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Gegendarstellung (Real-Satire) Diesem Stern-Beitrag des Monats Januar lag ein bedauerlicher Irrtum zugrunde und er wurde daher kürzlich vom Stern gegen dargestellt.  weiter...


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Angst essen Verstand auf... PDF Drucken E-Mail
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Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Samstag, 12. Januar 2008

Man kann ja nicht wirklich sagen, dass sich in Absurdistan nun überhaupt nichts zum Besseren gewendet hätte. Bei der guten alten Tante SPD scheint immerhin inzwischen angekommen, dass noch eine Legislaturperiode nach Art der gegenwärtigen Großen Koalition ihre Existenz als – sagen wir mittelgroße – Volkspartei endgültig in Frage stellt. Der Haupterbe Schröders, Franz Müntefering, kehrte ja elegant der Spitzenpolitik den Rücken und vererbte so der geschundenen Partei etwas mehr Bewegungsraum. Begriffsstutziger gibt sich da schon die trotz fast gleicher Sitzzahl im Bundestag gefühlt allein regierende CDU. In Hessen glaubt da nämlich Andenpaktierer Roland Koch – offenbar in Anlehnung an den talentierten Grabredner Oettinger - er könne bis zur Landtagswahl mit rechten Parolen noch Punkte sammeln. Auf ihm und seinem Kabinett lastet jedoch eine beachtliche Hypothek in punkto Armen- und Randgruppen-Bashing – Stichworte: Elektronische Fussfesseln, Verwandten-Rückgriff bei Hartz IV, Studiengebühren. Nicht zu vergessen der eine oder andere Skandal im Umfeld von Wahlen, Parteispenden sowie seines Aufsichtsratsvorsitz bei Fraport, den Koch jahrelang als „Nebenjob“ zu seinem Amt ausübte. Die gefühlte Stimmung legt nahe: an etlichen Ecken und Kanten bläst der Wind dem neoliberalen Feudalgeist inzwischen zunehmend ins Gesicht. Dass dies allein indes noch keine Abkehr von Absurdistan bedeutet, macht eine kurze Bestandsaufnahme schnell deutlich. 

Die Gesetzesmüllhalde Hartz IV stinkt nach wie vor vor sich hin. Wer diesen bräunlich-scharfen Geruch einmal in die Nase bekam, vergisst ihn so schnell nicht wieder. Man schuf ein Bürokratiemonster mit teilweise rechts- und demokratiefernen Räumen, dem ohne das Eingeständnis massiver Fehlgriffe nicht beizukommen ist. Und man kann eine Putzfrau samt Besen darauf verwetten: solche will sich angesichts der anstehenden Wahlen – manche könnte gar früher kommen als man dachte - keiner der Kontrahenten ans Revers heften.

Bahnchef Mehdorn spielt weiter Katz und Maus mit der Gewerkschaft GdL – auf Kosten des sonst immer so geheiligten Profits. Der Vorstoß (Link) der Briefzustellergruppe PIN Anfang Dezember indes dürfte als epochal einzustufen sein. Die mehrheitlich dem Springer-Verlag gehörende Privat-Besser-Gruppe drohte nämlich unter völligem Verlust jeglicher Bodenhaftung mit der sofortigen Entlassung von mindestens 1.000 Mitarbeitern, falls der Bundestag am 14. Dezember 2007 und der Bundesrat am 20. Dezember 2007 der Ausdehnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf die Briefzustellerbranche beschließen würden. Hintergrund des inzwischen beschlossenen Gesetzes: hiermit erlangt die zuvor bereits im November ausgehandelte Mindestlohnvereinbarung zwischen Arbeitgeberverband Postdienste und der Gewerkschaft Verdi branchenweite Gültigkeit. Die Regelung sieht Mindestlöhne von 8,00 bis 9,80 Euro vor.

