In den
letzten Jahren ist eine merkwürdige
Zunahme der Kritik an Darwins Evolutionstheorie zu verzeichnen. War
solches früher eher religiösen Fanatikern vorbehalten, scheint es
inzwischen sogar eine wachsende Anzahl Stimmen aus der Wissenschaft
zugeben, die an Darwins Theorien und ihren Nachfolgern zerren.
Prinzipiell ist in solchen Fällen für den modernen Menschen zwar
Gelassenheit angebracht, denn getreu dem naturwissenschaftlichen
Prinzip war bislang davon auszugehen, dass einer überholten Theorie
eine bessere, leistungsfähigere folgt. Leistungsfähiger deshalb,
weil sie uns ein besseres Verständnis der uns umgebenden Welt und
unseres Wirkens darin ermöglichen sollte.
Dieses in
den letzten 150 Jahren überaus bewährte Prinzip scheint nun ins
Wanken zu geraten. Aber es steht nirgendwo geschrieben,
dass Umstürze - wenn es auch "nur" wissenschaftliche sind
- zwangsläufig zu Besserem führen. Für Kenner mag das Schicksal
der antiken griechischen Philosophie und Naturwissenschaft um ca.
500-400 vor Christus als Mahnmal berufen sein. Schon einmal wurden
selbst aus heutiger Sicht noch fortschrittliche Lehren im Interesse
von ominösen Machtkulten umgestoßen. Stellvertretend für eine
Vielzahl subtiler Zusammenhänge mag hier in den Raum gestellt sein,
dass unsere zu damaliger Zeit bereits als sonnenumkreisender Ball
erkannte Erde nur wenige Jahrhunderte danach in ein tumbes Zeitalter
eintrat, wo sie für über anderthalb Jahrtausende zu einer
vernunftwidrigen Scheibe mutierte, um die sich dann auch noch das
gesamte Universum zu drehen hatte.
Anlass
genug, die aktuelle Entwicklung kritisch zu hinterfragen, gerade weil
zu befürchten steht, dass hier selbst Wissenschaftler sich ohne ihr
Wissen zum Erfüllungsgehilfen einer neuen, kranken Zeitgeistströmung
machen. Intelligent Design - eine nachgewiesen aus einschlägiger
Richtung inszenierte Neuauflage des noch deutlich erkennbar religiös
motivierten Kreatonismus der 50er Jahre. Gut erkennbar auch daran,
wem diese merkwürdige Strömung
zuerst ans Bein pinkelt: Darwin und seine Theorien waren schon zu
seinen Lebzeiten religiösen Gralshütern ein Dorn im Auge. Nach nun
über hundertfünfzig Jahren erfolglosen Anbrandens gegen die
bestechende Logik in Darwins Theorien und ihren Nachfahren will man
die Gunst der Stunde im gegenwärtig rückwärtsgerichteten geistigen
Klima für ein Rückschwingen des Pendels nun endlich beim Schopfe
fassen.
Anders als
der noch stark
biblisch angehauchte Kreatonismus kommt Intelligent Design scheinbar
in streng wissenschaftlichem Gewande daher. Und macht dann so überaus
sinnvolle Feststellungen wie diese: Darwins Theorie könne vielleicht
erklären, wieso Galapagos-Finken unterschiedliche Schnabelarten
haben, aber sie beantworte nicht die Frage, wieso der ganze Vogel
überhaupt da sei… Toll - gemessen an so einer Aussage kann man
jede naturwissenschaftliche Theorie gleich in den Mülleimer
schmeißen. Am Liebsten möchte man entgegnen: Wie bitte mag denn Intelligent Design
das ja so gar nicht ökonomische Vorhandensein
verschiedener Schnabelformen bei nur einer Tierart in einem
Mikro-Biotop erklären wollen? Aber "Intelligent Design"
soll ja nicht erklären, sondern widerlegen… *Auch das gab schon
reichlich: siehe Kirchengeschichte…*
Die
Prinzipien des scheinbar so wissenschaftlich daher kommenden
"Intelligent Design" leisten im Kern denn auch absolut
nichts anderes als die Auflösung jeglicher Erkenntnis. Nämlich in
der Weise, dass für alles Unerklärliche sogleich eine anonyme
"Intelligenz" auf den Plan gerufen wird, die das alles eben
"irgenwie" so gemacht habe,
dass es nun so sei. Die Protagonisten von ID indes vermeiden es
geradezu ängstlich, das Wort "Gott" mit dieser von ihnen
permanent strapazierten Intelligenz in Verbindung zu bringen. Diesen
letzten von vielen Kurzschlüssen überlassen sie dann lieber ihrem
von Jahrtausenden geistiger Umnachtung heute immer noch vorgeprägten
Publikum. Und sie finden - wen mag es im Zeitalter der
Wieder-Verblödung noch wundern - Zulauf dabei.
