Landauf
und Landab haben die Medien ihr Sommerloch-Thema – der
diagnostizierte Niedergang der SPD, in Verkennung der wahren Ursachen
exemplarisch vorgelebt durch die Parteikarriere des Wolfgang Clement.
Weitgehend einig geben sich die Kommentatoren darin, der
Parteiausschluss eines derart „verdienten“ Politikers sei
unangemessen. Der wahre Kern dieser Behauptung dürfte
bestenfalls darin liegen, dass Wolfgang Clement wirklich nicht
schlecht verdient hat an seiner Parteimitgliedschaft in der SPD. Wo
darüber hinaus sonst seine „Erfolge“ für die SPD
liegen, bleibt eher im Dunkeln – denn da gibt es überraschend
wenig Spektakuläres zu verzeichnen.
Aus
dem Medienbereich kommend – er bekleidete leitende Positionen bei
der Westfälischen Rundschau und der Hamburger Morgenpost - nimmt
der Jurist Clement ab den 80er Jahren etliche wichtige Funktionen in
der Bundes-SPD wahr. Johannes Rau beruft ihn dann 1989 als
Staatssekretär in die nordrheinwestfälische
Landesregierung, wo er kurz darauf zum Minister aufsteigt. Ab Mitte
der 90er ist Clement kontinuierlich präsent in Landes- und
Bundesvorstand der SPD, erst ab 1993 gehörte er dem NRW-Landtag
an und reserviert sich zügig die Position als „Kronprinz“
von Johannes Rau, dem er schließlich 1998 als Ministerpräsident
nachfolgt. 2002 folgt er dann dem Ruf Gehard Schröders in die
Bundesregierung als „Superminister“ für Wirtschaft und
Arbeit. Welcher Leistung und welchen Verbindungen diese
beeindruckende Karriere geschuldet sein mag, muss offen bleiben –
um 2003 herum war er unter Gerhard Schröder angesichts dessen
häufiger Rücktrittsdrohungen gar als Kanzler-Nachfolger im
Gespräch – ein Kollege übrigens, dessen kometenhafter
Aufstieg in der SPD nicht unter weniger wundersamen Umständen
stattfand.
Anders
als Clement aber hatte Schröder Politik geprägt und seine
Partei wenigstens zeitweise zu Wahlerfolgen geführt. Davon ist
bei Clement nichts in Sicht – schon bei seinem Regierungsantritt
1998 in NRW beweist der Jurist Clement eine beachtlich merkwürdige
Haltung zu prinzipiellen Grundlagen von Demokratie – er verkündet
die Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium in NRW, ein
offener Schlag ins Gesicht der Gewaltenteilung. Sturköpfigkeit
bei zweifelhaften Anliegen beweist er damals schon – obwohl der
nordrheinwestfälische Verfassungsgerichtshof sein Ansinnen
ablehnt, gibt er seinen merkwürdigen Plan erst auf, als er
widerwillig einsehen muss, dass dieser mit den Grünen als
Koalitionspartner in NRW nicht durchzusetzen sein würde.
Hartnäckig
und durchaus erfolgreich indes beweist er sich damals schon als
Lobbyist für die großen Kohle- und Energiekonzerne. In
seinem hierdurch bedingten Eintreten für die Kohlesubventionen mag vielleicht auch die Wurzel für das Mißverständnis
liegen, dass so manche „Kumpel“ in NRW Clement lange für
einen „Mann des Volkes“ hielten. Vor allem die vielfachen
Äußerungen Clements zum weniger privilegierten Teil der
Bevölkerung lassen keinen Zweifel an Berechtigung der Frage, was
dieser Mensch eigentlich in einer SPD zu suchen hatte und hat. Nach
Kräften trug er als „Superminister für Wirtschaft und
Arbeit“ zur Verschärfung der schon in ihrer Originalfassung
höchst fragwürdigen Hartzgesetze bei.
Aus
der Rückschau verbindet sich der Name Clement vor allem mit
Einem: dem Niedergang der SPD – erst im Stammland
Nordrhein-Westfalen – wo er SPD wie Bundesland abwirtschaftete und
sich eine Dauerfehde mit dem Koalitionspartner Die Grünen
lieferte. Zwar gelang ihm 2000 in der einzigen Wahl, der er sich
stellte, noch ein knapper Sieg gegen Union/FDP – aber 2005
offenbarte dann das schreckliche Ausmaß der von ihm
angerichteten politischen Verwüstung: CDU/FDP fuhren förmlich
einen Erdrutschsieg ein.
Aber
einen Clement ficht so etwas nicht an – Schröders hauchknapper
Sieg 2002 sieht er offenbar als Mandat, seine merkwürdigen
Zielvorstellungen weiter zu verfolgen. Die Hartzgesetze – zu deren
Verschärfung er im Verein mit der Union erheblich beitrug -
erblicken das Licht der Welt und sie sollten die SPD in eine bisher
nie da gewesene Identitätskrise stoßen, aus der sie sich
bis heute nicht befreien konnte. Vor allem aus dieser Zeit sind
zahllose erschreckende Zitate von Clement (samt Gattin...)
überliefert, von offiziellen Broschüren seines Ministeriums
bis hin zu seinem denkwürdigen Parasiten-Vergleich für
Hartz-IV-Empfänger in einer Talkshow.