Deutschlands Finanzelite muss scheinbar irgendwie der Bankrott drohen – zumindest wenn man sich die Argumentation des Unternehmens und seiner Lobby ansieht. Ein derart – und nun bitte festhalten – HOHER Mindestlohn sei mit dem „Geschäftsmodell“ von PIN nicht vereinbar und so sei man gezwungen, die Entlassungen vorzunehmen. Eine absurdistanische Lachtablette allererster Güte – denn Sitz der Unternehmesgruppe ist Luxemburg. Einsehbar ist dieses Steuersparmodell gewiss alles andere als legitimiert, auf diese Weise Einfluss in der deutschen Politik zu suchen. Und das wo – nebenbei bemerkt – in Luxemburg selbst der EU-weit höchste Mindestlohn von immerhin 9,08 € gilt.

Absurder geht es kaum noch: Zusteller sollen auf einen Teil ihres ohnehin schon kargen Lohns verzichten, damit die arme Springergruppe sich daran künftig nicht nur dumm sondern auch noch dämlich „verdienen“ kann. Solche „Geschäftsmodelle“ braucht hier und auch sonstwo niemand – denn das von Briefzustellern zu bewältigende Arbeitsvolumen orientiert sich nicht an den „Pusteblumen“-Träumen von PIN, sondern schlicht am Briefaufkommen. Ob dieses sich ändert, wenn Millionen vom Lebensunterhalt jener Menschen, die letztlich die Arbeit machen, in die Taschen von Multimillionären umgelenkt werden, darf wohl bezweifelt werden. Fest steht jedenfalls – auch die Anzahl Briefe, die ein Multimillionär pro Tag schreiben kann, ist definitiv endlich – und eine Rolle spielt der Portopreis bestenfalls beim unsinnigen Werbemüll, den kaum jemand wirklich braucht.

Doch dieser Rohrkrepierer scheuchte unsere leistungstragende Elite auf – wohl auch weil Erste darunter bereits Gefahr liefen, die eigene Propaganda mit Realität zu verwechseln. Kurze Zeit später prangte in den Medien der Schocker „Arbeitgeber fordern flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland“ - im Kleingedruckten darunter dann die Aufklärung für dieses nur scheinbare Weihnachtswunder: man dachte da doch glatt an großzügige 4,50 Euro die Stunde – was sich bei einem 35-Stunden-Vollzeitjob auf glanzvolle 630 Euro Brutto summiert und damit rund 200 Euro unter der staatlichen Hilfe zum Lebensunterhalt liegt – also dem was man braucht, um hier ( und nicht in Timbuktu ) ein Leben auf Mindestniveau zu bestreiten. Die Privaten können eben doch was besser als der Staat – in Punkto Ausbeutung beispielsweise wurde dies von uns auch noch zu keinem Zeitpunkt bestritten.

Was an den Werbeslogan einer bekannten Elektronik-Handelskette erinnert, bedeutet nicht anderes als Vollzeitarbeit, ohne über Geld zu verfügen und rückt damit in die Nähe von Sklaverei – erst recht wenn man die Hartz-Zwangsmaschinerie hinzu nimmt. Wenn sich da mal nicht ein paar jener Traditionen konturieren, die der Hessen-Koch so gerne intensivpflegen möchte – denn etliche unverständlicherweise immer noch hochangesehene Familien in Deutschland päppelten ja mit „Geschäftsmodellen“ solchen Genres bereits häufiger ihre Vermögen auf. Und diese Klientel – das hat Roland Koch schon vielfach bewiesen – liegt ihm nun mal ganz besonders am Herzen. Nur: Wahlen gewinnen – das geht natürlich nicht mit den paar Hanseln allein. Ergo braucht es die „Kampagne“...

Aber als Unionschrist in Absurdistan ist man ja schließlich nie wirklich allein. Neben den Parteienspezeln sind da noch viele andere „Freunde“ und vor allem die einflussreichen Verleger-Clans im Lande. Und diese bewegen nun schon seit Monaten unter Führung der Bertelsmann eigenen RTL-Gruppe eine Medienkampagne gegen Arme und Unterprivilegierte im Lande. Ohne Rücksicht auf Verluste wird hier mit dem letzten bischen noch vorhandenen gesellschaftlichen Kapital um sich geschmissen, als ob es unendlich davon gäbe. Kinderverwahrlosung, Jugendkriminalität, Migrations-Debatte oder überhaupt alles und jedes, was auch nur entfernt zur Förderung möglichst tumber Spießbürgerdenke taugt, scheint recht - solange es nur an niederste Instinkte appelliert und vor allem die breite Bevölkerung spaltet.

