Die
Wahlen in Hessen und Niedersachsen sind entschieden – die in
Hamburg steht unmittelbar bevor. Viele mag erleichtert haben, dass
die Hessen dem Populismus-Salto Kochs eine deutliche Absage
erteilten. Es scheint, als machten sich so langsam doch Grenzen in
dem bemerkbar, was sich unsere Gesellschaft an Absurditäten
bieten lässt – und das ist gut so. Gemessen an den erratischen
Kommentaren der CDU-Führung darf auf höchste Alarmstimmung
innerhalb der CDU und der hinter ihr versammelten Machtelite
geschlossen werden. Schließlich macht auch der angeblich so
„strahlende“ Sieger Wulff mit rund 6% Verlust nicht unbedingt den
Eindruck eines Fels in der Brandung. Die SPD indes hat an einem noch
viel schwerwiegenden Problem zu knabbern – und zwar an ihrer
„hausgemachten“ Linksphobie. Inzwischen – viele werden
denken: endlich - hat der SPD-Vorsitzende Beck hier mit diskreten
Lockerungsübungen begonnen...
Hessen
könnte sich so womöglich noch zum „Rettungsanker“ für
eine SPD entwickeln, die ihre Identität inzwischen hinter sich
zurück ließ. Offenbar scheint allein eine SPD mit
nennenswertem Linksprofil überhaupt in der Lage, „Die Linke“
zu entzaubern – wie in Berlin und kürzlich in Hessen zu
beobachten. An Absurdität kaum zu überbieten indes die
Haltung der CDU und des Seeheimer Kreises in der SPD, den man
eigentlich nur noch zum geschlossenen Übertritt in die CDU/FDP
ermuntern kann. Allzu viele Wählerstimmen kann dies der SPD
nicht mehr kosten, und diesen wenigen steht zudem eine gute Chance
auf kräftige Rückgewinne im linken Spektrum gegenüber
– wie in Hessen erstmals demonstriert wurde.
Seit
Jahren aalen sich Kommentatoren von Politik und Journalie ja förmlich
in einer absurden Realtitätsverkennung epochalen Ausmaßes:
Eine linke Mehrheit in Deutschland ist bereits seit 2005 Realität
– und immer noch feiern sie den „Ball der Demokraten“. Sie
wissen schon – jene Leute, denen allein demokratisch vorkommt, was
sie in ihrer Macht- und Selbstbedienungsmentalität nicht
behindert. Und genau diese Charaktere scheuen sich dann auch nicht,
selbst allerfeinstes Haar noch senkrecht zu spalten, wenn es um den
Erhalt ihrer Macht und das Hineinregieren in eine andere Partei geht.
Anders als beim Politkrimi in Schleswig-Holstein anlässlich der
Ablösung von Heide Simonis sind nun plötzlich Wortbruch,
Wählerbetrug, Rücksichtslosigkeit noch die harmloseren
Vokabeln der Stunde. Und das ganze Gegacker angesichts eines winzigen
Beck'schen Testballons hinsichtlich einer Rot-Grünen
Minderheitsregierung in Hessen, die nur mit Duldung der Linken
gebildet werden könnte.
Eine
solche Regierung wäre ohne Wenn und Aber in jeder Hinsicht
verfassungskonform – und stellt damit eine von drei möglichen
Optionen für die Regierungsbildung in Hessen dar. So ist das
mediale Gejohle kaum mehr als Ausdruck der enormen Nervosität im
neoliberalen Lager. Allein die Kommentierung all dessen, was seit der
Hessenwahl an Unsinn dazu abgesondert wurde, könnte ein
mehrbändiges Werk locker füllen. Fast scheint es, die CDU
habe sich auf ein neues Kurzdenkprogramm verständigt, das da lautet:
„Demokratie ist, wenn wir regieren...“. Alles was sich diesem
Verdikt nicht beugt, wird mit teilweise haarsträubender
Argumentation als „undemokratisch“ abgestempelt. Dabei ist es
eine einfache Tatsache, dass der Einzug der Linken in die
Länderparlamente nun mal Wählerwille war und ist. Was hier
bei den letzten Landtagswahlen zum Ausdruck kam, unterscheidet sich
im Wesentlichen kaum von dem, was die Bundestagswahl 2005 bereits
vorgezeichnet hat.
Was
seitdem allerdings geschah, war, dass eine vom Wähler bereits
2005 „abgewählte“ Politik munter (fast könnte man
sagen: münter...) fortgesetzt wurde, wobei die Union die SPD
Richtung Abgrund vor sich her trieb. Die jüngsten schrillen Töne
der Union indes – gar von der Aufkündigung der großen
Koalition ist die Rede – müssen selbst unbefangene Beobachter
verstören. Wie – eine angeblich so „erfolgreiche“
Regierung einfach mir nichts dir nichts in die Tonne treten? Für
das bisschen Hessen-Geplänkel nach dem total vermurksten
Koch-Wahlkampf? Seit wann überhaupt eigentlich werden die
Grundzüge der SPD-Politik von der CDU festgelegt?