In einer
der wie stets professionell wie suggestiv aufgemotzen "Doku's"
aus dem englischen Sprachraum widmete man gleich einen erheblichen
Teil der Sendung einem uralten Brauch: nämlich dem aus längst vergangenen Jahrhunderten allerbestens bekannten "Gottesbeweis". Und
der geht ungefähr so. Man klaubt neueste Forschungserkenntnisse
zusammen, nach denen biologischer Aufbau und Funktionsweise der
Geißel von Geißeltierchen sich als faszinierende
biologische Maschine entpuppt. Wow - wirklich beeindruckend. Zwar
strotzen unsere gesamte biologische Umwelt und nicht zuletzt wir
selbst nur so von derartig genialen Konstruktionen, sodass das
Geißeltierchen in dieser Hinsicht nicht im Geringsten irgendetwas
Besonderes darstellt - aber darauf möchte man ja eher weniger
hinaus.
Stattdessen
erzeugt man im Computer (wozu die alles gut sein können…) ein 3-D
Modell des Geißel-Apparates, das sicherlich nicht zufällig einem
Außenbordmotor ähnelt. Für einen Motor nämlich werden viele
Zuseher zurecht beanspruchen, diesen primitiven mechanischen Apparat
wenigstens ein bischen zu verstehen (was natürlich keineswegs
für die Funktion der Geißel bei Flagellaten gilt…). Ist aber auch
nicht wichtig - denn das Motorabbild kommt grad recht für eine
völlig ohne jeden Nachweis in den Raum gestellte "Hilftstheorie":
diese Geißel sei nicht nur genial konstruiert, auch verkörpere sie
ein Minmalprinzip in dem Sinne, dass auch nicht das kleinste Bauteil
an ihr fehlen könne, ohne dass sie ihre Funktion vollständig
verlöre. Nun - frisch behauptet ist halb bewiesen. Den Beweis für
diese Aussage, die so im übrigen für die meisten biologischen
Mikrosysteme zutreffen dürfte, möchte ich jedenfalls nicht führen
müssen. Vollkommen verschwiegen wird indes die Tatsache, dass höhere
Lebensformen sehr wohl intensiv und überwiegend sogar nachweisbar
Gebrauch von Redundanz als überlebensförderlichem Prinzip machen.
Doch
weiter mit der Hilfstheorie. Aus dieser leitet man nun nicht weniger
unverfroren - und erneut logisch unzulässig - ab: es könne wegen
der "Hilfstheorie" für diesen Geißelapparat keine
Vorläufer gegeben haben, da es ja nichts mehr gebe, was an ihm
fehlen könne. Sodann wird gefolgert (zur Abwechslung zumindest im
Ansatz logisch): Wenn es keine Vorläufer gegeben haben kann, kann
dieser Mechanismus auch nicht durch die Evolution hervorgebracht
worden sein. Und nun folgt ein gänzlich bizarrer Kurzschluss: wenn
es nicht die Evolution war, die diese Maschine schuf, dann MUSS
Intelligent Design dahinter stecken. Dieses verbirgt sich in der
"Sprache des Lebens", der DNA, denn aus ihr bauen sich die
Organismen ja auf (was so auch nicht ganz zu stimmen scheint…). Und
wenn dies beim Geißeltierchen so ist, dann MUSS es zwingend bei
allen anderen Lebensformen auch so sein, denn sie alle sprechen ja in
etwa die gleiche Sprache des Lebens. Und schwupps - fertig ist der
Gottesbeweis, an dem nur noch die Gleichsetzung zwischen der anonymen
Schöpfer-Intelligenz und eben dem althergebrachten großen Bärtigen
fehlt.