Für passende Untermalung dazu sorgt das Geschwall verlässlicher Wirtschafts- und sonstiger Experten. Kaum ein Tag vergeht ohne die Beschwörung immer neuer abstruser Szenarien – als ob Wohl und Wehe eines der reichsten Länder der Welt davon abhinge, dass man z.B. Menschen Löhne zahlt, von denen sie hier auch leben können. Kein vernünftig denkender Mensch kann dies in Frage stellen, ohne seinen eigenen Intellekt zu beleidigen. Hinzu kommt – die Leidtragenden machen einen erheblichen Anteil am Konsumentenpool hierzulande aus. Wovon eigentlich soll man sich all die schönen Marken- und Versandartikel, tollen Dienstleistungen, Henkell-Sekte, BMW's usw. usw. überhaupt kaufen, wenn viele trotz Vollzeitjob schon zu ihrer bloßen Ernährung noch beim Staat betteln gehen müssen?

Neu bleibt hier bestenfalls das Ausmaß an Unverfrorenheit, mit dem Elitäre sich immer ungenierter am wegschmelzenden Eigentum und vor allem der Arbeitsleistung der ärmeren Bevölkerungsschicht bereichern, sowie an der Verschleuderung von Gemeineigentum. Ansonsten sind diese Prozesse ein alter Hut – und der einst mal gewesene Konsens über Augenmaß und Anstand in diesem Bereich scheint inzwischen restlos vergessen. In völlig neue Dimensionen hingegen stößt die propagandistische Durchwirkung unseres Medienzirkus vor. Dass solch vorsätzliche Verwüstung gesellschaftlichen Konsenses Folgen haben muss, liegt schon logisch eigentlich klar auf der Hand – was man dann in Kriminal-Statistiken, aber auch in Boulevardblättern und -magazinen – dort meist lustvoll und zielorientiert herausgearbeitet - besichtigen kann. Das Schlimme daran – fast könnte man zu dem Schluss gelangen, hinter den Kulissen sei all dies auch durchaus so gewollt.

Gerade die zuvor geschilderten Zusammenhänge stempeln Kochs Wahlkampfknaller zu Demagogie höchst bedenklicher Prägung ab. Er und seine und Propagandisten entblöden sich nicht, auf Basis einer Handvoll allfälliger Delikte einen derartigen Hype wie gegenwärtig zum Thema Jugendgewalt zu entfesseln. Und die Parteispezeln - und besonders die von der führenden Absurditätspartei CDU – haben, natürlich rein zufällig, sofort ein passendes Patentrezept zur Hand, was man dem Volk nach flüchtigem Wegwischen des braunen Staubes um die Ohren haut. Hat Super-Nanni der Nation, RTL, denn nicht schon seit Langem zum Beispiel „Erziehungscamps“ als Lösung aller Probleme quasi „vorauseilend“ beworben? Tatsachen aber, wie z.B. die, dass steigende Jugendgewalt regelmäßige Konsequenz steigender Armut und Kinderarmut sowie von Ausgrenzung- und Hetzkampagnen ist, gerät bei derartigem Propagandanebel schnell aus dem Blickfeld.

Keiner der feinen Herrschaften fragt sich, wie junge Menschen bitteschön mit all dem Schwachsinn fertig werden sollen, mit dem sie alltäglich in Absurdistan konfrontiert werden – vom Fernsehen angefangen, über Schulen und Jobsuche bis hin zu Handy samt passender „Mehrwert-Dienstleistung“ lernen diese nämlich immer nur Eines: Du musst reich oder ein Schwein sein in diesem Land, sonst wirst du herum geschubst und über den Tisch gezogen. Letztlich wird hier munter gesellschaftlicher Sprengstoff mit Langzeitwirkung ausgelegt – Kinder aus Hartzfamilien mit resignierenden oder schon zermürbten Eltern bleiben der Gesellschaft nun mal über etliche Jahrzehnte erhalten.

