Welche
Drogen sie nehmen, ist nicht genau bekannt - aber sie scheinen
äußerst wirksam zu sein. Um mal mit meiner Tradition zu
brechen, immer nur auf den SPIEGEL einzudreschen, ist diesmal DIE
ZEIT an der Reihe. Wer in diesen Tagen den
Kommentar hier von Josef Joffe, immerhin einer der Herausgeber
dieses Presseschwergewichtes, gelesen hat, kann nur zu der Erkenntnis
gelangen: da leben doch tatsächlich mitten unter uns Menschen in
einem in sich völlig abgeschlossenen Paralleluniversum. Als wäre
dort noch Maggie Tatcher mit ihrer abstrusen Irrsinnslehre, „...
there no such thing like society...“ ( so etwas wie eine
Gesellschaft gibt es nicht...), auf dem Höhepunkt ihres
unseligen Wirkens, predigt Kapitalismus-Papst Josef Joffe da
den „Urbi et Orbi“ eines ominösen „demokratischen
Kapitalismus“ von seiner ZEIT-Kanzel herab, dass es einem
angesichts staatlicher Rettungs-Billionen weltweit schier die Augen
verdreht und Ohren kräuselt. Auffallend indes die inhaltliche
Nähe des Geschwalls zu Reinhard Mohr vom Spiegel, der es wie
kaum ein anderer versteht, Beiträge der unverdächtigen
Rubrik Kultur zu Festivals neoliberaler Gehirnwäsche
umzufunktionieren, ALLEN politischen Kommentatoren des ZDF, diversen
medienpräsenten Professoren und natürlich den meisten
Politikern ALLER Parteien mit Ausnahme vielleicht der Linkspartei,
sowie - der Konzentration der Medienunternehmen sei dank -
geschätzten rund 90% des sonstigen publizierten Pressebestandes
in Absurdistan überhaupt.
Dass
diese Leute sich dann auch noch - zum Beispiel wenn gerade mal wieder
zur regelmäßigen Treibjagd auf den russischen
Präsidenten Putin geblasen wird - völlig ohne Skrupel der
hier angeblich so fest verankerten
„Pressefreiheit“ brüsten, dürfte eines
fernen Tages hoffentlich mal als Treppenwitz in die Geschichte
eingehen. Eine freie Presse kann immer nur
eine unabhängige Presse sein. Davon kann hier - siehe
oben - wohl ebensowenig die Rede sein, wie vielleicht in Russland.
Hier wie dort erzeugen zwar auf unterschiedliche Weise aber dennoch
gleichgeschaltete Medien so nichts anderes, als einen überbordenden
Schwall an Gehirnwäsche im Sinne der jeweils Herrschenden.
Nun
lassen Sie uns doch den Spieß einfach mal umdrehen.
Wenn also russische Medien gleichgeschaltet Propaganda für die
Herrschenden verbreiten, in dem Fall also im Sinne der Putinfraktion,
die dort eindeutig und wohl aber sehr zum Leidwesen von EXXON
et alia das Heft in der Hand hält, könnte sich
doch vielleicht eine lange gesuchte Antwort auf eine entscheidende
Frage hier finden lassen: Wer wohl mag denn
in Absurdistan herrschen? Hierzu wäre nur die hiesige
Medienlandschaft etwas eingehender zu studieren. Wenn wir mal den
ganzen Schwachsinn von Starkulten, Prommi-Mist und
Sportbelanglosigkeiten, sowie völlig überflüssiger
Werbung und PR beiseite schieben, landen wir voilá - u.a. bei
unserem Josef Joffe und gewiss nicht wenigen seiner Kollegen, welche
unermüdlich immer wieder Lanzen für den ins Taumeln
geratenen Kapitalismus brechen, als sei diese Herrschaftsform
an sich einer ernstzunehmenden Bedrohung ausgesetzt.
Die
querschnittliche Analyse offenbart klar: Ganz sicher ist es nicht
unsere Politik, wofür hierzulande Propaganda betrieben wird -
ein Befund, der durchaus Information über die Relevanz von
Politik hierzulande enthält. Propaganda findet lediglich für
einzelne Köpfe („Super-Angie“, „Bierdeckel-Merz“, etc.
) sowie isolierte Einzelaktionen („Krieg gegen den Terror...“)
statt. Über politische Grundkonzepte
und -strukturen indes findet, so sehr man auch sucht, kaum
offene Diskussion statt. Lieber diskutiert man über die Bezüge
von Ackermännern, als über jene Stellen, wo es wirklich
brennt: die völlig maroden Wurzeln unseres Systems. Auch Joffes
Geschreibsel durchzieht nicht einmal von Hauch von Zweifel. Vielmehr
schmeißt er mit einem Feuerwerk sattsam bekannten Blödsinns
aus den vernunftfernsten Winkeln neoliberalen Propagandakitsches um
sich. Immer mehr Menschen begreifen in diesen Tagen aber (endlich...)
was Kapitalismus in Wahrheit ist: Ungerechtfertigte
Bereicherung war schon immer sein einziges Grundprinzip -
und genau dies ist es, wofür hier landauf und landab 24 Stunden
am Tag Propaganda gemacht wird. Ergo: Dann
muss genau dies wohl auch das hier derzeit herrschende Prinzip sein!
