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Satiraden

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Der ganz große Coup PDF Drucken E-Mail
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Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Mittwoch, 20. Oktober 2010
Es ist 2002 und Denkwürdiges tut sich in Deutschland: der Irak-Krieg zeichnet sich ab, das Land wird von PISA-Studie und Ökosteuer durchgerüttelt, im August lauert ein Jahrhunderthochwasser und obendrein hält der September die turnusmäßige Bundestagswahl bereit. Bundeskanzler Schröder (SPD) macht in Vielem eine ordentliche Figur und bringt letztlich einen ebenso hauchdünnen wie unerwarteten Wahlsieg zustande. Doch schon im Februar des Jahres ist jener Nagel eingeschlagen, an dem die politische Laufbahn des agilen Kanzlers bald hängen sollte. Im Zuge der aus dem Dunstkreis von Bertelsmann-McKinsey lancierten Agenda 2010 lässt er da nämlich eine Kommission ins Leben rufen, um die medial ramponierte Arbeitsvermittlung in Deutschland grundlegend zu "revolutionieren". Eine vollmundige Parole macht die Runde - in nur 4 Jahren werde man die Arbeitslosigkeit "halbieren". Unter Leitung des VW-Vorstands Peter Hartz nimmt eine illuster besetze Kommission ihre "Arbeit" auf. Hinter den Kulissen und wohl unter federführender Mitwirkung von McKinsey et alia beginnt man, die Brechstange zur Demontage des Sozialstaates zu schmieden. Vielen vielleicht weniger bekannt - sind deren verheerende Folgen keineswegs den Empfehlungen der Kommission "Moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt" allein zu "verdanken", sondern vielmehr war es deren gesetzliche Umsetzung, die hier - durchwoben von zahlreichen obskuren Einflüssen - das Unterfangen zu einem in Teilen verfassungswidrigen und nicht rechtskonformen Gesetzesbrei werden ließen. Kaum wiedergewählt, peitscht Schröder diesen nun - übrigens zusammen mit einigen für SPD-Politik sehr merkwürdigen Gesetzen - im ICE-Tempo sowohl durch seine Partei als dann durch die Parlamente. So ist es Anfang 2005 mit dem Inkrafttreten von "Hartz4" bereits vollbracht, noch bevor sich weder SPD noch Öffentlichkeit über die absehbaren Folgen auch nur ansatzweise im Klaren sind. Trotz des schon damals klar erkennbaren gesellschaftlichen Schadenspotentials regt sich nur mäßig Widerstand - nach einigen Monaten ebben die bundesweiten Demonstrationen gegen die Hartzgesetze ab, in deren Verlauf sich die WASG bildet. Interessanterweise reagiert Schröder darauf und schockt Land wie Genossen mit einer vorgezogenen Neuwahl für den Herbst 2005. Er kämpft wie ein Löwe und bringt das Unmögliche fast zustande - die SPD kommt noch einmal mit einem blauen Auge davon, obwohl das aus dem Boden gestampfte Wahlbündnis von PDS und WASG mit 8,7% in den Bundestag zieht. Im sehenswerten historischen Fernseh-Showdown nach der Wahl blitzt Merkwürdiges auf. Der Kanzler - offenbar völlig abgehoben - gibt seine letzte Show in deren Verlauf der massiv die Medien angreift. Doch es bleibt dabei - mit der Sendung enden dann auch gleich zwei Phänomene von Rot-Grün abrupt: Schröder und Fischer. Die schockstarre und nun auch noch führungslose SPD besiegelt kurz darauf ihr Schicksal. Man verschmäht die klar gewählte linke Mehrheit im Bundestag und begibt sich eine Verschleißkoalition unter Merkel. Unter subtiler "Anleitung" des Medienkartells war Belächeln zur gängigen Haltung gegenüber den Demonstranten und ihren Anliegen geworden. Dieses Lächeln dürfte so Manchem inzwischen vergangen sein. Losgetreten vom inzwischen auch schon reichlich losgelösten FDP-Chef Westerwelle und bis auf den Tag flankiert von subtiler Propaganda des Medienkartells - wird nun schon fast ein Jahr gestritten und lamentiert, ohne dass ein irgendwie konsensfähiges Ergebnis auch nur entfernt in Sichtweite geraten wäre. Wir wollen uns gar nicht erst lange an den vielfach unappetitlichen Details dieser "Irren-Diskussion" aufhalten, vielmehr wenden wir uns gleich direkt den inzwischen objektiv klar identifizierbaren Auswirkungen von Agenda und Hartz-Gesetzen zu.