Wozu
eigentlich Neuwahlen? Wie oben festgestellt, ist in Wahrheit nichts
eingetreten, was einen erneuten Ruf zur Urne rechtfertigen würde
– oder spekuliert man in der CDU gar auf noch niedrigere
Wahlbeteiligungen? Nach dem Motto – es wird solange gewählt,
bis uns das Ergebnis passt? Die Regierungsbildung in Hessen wird
nicht etwa von den Linken oder der SPD behindert, sondern im Hier und
Jetzt erst einmal von der FDP – denn sie ist es, die die mögliche
Ampel-Koalition ablehnt. Dass den Sozialdemokraten der Sinn nach
allem Möglichen steht, nur nicht nach einer weiteren großen
Koaltion und das auch noch unter der Knute Roland Kochs, dürfte
ja wohl nachvollziehbar sein.
Das
Wort von Neuwahlen in Hessen machte ja bereits ab dem Zeitpunkt des
Wahlabends die Runde, ab dem sich der Einzug der Linken abzeichnete.
Offen muss hier bleiben, was sich die feinen Demokraten von Neuwahlen
versprechen. Etwa dass die Wähler der Linken nun anders wählen?
Oder glaubt man immer noch an den Aufstand der „schweigenden
Mehrheit“, die Roland Koch - allerdings irrtümlich - im
eigenen Lager verortete. Wie er angesichts der
Bundestagswahl 2005 dieser These anhängen konnte, bleibt ein Rätsel. Wenn
sich da mal Einige nicht ganz grundlegend verschätzen – denn, wenn die
schweigende Mehrheit hier mal wirklich die Wahlurnen stürmt,
dürfte wohl kaum noch ein Stein im jetzigen Machtgefüge auf
dem anderen bleiben. Und die Gründe hierfür kann man in Berichten zu Armut und Prekariat nachlesen, welche die direkten Folgen der bisherigen Politik sind. Hier sollten die Verantwortlichen eher froh sein, dass es gerade die davon Betroffenen sind, die zu hohen Anteilen den Urnen fernbleiben... noch ... jedenfalls.
Kaum
noch nachvollziehbar bleibt allerdings, wie es sich Menschen mit
derart deformiertem Demokratie-Verständnis leisten können,
die Linke als „undemokratisch“, „kommunistisch“ und
„regierungsunfähig“ abzustempeln. Dabei vollbringen sie
selbst seit Jahren im Wesentlichen nichts anderes, als fortwährend
immer noch mehr Wahlkampfhilfe für die Linke, und zwar in Form weiter fehlgeleiteter Politik, zu produzieren. Regierungsunfähig dürfte
doch zu allererst mal eine Regierungspartei sein, die eine
Bundesregierung wegen irgendeinem provinzialen Pille-Palle einfach so
torperdiert. Hier bleibt nur zu hoffen, dass der Wähler –
falls es denn zu Neuwahlen auf Bundesebene kommen sollte – mal
endlich ein eindringliches Machtwort zur Beendigung des ganzen
absurden Theaters spricht.
Fast
scheint es ja, als fühle sich die Union „berufen“,
die SPD so lange zu peitschen, bis sie ihren Weg in den eigenen
Untergang zum Wohle des „Ganzen“ wieder aufnimmt. Etwas zynisch
steht da doch die Frage im Raume – war es denn nicht immer die
ständige Mahnung der CDU an die SPD, sie solle nun endlich etwas
„gegen“ die Linke unternehmen? Man kann nun argumentieren, wie
man will – zumindest dies scheint Wowereit in Berlin und Ypsilanti
in Hessen nachweislich gelungen.
Für
morgen jedenfalls steht wieder mal eine „echte“ Wählerumfrage
in Hamburg an – auch wenn es eine Landtagswahl ist, die
notwendigerweise eng mit landespolitischen Aspekten verknüpft
sein muss: eine Nagelprobe für das ins Rutschen geratene
Machtkartell im Lande bleibt sie allemal. Die SPD ist Kurt Beck zu
Dank verpflichtet – sozusagen in letzter Sekunde schlug er seiner
Partei einen Sicherungshaken in die Felswand. Ob dieser den mehr oder
weniger freien Fall der SPD aufzuhalten vermag, wird sich zeigen –
und dies wird vor allem davon abhängen, ob hinter dieser nach
Spiegelkommentaren „Wahnsinnstat“ lediglich Wahlkampf-Taktik oder
aber die wachsende Erkenntnis erster Realitäten im hierzulande
dichten Nebel des Absurden steht.
Angesichts
des Balls all der „Demokraten“ landauf und landab ist Hamburg und
auch Deutschland der Einzug einer kräftigen Linken in den Senat
eigentlich nur zu wünschen - eben damit es die ausgelatschten
Pfade allfälliger Kungelpolitik mal aufbricht und die gesamte
Veranstaltung „Demokratie“ nicht noch mehr zu einem „Ball der
Vampire“ mutiert. Was die Drohung – man könnte mit Fug und
Recht auch formulieren „Erpressung“ - der Union mit Neuwahlen
angeht, scheint Gelassenheit angebracht: wahrscheinlicher ist hier
doch wohl, dass man im Bund eher Kanzerlin Merkel zur Königin
ausrufen wird, als dass sich unsere Elite zum jetzigen Zeitpunkt
einer ungewissen Neuwahl auslieferte.
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