Es
beginnt bereits mit der Wortschöpfung „Demokratischer
Kapitalismus“. Nanu? - Wo ist die Demokratie denn
plötzlich abgeblieben? Sie endete (fast
grad so wie in der Realität) als Anhängsel des
Kapitalismus - wobei jeder weiß, dass Kapitalismus in sich
nie und nimmer demokratisch war, ist
oder jemals sein könnte. Und weil das so ist, besitzt
der Kapitalismus auch keine eigene Überlebensfähigkeit,
sondern kann sich immer nur als schmarotzendes Krebsgeschwür auf
den Trittbrettern der für ihn ackernden Gesellschaften in die
Zukunft tradieren.
Es
ist geradezu lachhaft - Joffe unterläuft ein verräterischer
Fauxpas, als er sich bei seiner Lobpreisung des Kapitalismus
unachtsamerweise auf den „kleinen Krämer“
beruft. Genau diesen „kleinen Krämer“, Herr Joffe, gibt es
hier längst nicht mehr. An seiner statt ackern längst
Sklaven von Megakonzernen und Franchise-Giganten oft
für 5 € die Stunde und weniger als „Schein-Selbstständige“.
Erst bis zum Umfallen und dann bis in ihre fast unvermeidliche
Insolvenz, um unseren Innenstädten zumindest noch einen
Rest-Anschein von Vielfalt zu verleihen... Ist der eine pleite, kommt
der nächste, der vielleicht noch etwas Geld aus einem ehedem
verdienten Arbeitsleben hinüber gerettet hat. Auch dies ist
der „demokratische“ Kapitalismus, den Herr Joffe hier so
feiert. Tagtäglich können wir ihn überall beobachten
und immer mehr Menschen erleben seine „Segnungen“ längst
hautnah am eigenen Leibe... Es braucht also keine Joffes mehr, um uns
zu erklären, was da vor sich geht.
Doch
weiter - Herr Joffe interpretiert es als „Stärke“ des
Kapitalismus, dass der Ölpreis derzeit auf 60 $ und weniger
herunter manipuliert wurde, und seligpreist die Zeiten, wo er gar bei
20 $ lag. Wenn man sich dieses Trauerspiel genauer betrachtet, gerät
hier eher weniger das Wort „Stärke“ auf die Lippen, als viel
mehr die Worte „Betrug“ und „epochale Dummheit“. Und dies
gleich in vielerlei Hinsicht, wovon die meisten für uns und die
kommenden Generationen - im Gegensatz zum Kapitalismus -
lebensentscheidend sein werden.
Beginnen
wir mit dem Peinlichsten. Der guten alten Lehre nach - deren Fan zu
sein Joffe sicher niemals bestreiten würde - bilden sich Preise
auf „freien“ Märkten nach Angebot und Nachfrage und nicht
etwa nach politischen Präferenzen oder Missliebigkeiten. Was
Joffe hier also so trunken feiert, ist ein ganz
offensichtlicher Beweis dafür, wie es um die Freiheit
unserer Märkte in Wahrheit bestellt ist. Sie glänzt nämlich
in nahezu allem, was uns heute umgibt, durch völlige
Abwesenheit. Nebenbei legt das auch offen, warum „freier Markt“
und „Kapitalismus“ keineswegs identisch sein können -
denn der Kapitalismus ist (leider) immer noch da.
Und
weiter. Wie kann es in Zeiten von „Peakoil“
(Überschreiten der Förderungsgipfels) sowie
deutlicher Anzeichen globaler Erwärmung überhaupt
möglich sein, dass der Preis des
knapper werdenden und von uns überwiegend umweltschädlich verwendeten Gutes Öl
von 150$ auf 60$ zurückfällt? Hier gibt es nur zwei
Möglichkeiten - und keine davon ist schmeichelhaft, weder
für Joffe noch für den Kapitalismus. Entweder raubte man
zuvor über einen künstlich hohen
Preis von 150$ die eigenen Bevölkerungen aus, oder
aber man manipuliert nun ein künstlich
niedrigen Preis herbei, um politisch missliebigen
Staaten einen Wirtschaftskrieg aufzuzwingen.
Auch
wenn das Zweite - zumindest für die Menschen hier - eher harmlos
daher zu kommen scheint. Dies ist mindestens so desaströs und
idiotisch, wie das allerschärfst gehebelte Verbriefungsderivat
im Finanzwesen. Wer mehr wissen will und Englisch kann - mal hier
reinschauen. Wohl einer Art Menschenhass verhaftet, wettert
Joffe in seiner ZEIT-Kanzel gegen Sozialprogramme - welche in
seinen Augen lediglich dazu dienen, das „Böse“ an der Macht
zu erhalten. Was denn, Herr Joffe, kann nur falsch daran sein, wenn
ein Chavez, statt Milliarden in die Taschen von EXXON
et alia zu schaufeln, diese unter der eigenen Bevölkerung
verteilt? Richtiger geht es doch kaum noch.