 

Als Erstes befassen wir uns kurz mit all den seinerzeit beschworenen Segnungen, die dem Agenda-Werk mit dem zentralen Bestandteil Hartz-Gesetze nach seinerzeitiger Reklame ja anhaften sollten. Einige wenige Fragen reichen hier bereits zur völligen Ernüchterung - beginnen wir mit jener Führungsperson, die ihr politisches Schicksal auffällig oft mit den Agenda-Prozess verband:

Frage: Hatten Schröder. SPD oder Rot-Grün politischen Nutzen daraus ziehen können? - NEIN. Vielmehr durften Schröder und Kumpel Joschka rasch ihre Ehrenplätze auf den Elefantenfriedhof globaler Granden einnehmen, nachdem der Stab an CDU und Merkel weiter gereicht war. Die 2005 fast gleichstarke gewordene SPD darf noch bis 2009 als Juniorpartner im Sandkasten weiter spielen, während die Grünen sich etwas Oppositions-Urlaub gönnen durften.

Frage: Wurde die Arbeitslosigkeit halbiert oder auch nur signifikant gesenkt? - NEIN - keineswegs, und ganz besonders dann nicht, wenn man die wirklichen Zahlen und nicht die Phantasie-Gebilde unserer Machtelite zugrunde legt - die nichts unversucht lässt, uns ein wenigstens von der Tendenz her passendes Schein-Ergebnis einzureden.

Frage: Wurden arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger aus der Perspektivlosigkeit befreit? - NEIN, doch man tat etwas für sie: Damit die sich in ihrem gesellschaftlichen Ghetto nicht so einsam fühlen, gesellte man gleich einige Millionen "Langzeitarbeitsloser" zu ihnen - und das unter skandalösen Randbedingungen: anfängliche Niederstwerte und haarige Vorgaben in punkto Schonvermögen führten zu desaströser Verarmung bei Betroffenen - und kommen einer Vernichtung von Lebensleistung in ganz großem Stil gleich.

Frage: Wurde die Vermittlungsleistung des Arbeitsamtes - heute: Bundesagentur für Arbeit - verbessert? - NEIN - keine Spur davon: Nach wie vor ackert ein Heer von nicht weniger als 113.000 Bediensteten mit einem Budget von etwa 54 Mrd Euro an der gesellschaftlichen Kreis-Quadratur unserer hausgemachten Arbeitslosigkeit - allerdings mit einer ganz entscheidenden Änderung seit Hartz4: primär sind im Mittel nur noch rund 1,2 Mio Arbeitslose "erster Klasse" (ALG1) zu "betreuen" - während sämtliche schwierigeren Fälle in das ALG2 "ausgelagert" sind. Um Missverständnissen vorzubeugen: nicht einmal die Hälfte des Agentur-Budgets fließt ins Arbeitslosengeld1 (Eckdaten 2010: nur noch und 22 Mrd Euro Beitragseinahmen machen im angeblichen Boomjahr einen Bundeszuschuss von 13 Mrd! erforderlich). Das Arbeitslosengeld2 (Grundsicherung), worauf inzwischen mehr als 6 Millionen Mitbürger existentiell angewiesen sind, wird indes direkt aus dem Einzelplan 11 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bestritten (2010: 23,9 Mrd Euro). Wie 2002 schon sind diese Umstände nicht Schuld der Behörde selbst - sondern eher jener, die ihren Handlungsspielraum bestimmen und jener, die dies in der Behörde dann durchboxen.