Clement
– inzwischen von allen aktiven Ämtern befreit – stellt nach
seiner Superministerzeit seine Lobbytätigkeit noch auf ein
weiteres Bein, welches jede Verwechslung, er könne sich für
Arbeitnehmerinteressen einsetzen, nachhaltig ausschließt.
Öffentlich und scheinbar ohne jede Skrupel bricht er gegen
vermutlich sehr gute Bezahlung jede Menge Lanzen für die
Zeitarbeitsbranche, der er zuvor - selbst noch Minister – höchst
aktiv den Weg bereitet hatte. Von der Öffentlichkeit nicht groß
beachtet, tritt Clement 2006 dem neoliberalen
Konvent für Deutschland bei – ein Institut welches für
sich spricht.
Als
wäre all dies nicht schon schlimm genug, genehmigt sich Clement
im Frühjahr 2008 dann den Parteigau – immer noch ganz Lobbyist
für notleidende Energiekonzerne ermuntert er Wähler in der
„Welt am Sonntag“, die hessische SPD-Kandidatin Ypsilanti wegen
ihrer Ansichten zur Energiepolitik nicht zu wählen.
Hier
soll nun die Schilderung der „Verdienste“ Clements um die SPD
enden, obwohl noch etliches anzuführen wäre. Stattdessen
drängt sich eine Frage auf: was nur will die SPD eigentlich mit
einem solchen Mitglied? Die Tatsache dass Clement lange Zeit hohe
Parteiämter bekleidete darf den Blick auf einen Umstand nicht
verstellen. Hätte dieser Mann sich an der Wählerfront zu
bewähren gehabt, wäre dem Land und der SPD vermutlich so
Einiges erspart geblieben. So hätte die SPD hätte ein
Besseres getan, beidhändig zuzugreifen, als Clement Ende 2007
seinen Austritt für den Fall androhte, dass die SPD ihren
„Linksruck“ fortsetze.
Ungeachtet
der Frage, ob Clements Eskapaden Ypsilanti in Hessen nun den Wahlsieg
kosteten oder nicht, bleibt jedoch festzuhalten: Kann es noch etwas
Parteischädigenderes geben, als in einer Schicksalswahl für
die SPD öffentlich von der Wahl der eigenen Kandidatin
abzuraten? Und dies als prominentes Mitglied, welches der Partei sehr
viel zu verdanken hat? Tragisch an dem Ganzen ist lediglich – dass
der Ausschluss Clements viel zu spät kommt. Die bislang
demonstrierte völlige Handlungsunfähigkeit der SPD in
Sachen dringend notwendiger Korrektur zur fehlgeleiteten
Agenda-Politik ist längst zu ihrer schwersten Hypothek für
die Bundestagswahl 2009 geworden.
Sicher
- Parteien müssen und sollen ein Meinungspektrum abbilden. Darin
liegt gradezu ihr Sinn und ihre Funktion im demokratischen System.
Daraus aber lässt sich beim besten Willen kein Imperativ
ableiten, an derart fragwürdigen Figuren wie Wolfgang Clement
festzuhalten – und dies schon gar nicht, wenn diese nicht nur
öffentlich unter der Stammwählerschaft der Partei wüten,
sondern auch noch offen und unverhohlen nahezu jeden Buchstaben des
Parteistatuts verletzen. Im Falle Clement ist es nicht die Partei,
der an Kompromissbereitschaft mangelt, sondern es ist der
Ausgeschlossene selbst, der hier offenbar an seinem Kreuzzug gegen
die Grundidentifikation der eigenen Parteien festzuhalten gedenkt.
Dieser
Mensch wird der SPD weiter schaden – ob nun mit oder ohne
SPD-Parteibuch. Das Problem der SPD ist eben, dass Clement nicht
allein ist und nie war. Seit geraumer Zeit halten hinter den Kulissen
obskure Zirkel wie der Seeheimer Kreis die ehemalige
Arbeitnehmerpartei im Würgegriff – und schaffen es bislang,
wenn auch mit zunehmender Mühe, die SPD von ihrem längst
fälligen Befreiuungsschlag gegen die neoliberale Umklammerung
abzuhalten. Dumm nur – dass die Startpositionen für
Neoliberalismus hierzulande sich fest in Besitz von Union und FDP
befinden. Seit Jahren schon könnte die SPD nahezu täglich
aus Wahlen und Umfragen nur Eines lernen: für sie ist da kein
Platz.
Selbst
wenn der völlig gerechtfertigte Parteiausschluss Clements
Bestand haben sollte – alles andere würde das Disaster nur
noch vergrößern – für 2009 kann man die SPD wohl
bereits als Ausfall verbuchen. Viel zu langsam und zu schwerfällig
bewegt sich diese Partei in ihre unausweichlich notwendige Katharsis.
Begraben unter einer dicken Schicht aus Lobbyisten-Geschmeiß
und Netzwerker-Unrat wird es wohl kein Spross neuer eigenständiger
Politik vermögen, sich bis dahin ans Licht der politischen Sonne
vor zu arbeiten. So bleibt als mögliche Quelle politischen
Erfolges für die SPD allein die durchaus begründete
Hoffnung auf das diesbezügliche Versagen ihrer Konkurrenten –
aber wenigstens dies ließ sich ohne Typen wie Clement und Co.
in den eigenen Reihen weitaus besser zu einer eigenen Stärke
ausbauen als mit ihnen.
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