Die
Quintessenz das Joffeschen „Demokratischen Kapitalismus“
bleibt doch - Rettungsprogramme für
Banken: JA und Rettungsprogramme
für Menschen: NEIN. Aber auch Venzuelaner, Russen
oder Iraner sind Menschen - dies war
(scheinbar wohl aus Versehen...) zwischendurch mal
Konsens, sogar in ihrem Kapitalismus, Herr Joffe. Das war einmal.
Diese inzwischen weit verbreitete außerordentliche
Aggressivität des Kapitalismus ist längst motiviert
von panischer Angst. Besonders vor solchen Ländern,
die ihren (Rohstoff-)reichtum wenigstens halbwegs ehrlich an ihre
Bevölkerungen durch reichen - eben so
ganz anders als hier und sonstwo in der „westlichen“ Welt.
DAS
ist es, was nach der verqueren Denke von Joffe und seinem
Kapitalismus auf gar keinen Fall sein darf.
Der Reichtum eines Landes hat gefälligst, abgesehen von EXXON
et alia, bei assozialen Einzelsubjekten kumuliert zu
werden - DANN ist alles in Ordnung. Weil dieses Land dann nämlich
bestens in jenes System passt, was sonst fast überall auf der
Welt bereits herrscht. Da spielt es denn auch keine so große Rolle
mehr, ob die CIA mal in diesem Land Rauschgiftbaronen unter die Arme
greift oder in jenem Menschenhandel oder Umwelt- und sonstige
Schweinereien fördert.
Es
muss Manchem, der einst mal glaubte, supranationale Einrichtungen wie
die UN hätten irgendeinen machtrelevanten Stellenwert, gradezu
ins Herz stechen, wie Joffe selbst die UN für seine Propaganda
missbraucht. Anscheinend taugt sie ihm plötzlich wieder als
Argument. Tatsache indes ist: Erst fallen die USA - ohne jegliches
Mandat - dafür aber aufgrund eines inzwischen einwandfrei
nachgewiesenen Lügenmärchens in einen souveränen
Staat ein und pflügen ihn um. Dann installieren sie dort eine
Marionettenregierung, die erst ein Mandat für das Geschehene
herbeiführt. Na toll - irrer geht's nicht mehr. Nach
Bush's Dokrin von preventiver Kriegsführung gegen ein Phantom
könnten wir die UN als politische Instanz ersatzlos einstampfen,
Herr Joffe. Die Weltmacht Nr.1 degradierte sie aufgrund des
Kriegswahns der durchgeknallten Bush-Administration zur belanglosen
Quasselbude.
Doch
dies alles verkauft uns Herr Joffe nun als den so unglaublich starken
und achso freiheitlichen „Demokratischen Kapitalismus“, ich
zitiere, dessen: “...wahrer Reichtum nicht
auf Aktienpreisen und schon gar nicht auf Bodenschätzen beruht,
sondern auf »Software«: Demokratie, Freiheit, Kreativität
und, ja, Kapital...“. Warum dann nur setzt der Kapitalismus Himmel und Hölle in Bewegung, um an genau all das zu gelangen, was seinen Reichtum nach Joffe gar nicht ausmacht? Als die USA in den Irak einfielen,
waren weite Teile der Bevölkerung in Europa und ein großer
Teil der in den USA gegen diesen Krieg
- soviel zur Demokratie. Freiheit kann man
hierzulande bei Hartz-Empfängern
sowie bei rund 0,8% der
US-Bevölkerung (soviel sitzt aufgrund der unhaltbaren sozialen
Umstände dort gerade ein...) tagtäglich bewundern. Ein
enormes Maß an Kreativität liegt zweifelsfrei den
Credit Default Swaps und den
eratischen Zuckungen der Aktienmärkte
zugrunde, mit denen Millionen von Menschen um ihr Erspartes betrogen
wurden.
Herr
Joffe zählt (leider muss man sagen...) eben nicht zu jenen
Millionen Menschen die bei dieser „marginalen Systemstörung
des Kapitalismus“ ihre Altersvorsorge, ihr Heim und ihren Job
verloren - und wohl auch nicht zu den Millionen, die in der Welt
seines Kapitalismus allerorten noch dazustoßen werden. Aber er
scheint rettlungslos befallen von dieser gefährlichen (weil
langfristig artbedrohenden...) Krankheit, die sich wie
keine in der Menschheitsgeschichte tief in die Hirne der Menschen
gefressen hat. Wofür dieser
Artikel hier einen erschütternden Beleg abliefert. Was wohl
wäre die naheliegendste Konsequenz aus dem dort Erwähnten?
In Geldfragen lassen sich vielleicht deswegen so schwer vernünftige
Entscheidungen fällen, weil es - auch wenn es manchen
überraschen mag - ein Artefakt
ist... gemacht von Menschen und zu dem alleinigen Zweck,
andere übers Ohr zu hauen.
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