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Das Inferno
Was die Überlebenden - möglicherweise in dem Glauben, sie seien noch einmal davon gekommen - noch nicht wissen, ist, dass viele unter Ihnen die, die gleich verdampften, noch beneiden sollten. Als Rauch und Qualm sich lichten, wirkt jener Platz auf dem vor kurzem noch Großstadtleben pulsierte, mehr wie ein flüchtig ausgefegter Ballsaal. Kolonnen geschundener Gestalten flüchten sich aus einem Meer von Trümmern, Schutt und Asche in das umgebende Land: teilweise grauenhaft entstellt, schwer verletzt.
Damit nicht genug - bald verlieren mehr und mehr ihre Haare, ihre Haut wird fleckig, beginnt scheinbar grundlos zu bluten, viele siechen - äußerlich fast unversehrt - mit schwersten inneren Blutungen dahin. Die Qualen, die von der tödlichen Fracht des schwarzen Regens künden, müssen entsetzlich gewesen sein. Ärzte und Helfer sind machtlos. Sie wissen nicht, dass der schwarze Regen als nuklearer Fallout hoch radioaktiv belastet war. Und selbst wenn sie gewusst hätten, hätten sie wohl kaum etwas ändern daran können, dass in den Folgemonaten nach 80.000 Sofortopfern weitere 60.000 Menschen unter unvorstellbaren Qualen sterben. Die Spätfolgen, die vereinzelt bis heute anhalten, erhöhen die Opferzahl seitdem noch einmal um 100.000.
Angesichts dieses Szenarios versagt die menschliche Vorstellungskraft - niemand der nicht direkt betroffen war, wird je auch nur eine ungefähre Vorstellung von dem Grauen bekommen, welches an diesem Ort geherrscht haben muss. Keine Worte, keine Bilder werden je einfangen können, wie sich ein Mensch gefühlt haben muss, wenn er - soeben dem Inferno entkommen - plötzlich bei sich selbst jene Symptome der damals vollkommen unbekannten Strahlenkrankheit entdeckt, an denen er schon so viele seiner Leidensgenossen hat sterben sehen.
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