Interessant aber ist hier vor allem, wer da alles an derselben Seite des Seiles zerrt – überhaupt: „Soziale Kompetenz“ einer besonderen Art im Bertelsmann-Konzern sollte nicht unterschätzt werden. Über ihre Prachtsender der RTL-Gruppe sowie über diverse – natürlich steuersparende – Stiftungen werden Vernunft und Konsens verbogen, wo immer es nur geht. So gelangt man mit der Zeit in eine interessante Position – erst bastelt man kräftig mit an den Ursachen für die Entwicklung von Misständen – dann berichtet man ebenso reißerisch wie ursachenfern über diese - und schließlich propagiert man angebliche Lösungen, deren Kernbestandteil vor allem die Schaffung weiterer Misstände ist. Das Schöne daran: in jeder Phase dieses sich selbst erhaltenden Prozesses wird kräftig abkassiert.

Und das Allerschönste – solchem Treiben ist kaum bei zu kommen. Jeder Programmverantwortliche kann sich vor die Kamera stellen, und mit großen Kulleraugen einfach behaupten, man würde genau das produzieren und ausstrahlen, was die Leute sehen wollten. Zynisch könnte er noch hinzufügen – was wenn nicht dies sei zutiefst „demokratisch“. Wer wollte schon das Gegenteil beweisen? Eine an der Realität orientierte objektive Erfassung von Zuschauerzahlen gibt es nicht – wie vieles Wichtige hierzulande versickert auch dies im Dickicht der netzwerk-durchwirkten Verbands- und Vereinslandschaft.

Die Rundfunkstaatsverträge geben vor, die – in ihren Auswirkungen kaum zu unterschätzende - Arbeit der Quotenerfassung an private Unternehmen zu vergeben, wie die GfK, die durch die Realitätsferne ihrer regelmäßigen Publikationen ebenso regelmäßig auffällt. Wer sagt eigentlich, dass hier das Wort „Auftragsarbeit“ nicht vielleicht wörtlicher genommen wird, als es eigentlich mal gedacht war? Im Klartext: von einer wirksamen Kontrolle kann keine Rede sein. Eingedenk dessen braucht es dann nicht mehr viel Phantasie für die Erklärung, wieso gerade die absurdesten Sender (darunter auch RTL...) meist die vorderen Plätze der Statistik bevölkern während Fernsehen mit Restintelligenz durchweg als Nischen- und Spartensender bequotet werden.

Dies zu ändern ist gar nicht so einfach – denn jedem Eingriff hier, würde sogleich der Geruch von „Zensur“ anhaften. Schlimmer noch ist aber: für Politiker aber ist ein gutes Medienimage von elementarer Bedeutung, weswegen ihrem Aktionismus auf diesem Feld engste Grenzen gesteckt sind. So stehen wir in der Summe vor einem etwa scheunengroßen Einfallstor in die gewaltengeteilte Machtverteilung unseres demokratischen Systems, welches über lange Zeit höchst geschickt Stück um Stück geöffnet wurde,

Solches bewerkstelligt nur, wer über reichlich Fußvolk im undurchsichtigen Dickicht der Verbände und Netzwerke verfügt – im Stillen werden da längst die nächsten Schritte vorbereitet, während die Öffentlichkeit noch am Aktuellen verdaut. Weil das in der Vergangenheit mit „Wirtschaftsexperten“ bereits so wunderbar funktionierte, hat man nun offenbar einen neuen Expertentyp „aufgelegt“. Was liegt nach der Schaffung einer Unterschicht eigentlich näher, als den dazu passenden „Unterschichtexperten“ ins Leben zu rufen? Strategisch durch eine ganze Staffel widerlich-voyeuristischer Formate vorbereitet, kann man nunmehr bei RTL mitverfolgen, wie der „Arbeitsbeschaffer“ der „Super-Nanni“ zur Hilfe eilt und beide im Verein die Probleme des Landes wirklich anpacken...