Wow - dem
muss ein durchschnittlicher Schulabsolvent erst einmal was entgegen
setzen können. Motoren kennen viele Menschen zumindest etwas. Es
klingt einleuchtend: nimmt man da ein Bauteil raus, wird das Ding mit
hoher Wahrscheinlichkeit
nicht mehr funktionieren. Dass die Natur ihre Produkte nicht mit
AutoCAD entwickelt, hat sich offenbar noch nicht bis zu den
"Intelligenten Designern" rumgesprochen. Angesichts dieses
simplifizierten
- aber leider nicht unbedingt erkennbar - falschen - Bildes fügt
sich doch tatsächlich eine auf den ersten Blick überzeugend
wirkende Argumentationskette zusammen. Davon, dass in ihr nahezu
jeder Schritt von Verfälschung, Unwissenschaftlichkeit und
Verletzungen der Logik nur so strotzt, nimmt der Zuseher nichts wahr.
Stattdessen wird er überrollt mit Aussagen von irgendwelchen daher
gelaufenen Doktoren und Professoren und tollen Animationen aus dem
Bereich der Mikrobiologie. All das soll dem ganzen jenen Anstrich
verleihen, der der Kernargumentation so sehr abgeht: Anspruch auf
Wissenschaftlichkeit.
Doch wie
ist es nun mit der Geißel der Flagellaten? Die Antwort ist einfach.
Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Einzeller unbedingt
genau solche Apparate hervorbringen muss, wie wir sie auf unserem
heutigen - keineswegs vollständigen - Wissensstand von unserer
aktuellen biologischen Umwelt her kennen. Der Evolution selbst indes
ist es vollkommen wurscht, auf welche Weise sich Mikroben bewegen
oder Nahrung zufächeln können. Lediglich belohnt die Evolution
solche, die eines oder beides können, mit verbesserten
Überlebenschancen. Es gibt nun zahllose Lebensformen, die hierfür
keinen "Außenbordmotor" entwickelten, sondern vollkommen
anders geartete Apparate. Diese erfüllen aber die gleichen
Funktionen und siehe da: auch diese Arten überlebten.
Nun - ich
bin kein "Darwin-Vertreter" und bekomme nicht mal Geld für
meine Schreiberei. Doch ist Darwin - was immer auch kommen mag - ein
Tribut zu zollen. Er fegte die Kochküche unserer Herkunft frei von
all dem Schamott, der sich aus Jahrtausenden religiöser
Wahnvorstellungen dort angesammelt hatte. Da er seinerzeit zur
begüterten Elite gehörte konnte er diesen Weg gehen - wofür er
zeitlebens, und wie wir nun leider erneut erleben müssen - aus eben
genannter Richtung angefeindet wurde. Und er hat uns Menschen einen -
auch nach 150 Jahren noch - faszinierenden und logisch überaus
überzeugenden Wink hinterlassen, der weit über
die Evolutionstheorie an sich hinausgeht.
