Zudem können die Banken heute
mit anderen, wie sie es nennen „Finanzmarktprodukten“ bessere
Gewinne erzielen. Hier erhebt sich dann aber die Frage, wieso
eigentlich sind „Neufinanzierungen“ vergleichsweise spottbillig?
Nicht dass da am Ende hinter den Kulissen doch noch zusammenwächst,
was auch zusammen gehört. Na - macht's schon klick? Den Rest des
Zusammenhangs überlasse ich dem Leser...
Lang
ist sie geworden, unserer erste „Tour d' Horizont“ für
dieses Jahr. Gerne würde ich kürzer schreiben – aber
unsere Zeit leidet inzwischen ja vor allem daran, dass Zusammenhänge
immer weniger hergestellt werden. Mein Ziel diesmal war es vor allem,
die Aufmerksamkeit und Selber-Denken anzustoßen. Allein der zu
beobachtende Wandel zu „Panik-Propaganda“ sollte Menschen umso
mehr dazu mahnen, vor allem die wesentlichen Dinge kritisch im Auge
zu behalten, und sich um ein eigenes Urteil dazu zu bemühen.
Wenn an den neu geschürten Ängsten nur soviel dran ist, wie
an der bis vor Kurzem noch gültigen Aufschwungpropaganda, dann
kann uns nun wirklich nichts passieren.
Angst
zu haben oder sich einreden zu lassen, hilft nicht weiter – und sie
führt ganz sicher nicht zu vernünftigeren Entscheidungen.
Auch ist es nicht einfach, sich mit Misständen und Problemen zu
befassen – doch muss hier klar sein. Wer dies verweigert, schafft
die besten Voraussetzungen für deren Fortbestehen und weiteres
Wachstum. Dies war auch schon vor 80 Jahren nicht viel anders –
Anders sollte allerdings werden, was unsere Gesellschaft diesmal noch
zulässt. Dass es noch einmal etwas Ähnliches werden könnte
wie seinerzeit – gehört zu dem Wenigen, vor dem man eine
wirklich begründete Angst haben könnte.
Leider
lassen die bereits seit Jahren von etlichen Fachleuten
diagnostizierten Probleme auf den Finanzmärkten nicht unbedingt
nur Gutes ahnen. So manche Sau wird in den kommenden Monaten noch
durchs Dorf getrieben werden – und hier wird es mehr als zuvor auf
das unabhängige Urteilsvermögen eines jeden Bürgers
ankommen, wie sich unter anderem bei Wahlen artikuliert. Vielleicht
werden die Zeiten ja wirklich schwerer – aber wäre dann nicht
gerade besonders wichtig, zunächst einmal dafür zu sorgen,
dass davon nicht wieder dieselben profitieren, die dies zuvor immer
schon taten? Jedenfalls haben wählende Bürger gerade in
turbolenteren Zeiten ein besonders hohes Maß an Verantwortung.
Ich ermuntere Jeden, davon Gebrauch zu machen... und eben nicht
zuzulassen, dass geschürte Ängste die Vernunft noch mehr
zurückdrängen, als es die zuvor bewegte Jubelpropaganda
schon getan hat.
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