Und damit diese wichtige Konstrukte im sonstigen ausgestrahlten Schwachsinn nicht völlig untergehen, müssen die Netzwerker bei den Print-Kollegen auch ran – Einen der Vielen kennen wir schon: wer könnte besser geeignet sein, als Reinhard Mohr (Dauerautor bei Stern, Spiegel etc. und als „Theoretiker der Single-Generation“ gefeiert), sich als „Unterschichtexperte“ zu empfehlen? Dieser Herr war uns wegen seiner tumben Aussagen bereits 2006 zum Start von CogitoSum einen Beitrag wert (Fallbeispiel... Okt. 2006).

Von dessen „Leistungshöhe“ kann man sich in diesem Beitrag überzeugen, der kürzlich unverdächtig in der „Kultursparte“ von Spiegel-Online zu finden war. Hier wird das neue RTL-Format doch nun endlich mal wirklich gebührend gewürdigt. Uns ist leider nicht bekannt, was das den Sender gekostet hat – wohl einiges, denn Mohr geht mächtig zur Sache und natürlich - wie bei ihm üblich – begleitet von einem dichten Feuerwerk neoliberalen Manipulativgeschwätzes.

Studienabbrecher Mohr hat anscheinend nicht die geringsten intellektuellen Probleme damit, das Berufen eines Bürgers auf die ihm nach Artikel 12 Grundgesetz zustehenden Berufsfreiheit als Ausdruck von - wie er es nennt - “Voll-Kasko-Mentalität“ anzuprangern. Sie wissen schon – das ist jenes edle Grundrecht, welches der arme Friedrich Merz (CDU) durch die Offenlegungspflicht für Nebeneinkünfte Abgeordneter gefährdet sah. Beim geistigen Spagat steht Mohr kaum hinter Merz zurück – so bringt er gar das Kunststück fertig, die Massivität der RTL-Propaganda nicht nur zu benennen, sondern sie sogar noch als „...kleine Schule der Wirklichkeit...“ umzudeuten.

Dabei wissen Bertelsmann, RTL und Mohr sicherlich sehr genau, dass man anhand von herausgegriffenen Einzelfällen jede noch so abstruse Schwachsinnsthese nach Belieben beweisen oder widerlegen kann. Ein Konzept aus dem nun schon seit vielen Jahren derart viel politisches wie sonstiges Kapital geschlagen worden ist, dass dies doch nun langsam wirklich ausgelullert sein sollte. Doch auch als Autor eines kritischen Magazins ficht das Mohr nicht an – vielmehr macht er sich auf üble Weise über Empfindungen von Menschen lustig, die in unserer ach so sauberen Gesellschaft nichts Anderes gewohnt sind, als fortwährend nur herum geschubst zu werden.

Hier läuft unser Autor derart zur Höchstform auf, dass es schwer fällt, innere Beteiligung in Frage zu stellen. Nun – kein Mensch ist unfehlbar und sicher soll auch dem Herrn Mohr seine eigene Meinung zugestanden werden. Eine andere Frage aber bleibt: Wie kann es sein, dass sich immerhin eines der führenden Nachrichtenmagazine in Absurdistan die Veröffentlichung derartigen Blödsinns gönnt und dies - wie wir an diesem Beispiel sehen - in relativer Konstanz und Regelmäßigkeit.

Zu unserem Reinhard Mohr jedoch gibt es noch etwas mehr zu sagen – lesen Sie mal diesen Artikel von ihm. In Zielrichtung und Gegenstand unterscheidet der sich von dem nur einige Tage älteren zwar grundlegend, denn diesmal ist die „Oberschicht“ dran – nur eine Konstante bleibt: Die Lobhudelei auf RTL. Das totale Eindringen der Propagandamaschinerie in private Freiheits- und Rechtsräume aber, wodurch vor allem die bei RTL verbreiteten widerlichen Sende-Formate vom Schlage „Doku-Soap“ neben dem Appell an niedere Gaffer-Instinkte auch gesellschaftszersetzende Ideologie transportieren, ist dem scheinbar so kritischen Autor nicht eine Silbe wert.