Vor allem die Antwort zur letzten Frage lässt Hartz-Befürwortern nicht auch mehr nur noch einen Mikrometer verbleibenden Argumentationsraum: diese Gesetze gehen vollständig und in Gänze aber auch an jedem der seinerzeit kommunizierten Ziele vorbei. Von "Fordern und Fördern" blieb - wie absehbar - nur Fordern übrig. Wie die Zahlen oben deutlich machen: Es lag und liegt mitnichten ein Geldmangel vor und bis heute ist offenbar genügend Geld für Bankenrettung,  durchgeknallte Bahnhofsprojekte, Hotel-Sponsoring, sinnlose Kampfeinsätze und Chipkarten-Abenteuer da. Aber nein - hier wollte jemand um jeden Preis "Weltmeister" werden und schaffte es. Und zwar ein einer ganz besonderen Disziplin: rund sieben Jahre nach Einführung der Hartz-Gesetze verfügt Deutschland - inzwischen von der OECD sogar offiziell bestätigt - über das wohl teuerste und zugleich ineffizienteste Arbeitsmarkt-Instrumentarium weltweit.

"Ja - und warum haben wir sie dann immer noch (... diese Hartz-Gesetze)?" Genau dieser Frage wollen wir uns nun nähern. Ein erstes beachtliches Zitat findet sich schon bei Wikipedia: „Das vorrangige Motiv ist vor allem, Sozialausgaben einzusparen. Wir haben die hohe Arbeitslosigkeit, wir haben hohe Kosten durch die Arbeitslosigkeit. Das vorrangige Ziel ist einfach einzusparen. Der Wirtschaftsminister hat ja selber gesagt, dass die wichtigste Herausforderung für Arbeitsplätze Wirtschaftswachstum ist. Aber von den Hartz-Gesetzen – das wissen wir sicher – gehen keine Wachstumsimpulse aus, eher sogar eine Belastung. (…) Wir haben Berechnungen, dass die Arbeitsmarktreformen am Ende sogar ca. 100.000 Arbeitsplätze kosten können.“ meinte seinerzeit Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel in einem Tagesschau-Interview vom 2. Juli 2004 - und lag ganz gut mit dieser Einschätzung. Es ist dokumentiert (auch dank mancher Clement-Äußerung...), dass im Verlauf der öffentlich nie erklärten politischen Hinterzimmerabsprachen noch wesentlich höhere Einsparerwartungen ventiliert worden waren, als sich dann als wirklich realisierbar erwies.

Gleichwohl - im Vergleich zu dem vorigen System geriet Hartz4 trotzdem zu einem regelrechten Schnäppchen. Man "spart" bis heute um jeden Preis und koste es was es wolle. Es ist genau DAS einzig "Positive", was diese Reformen bislang überhaupt je geleistet haben - sofern man Sparen an Armen und Bedürftigen überhaupt als positiv begreifen mag. Vielmehr wird hier auf dem Rücken jener Menschen gespart, denen helfen zu wollen man zynischerweise vorgibt. Wie dieser Link hier klar macht, befanden sich die Kosten der Sozialhilfe 2003 ALLEIN schon fast auf dem Niveau dessen, was heute für Hartz4 aufgewendet wird - allerdings waren weitaus weniger Menschen betroffen.

Profiteure von Hartz indes befinden sich nicht unter den Leistungsempfängern. Beispielsweise sank ziemlich geräuschlos mit Hartz im Zuge der "Wegrationalisierung" der Arbeitslosenhilfe und ihrer Bezieher der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5% (bis 2006) auf heute 2,8% - allein ermöglicht durch die "Auslagerung" der Langzeitarbeitslosen. Zwar sorgte dies auch ein für einen minimalen Hauch des bei der FDP bis heute so beliebten "Mehr Netto vom Brutto" (was wegen fortgesetzter Lohnstagnation irgendwie ja auch nötig war...) aber vor allem sorgte es für spürbar niedrigere Arbeitskosten zum Wohle wirklich Bedürftiger: nämlich der Arbeitgeberschaft. Nun - 2011 wird der Beitrag 2011 auf 3% steigen und dem Mehr Netto vom Brutto wenden wir uns noch zu...