Der Wink
ist: mach es niemals so dermaßen "intelligent" wie
"Intelligent Design". Wenn Erklärung A aufgrund
irgendwelcher neuen Erkenntnisse nicht mehr trägt, bedeutet dies auf
gar keinen Fall, dass eine - in sich widersprüchliche und unlogische
Erklärung B automatisch richtig sein muss. Es ist bekannt, dass
Darwin zeitlebens von genau dieser Ahnung getrieben wurde - und
letztlich brachte er Großes hervor. Er wies nach, dass selbst kleine
oft unbeachtete Aspekte unserer Existenz auf lange Sicht stets einem
Prinzip untergeordnet bleiben. Nämlich dem Prinzip des Überlebens
einer Lebensform in ihrer jeweiligen Umwelt. Diese Erkenntnis bleibt
für einen Menschen mit den damaligen Mitteln und im damaligen
Geistesklima zumal, epochal. Und das muss im Darwin-Jahr auch mal
gesagt sein.
Das durch
ihn mit bewirkte
Geistesklima sollten wir uns bewahren und wenn irgendwann einmal
hergeben - dann gewiss nur für etwas
"Besseres". Intelligent Design ist dieses Bessere
keineswegs, denn Intelligent Design erklärt uns nichts. Rein gar
nichts - es schmückt sich lediglich mit Erkenntnissen aus der
naturwissenschaftlichen Methode, die es aufgrund seiner eigenen
Beschränktheit niemals hervorzubringen vermocht hätte, und die es in Wahrheit bekämpft. Ansonsten
bereitet es nur den geistigen Nährboden für ein neuerliches
finsteres Zeitalter, in dem es nämlich die Erkenntnis von
Zusammenhängen zugunsten irgendeiner anonymen Macht auflöst. Unsere
Lebensrealität und vor allem unsere durchgeknallte Wirtschaft bringt
es mit sich, dass die Bewerber für die Übernahme dieser vakanten
Macht längst Schlange stehen. "Schein-Wissenschaftlichkeit"
solch unterirdischer Art wird in der gegenwärtig wirren Zeiten immer
mehr zu einer ernst zu nehmenden Gefahr für jenen echten
Fortschritt, auf den heute knapp 7 Mrd Menschen auf diesem Planeten
existenziell angewiesen sind.
Jeder
Einzelne von uns hat es heute in der Hand. Nie zuvor gab es eine
Zeit, in der einfache Menschen sich so wie heute informieren konnten,
eine Zeit, in der sie so viel über die Welt, Sich und ihre
Mitmenschen erfahren konnten. Man muss
heute mit offenen Augen und kritischem Verstand durchs Leben gehen -
auch wenn das Handwerkszeug dazu in Schulen und Universitäten leider
immer weniger gelehrt wird. Wer ein gutes Leben für seine Kinder und
Enkelkinder will, der muss nicht nur Geld anhäufen. Vielmehr muss er
auch einen bewussten und schlauen Umgang der mit ihm zugänglichen
Information entwickeln und so seinen Beitrag dazu liefern, dass Wege
in eine richtige Richtung führen. Alles Geld nämlich wird nichts
nutzen, wenn die eingeschlagenen Wege falsch sind… wofür
Intelligent Design durchaus als leuchtendes Mahnmal gelten darf.
Intelligent
Design ist einfach bei Weitem nicht intelligent genug, um Darwin
widerlegen zu können. Das liegt ganz entscheidend
auch an den
archaischen Prinzipien, die diesem geistigen Backflash zugrunde
liegen. Lassen Sie sich nichts vormachen - für das Leben des
Durchschnittsbürgers spielt es ohnehin kaum eine Rolle, ob Darwin nun ganz, halb
oder gar nicht richtig lag. Aber was einmal als logisch gültig
erkannt ist, sollte man niemals - insbesondere nicht zugunsten einer
anonymen Intelligenz - wegschmeißen. Auch wenn die heutige Welt
einem Anderes suggeriert: Schließlich hat man ja immer noch auch
seine eigene Intelligenz! Es bleibt also dabei: Cogito - ergo sum. Ich denke - also bin
ich.
Nachtrag: falls sich wer fragt, worauf dieser Artikel sich bezieht... Hier der Link zum Film
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