Doku-Drama, Doku-Soap, Telenovela, Casting-Shows u. dgl. sind vortreffliche Instrumente mit einem breiten Wirkspektrum, welche sich um das Kernziel „unterschwellige Verblödung“ gruppieren. Strategisch reihen sich tumbe Vorurteile, Halbwahrheiten, lachhafte Klischees und handverlesene Paradefälle (darunter vermutlich auch einige Artefakte...) aneinander und ergänzen sich. Hauptziel: Durchpflügen des mentalen Ackers für die dann in der Regel kurz darauf über andere Kanäle kommunizierten Saat politischer Inhalte. Toll ist dabei die Arbeitsteilung – die Medien pflügen, die Politik pflanzt an und am Ende landet die Ernte beim Geldadel.

Es entsteht eine fast unangreifbare Hydra – deren Macht und Wirkung unreguliert und unkontrolliert die gesamte Gesellschaft und ihre Institutionen durchwuchert. Neu ist diese Art Filz nicht – man denke da nur an die Nähe des dicken Kanzlers zu seinem „Freund“ Kirch und daran, wie planvoll die Regierung Kohl dieser Hydra sechzehn Jahre lang den Weg bereitete und ihr viele Hindernisse aus dem Wege räumte.

Seitdem erleben wir eine Art neoliberales Märchen – kaum ein Neo-Traum, der inzwischen nicht schon Realität geworden wäre: Gesunkene Reallöhne, Arbeitszeitverlängerung, Abbau von Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherungsschutz, Senkung von Steuern, Privatisierung öffentlichen Eigentums, Beteiligung an fragwürdigen Kriegen weltweit sind bekannte Leuchttürme solcher Art von Politik. Diese wird dem Wahlvolk nun schon seit Jahrzehnten stets unter Versprechung besserer Zeiten „verkauft“. Die große Koalition dürfte von den Wenigsten wirklich gewählt worden sein – vielmehr ist sie das sichtbare Zeichen dafür, dass die neu entstandene Vögte-Klasse sich ihrem Abschied von der Macht - also dem demokratischen Normalfall – zu verweigern sucht.

Was für die Masse der Bevölkerung statt all der Versprechungen währendessen eintrat, waren immer weitere Verschlechterungen ihrer persönlichen Lebenssituation. Auf breiter Front werden Kleinverdiener, Rentner und Arbeitslose geplündert und kollektives Eigentum verschleudert, begleitet vom Rauschen einer absurden Erfolgspropaganda. Dabei hat die real stattfindende Umgestaltung längst das Feld Geld- und Vermögensverteilung hinter sich gelassen und rüttelt inzwischen an den Grundfesten unseres politischen Systems.

Verfassungsdeformation, Elitenformierung, immer weitere Eingriffe in die Privatsphäre, Diffamierung von wechselnden gesellschaftlichen Gruppen, Militäreinsatz weltweit und womöglich bald im eigenen Land – all dies Warnzeichen des entschlossenen Willens der neuen Elite, ihre meist unverdienten Privilegien mit allen Mitteln verteidigen zu wollen. Der partei-politische Apparat wird zwar bereits seit Langem kontrolliert – nur nutzt das in einer gewaltengeteilten ordentlichen Demokratie nicht genug – und so geraten vermehrt deren Grund-Strukturen selbst unter Beschuss.

Dieser Kontext ist es, der Artikel wie die des Reinhard Mohr aus der Bedeutungslosigkeit anderer Dummheiten heraus hebt. Das propagandistische Grundstrickmuster nämlich wiederholt sich tagtäglich tausendfach in unserer Medienlandschaft – in nahezu allen Bereichen. Mohr ist hier nur Beispiel. Allabendlich werden Fernsehzusehern mit Sendungen wie „Brisant“, „Exclusiv“, „Hallo Deutschland“ und „Leute Heute“ die Hirne weich geklopft. Star- und Promikult, Adels- und Papstbeweihräucherung – als bunter Mix garniert mit schockierenden Einzelfällen abscheulicher Soziopathie, Katastrophen, Unfällen, Krankheiten soll er Menschen konditionieren für zeitgleich oder im nahen Umfeld kommunizierte Heilsbotschaften. In einem ist Mohr zuzustimmen – all dies trifft man beileibe nicht nur bei RTL an. Getrieben vom Quotenwahn und wohl auch infolge verdeckter politischer Einflüsse befindet sich die Informationsqualität auch bei öffentlichen-rechtlichen seit Längerem im freiem Fall in Richtung RTL-Senke.