In diesem Zusammenhang rufe man sich allerdings noch einmal kurz den Bundeszuschuss an die Agentur für Arbeit in Erinnerung: 2010: 13 Mrd. Euro! (nach 17 Mrd. € in 2009!). Und all dies hauptsächlich für die relativ kleine Gruppe der Arbeitslosen erster Klasse. Was den betreffenden Menschen sicherlich jederzeit zu gönnen ist - aber dann doch einen bitteren Beigeschmack bezüglich der wirklich verfolgten Politik entwickelt, wenn zugleich die breite Masse sehr viel schwerer Leidtragender mit einem Almosen abgespeist werden soll - und über die dann auch noch permanent ein nicht enden wollender Malstrom abgrundtiefen Blödsinns aus unserem Medienkartell hinwegspült.

Dies lenkt nun die Aufmerksamkeit auf eine andere - eher weniger kommunizierte - Auswirkung des Hartz-"Anreiz"-Systems. In neuzeitlicher Zynik scheint das Wort "Anreiz" zum Synonym für Zwang gegenüber Armen geworden - während sich für Elitäre eher die Interpretation als "leistungslose Mitnahme" etabliert. Hartz4 ist bis heute das mit großem Abstand "abschreckendste" soziale Instrumentarium, welches diese Republik je gesehen hat. Vorbei an Recht und Verfassung wurde behördlicher Willkür nahezu unbegrenzt Tor und Tür geöffnet: ein veritabler Rundumschlag. Neue - weder durchdachte noch ins Rechtssystem integrierte Konstrukte (wie die "Bedarfsgemeinschaft", Beweislastumkehr, Nichtaufschiebende Wirkung von Widersprüchen, Sozialbetrug etc.) - wurden geschaffen, und es sind zigtausende Verfahren vor den Sozialgerichten anhängig - mit immer noch steigender Tendenz. Irgendwann einmal werden sie entschieden - überproportial häufig zwar zugunsten der Kläger, aber bis zum Urteil ist auf jeden Fall mal kräftig gespart worden. Dieser Link hier kann doch nur Kopfschütteln hervorrufen - und immer noch mag kaum jemand in dieser Elitenrepublik darin einen Mangel erkennen wollen - ganz besonders nicht in Parteien (mit Ausnahme der Linkspartei) und erst recht nicht in den Medien. Dass hier letztlich nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiele steht, als die Grundfesten unseres Rechtsstaates, ist den Wenigsten bewusst.

Vorläufiges Resultat bleibt indes: Viele Arbeitnehmer und ihre Familien leben heute in unterschwelliger Angst, irgendwann vielleicht doch einmal oder wieder auf dieses Verunsicherungssystem angewiesen zu sein. Ersparnis-Aufbrauch, Auflösung von kapitalbildenden Versicherungen, anfangs sogar Zwangsverkauf von Wohneigentum, zumindest aber meist ein Umzug drohen beim Durchschreiten des Tores in das frisch ausgebaute gesellschaftliche Ghetto. Mehrfache Ver- und Entschärfung der anfangs sehr harten Regeln allein bildet eigentlich schon einen verfassungsrelevanten Tatbestand, da hier Leistungsbezieher der ersten Jahre schwer - und inzwischen uneinholbar - benachteiligt worden sind, obwohl bis einschließlich heute nie eine haushaltsmäßig zwingende Notwendigkeit dazu bestand. Des weiteren blüht jedem Antragsteller ein ebenso absurdes wie fortgesetzt verschärftes Sanktions-Regime teilweise getrieben von einer unerträglichen Stigmatisierung im Rahmen der widerlichen Medien-Dauerkampagnen gegen diese Menschen. All dies natürlich zusätzlich zur der schweren Last, mit dem wenigen Geld der Grundsicherung überhaupt um die Runden zu kommen. Klares Fazit: die Hartzgesetze haben vor allem jene Menschen, die noch in Besitz eines Arbeitsplatzes sind, allerorts in der weltmeistergeilen Republik das Fürchten gelehrt.