Doch – das ganze Spiel kommt inzwischen in die Jahre. Immer mehr Bürger dekodieren dessen Strukturen – was dann im Zweifelsfall zum Betätigen des Ausschaltknopfes führt. Natürlich ist dies gerade jetzt – wo bei den kommenden Wahlen so viel auf dem Spiele steht - außerordentlich ungeschickt. Und schon wird sozusagen der nächste Gang eingelegt, das stärkere Register gezogen. Nach der eher hintergründigen Manipulation wird nunmehr die bloße Panikmache auf die Bühne „geschoben“. Auf einmal erklären uns dieselben, die zuvor über einen nicht enden wollenden „Aufschwung“ kreischten wie Teenies im Auditorium ihrer Traumband, dass unser weiser und vorausschauender Wirtschaftsminister Glos an einem „Notprogramm“ gegen die Konjunkturkrise zimmere... Hier muss einem fast das Wort „Toll“ ( sie wissen schon – die Glosse von Frontal21 ) auf die Lippen geraten.

Doch halt – erst das Kleingedruckte lesen: Eines von Glos „Kernelementen“ beim Zimmern ist – welch eine Überraschung: Steuererleichterung! Achja – es gab ja schon mindestens 14 Tage keine mehr... Fairerweise wollen wir noch hinzufügen: Auch ein staatliches Investitionsprogramm sei geplant. Vermutlich – um Schäden aus den zurückliegenden Privatisierungsorgien auszubessern, noch bevor sie so richtig übel auffallen.

Für den, der genau hinschaut, ist jedenfalls seit einiger Zeit eine langsame Veränderung der Propaganda-Stoßrichtung erkennbar. Wohl der Erkenntnis folgend, dass ängstliche Menschen eher zum scheinbar „Bewährten“ greifen – und damit letztlich auch weniger zu politischen Experimenten neigen, finden die grauen Eminenzen es wohl an der Zeit, in Absurdistan mal etwas Panik zu verbreiten.

Dies lässt auch die Kampagne Roland Kochs – sonst eher als Trottelei abzutun – in einem völlig anderen Licht erscheinen. Denn auch sie schürt diffuse Ängste, wie wir es seit Wochen in Form ausgestrahlter Passantenbefragungen immer und immer wieder vorgeführt bekommen. Und seit Neuestem könnte man formulieren, die „Schäuble-Linie“ - also um politischer Ziele wegen Angst verbreiten – ist nunmehr auch auf Konjunktur und Wirtschaft ausgedehnt worden. So, als hätte es all das Geschwätz von Gestern nicht gegeben, stehst Du eines Tages auf und wirst mit einer völlig neuen Welt inklusive eines völlig neuen Absurdistans in den Medien konfrontiert.

Wie real oder irreal der Hintergrund der Panikmache ist, ist nicht einfach zu beurteilen. Fest steht aber, der US-Hypothekencrash hat weltweit Etliches aus dem Gleichgewicht gebracht. Muss es dann aber nicht verwundern, wenn Deutsche Banken offenbar vermehrt dazu übergehen, von ihnen gehaltene und bislang einwandfrei bediente Baufinanzierungen auch hier im Lande abzustoßen? Das Spielmuster ist bekannt – der neue „Eigentümer“ der Finanzierung (das muss man sich in seiner Bedeutung mal so richtig auf der Zunge zergehen lassen...) wird jede nur erreichbare Vertragsklausel nutzen, um mehr Profit aus dem Vertrag zu „quetschen“. Der Hebel hierfür liegt in den zumeist „befristeten“ Konditionen und er kann rasch zur regelrechten Knute werden, wenn deren Neuverhandlung ansteht.

Die Aufkäufer – meist irgendwelche No-Names – brauchen sich, anders als der namhafte „Vorbesitzer“, nicht um ihr Image scheren und können voll hinlangen. Das kommt in Zeiten mit steigender Inflation und Konjunkturproblemen natürlich besonders herb bei Häuslebauern an, die sich oft schon zuvor mächtig strecken mussten für ihr Eigentum. Ein Risiko besteht kaum – kann ein Darlehensnehmer nicht mehr zahlen, kommt halt seine Hütte unter den Hammer. An diesem Geschäft „verdienen“ Dutzende prächtig – nur einer verliert alles: der ehemalige Eigentümer – der fast immer bereits enorme Beträge in „sein Heim“ investiert hat.

Wer da glaubt, er könne dann so locker zum Wettbewerbs-Institut wechseln, wie das nun mal auf freien Märkten so sein sollte, der könnte sich mächtig verrechnet haben. Denn es ist ja heute schon klar, dass Baufinanzierungen in näherer Zukunft nicht grade „in bestem Ruf“ stehen. Zudem können die Banken heute mit anderen, wie sie es nennen „Finanzmarktprodukten“ bessere Gewinne erzielen. Hier erhebt sich dann aber die Frage, wieso eigentlich sind „Neufinanzierungen“ vergleichsweise spottbillig? Nicht dass da am Ende hinter den Kulissen doch noch zusammenwächst, was auch zusammen gehört. Na - macht's schon klick? Den Rest des Zusammenhangs überlasse ich dem Leser...

Lang ist sie geworden, unserer erste „Tour d' Horizont“ für dieses Jahr. Gerne würde ich kürzer schreiben – aber unsere Zeit leidet inzwischen ja vor allem daran, dass Zusammenhänge immer weniger hergestellt werden. Mein Ziel diesmal war es vor allem, die Aufmerksamkeit und Selber-Denken anzustoßen. Allein der zu beobachtende Wandel zu „Panik-Propaganda“ sollte Menschen umso mehr dazu mahnen, vor allem die wesentlichen Dinge kritisch im Auge zu behalten, und sich um ein eigenes Urteil dazu zu bemühen. Wenn an den neu geschürten Ängsten nur soviel dran ist, wie an der bis vor Kurzem noch gültigen Aufschwungpropaganda, dann kann uns nun wirklich nichts passieren.

Angst zu haben oder sich einreden zu lassen, hilft nicht weiter – und sie führt ganz sicher nicht zu vernünftigeren Entscheidungen. Auch ist es nicht einfach, sich mit Misständen und Problemen zu befassen – doch muss hier klar sein. Wer dies verweigert, schafft die besten Voraussetzungen für deren Fortbestehen und weiteres Wachstum. Dies war auch schon vor 80 Jahren nicht viel anders – Anders sollte allerdings werden, was unsere Gesellschaft diesmal noch zulässt. Dass es noch einmal etwas Ähnliches werden könnte wie seinerzeit – gehört zu dem Wenigen, vor dem man eine wirklich begründete Angst haben könnte.

Leider lassen die bereits seit Jahren von etlichen Fachleuten diagnostizierten Probleme auf den Finanzmärkten nicht unbedingt nur Gutes ahnen. So manche Sau wird in den kommenden Monaten noch durchs Dorf getrieben werden – und hier wird es mehr als zuvor auf das unabhängige Urteilsvermögen eines jeden Bürgers ankommen, wie sich unter anderem bei Wahlen artikuliert. Vielleicht werden die Zeiten ja wirklich schwerer – aber wäre dann nicht gerade besonders wichtig, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass davon nicht wieder dieselben profitieren, die dies zuvor immer schon taten? Jedenfalls haben wählende Bürger gerade in turbolenteren Zeiten ein besonders hohes Maß an Verantwortung. Ich ermuntere Jeden, davon Gebrauch zu machen... und eben nicht zuzulassen, dass geschürte Ängste die Vernunft noch mehr zurückdrängen, als es die zuvor bewegte Jubelpropaganda schon getan hat.


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