Nun - man muss kein Wirtschaftsweiser sein, um von da aus dem die Witterung für den Stallgeruch von Agenda und Hartzgesetzen aufzunehmen. Nach den Jahren deren Bestehens müssten sich bei einem derart epochalen Coup, wie dieser Gesetzesmüll es darstellt, gemäß dem Prinzip "cui bono" (Wem nutzt es...), eindeutige Belege finden lassen. Und genau das ist in der Tat der Fall, wie die folgende Grafik zeigt:

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(Zum Vergrößern bitte anklicken...)

In dieser Grafik werden einige wichtige Größen aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechung für Deutschland in Beziehung zueinander gesetzt - und zwar in ihrer Entwicklung von 2000 bis zum 2. Quartal 2010 (sie wissen schon: in der aktuellen "Daily-Soap-Folklore" das "beste Quartal seit Menschen-Gedenken" und gemäß Wirtschaftsminister Brüderle (FDP) klarer Beleg für einen veritablen Aufschwung XXL im Lande...)

Sämtliche in der Grafik verwendeten Basiswerte stammen von destatis.de. Hinter dem etwas kryptischen Namen verbirgt sich die Webseite des Statistischen Bundesamtes und sie ist jedermann öffentlich zugänglich - so er bereit und fähig ist, sich in die etwas merkwürdige Bedienung dieser wichtigen Seiten hineinzufuchsen. Ich will nun dem ungläubigen Leser gerne das Zustandekommen der Grafik erläutern.

Es wurden die absoluten Quartals-Beträge für das BIP zugrunde gelegt, so wie sie das statistische Bundesamt seit Langem akribisch erfasst und publiziert (Nächster Termin: 12/23. November: Vorab/Detailmeldung für das Quartal III/2010). Für diese Grafik nehmen wir als Referenzbasis die Quartals-Zahlen des Jahres 2000. Anders als bei der in aktuellen "Eriwan"-Meldungen gern benutzten und meist völlig unverstandenen "Verkettung" von Prozentwerten über Jahre hinweg wird hier schlicht die Folge der absoluten Beträge zugrunde gelegt - die eben nicht so ohne Weiteres manipulierbar ist. Und dann erst - ganz zuletzt - werden die jeweiligen Abweichungen in Prozent im Vergleich zum entsprechenden Quartal des Jahres 2000 ermittelt. Siehe da: es fügt sich ein hoch interessantes Bild.

Das Wachstum der nominalen Beträge ist in der blassgrünen Kurve (o) als UVEK für das Einkommen aus Unternehmen und Vermögen, und in der blassgelben (o) als ANEK für das Arbeitnehmerentgelt aufgetragen. Bereits hier springt eine hohe Diskrepanz ins Auge, die präzise im Quartal 2003-I einsetzt, auch wenn alles sich wenigstens nominal noch im Positiven bewegt: seit 2003 explodieren die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen sichtlich und koppeln sich vollkommen vom Arbeitnehmereinkommen ab, dass da im eher unteren Bereich so vor sich dümpelt.

Nun - immerhin stehen wir hier vor einem 10-Jahres-Befund - und zu erwarten wäre - mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 - ein langsamer, einigermaßen stetiger Anstieg der saisonal schwankenden Werte. Den allerdings beobachten wir nur für das UVEK und es wird deutlich, wie sich Deutschland im internationalen Vergleich von der allgemeinen Lohnentwicklung der OECD längst abgekoppelt hat. Doch es kommt noch schlimmer. Denn bis jetzt haben wir es ja mit den erfassten Absolutbeträgen zu tun. Bekanntermaßen aber gilt: Preise steigen - wenn auch langsam, so doch stetig - und so darf man dies bei einer Betrachtung über 10 Jahre auf keinen Fall unberücksichtigt lassen. Aktuell gewinnt dieser Punkt gerade an Aktualität - denn die Regierung legt sich auffällig mächtig ins Zeug, Preiserhöhungen auf breiter Front herbei zu reden und regeln - na wenn man da mal nicht jemand auf ein kräftiges Scheinwachstum schielt. Die nächsten Kurven werden Ihnen das näher erklären...

Hierzu ziehen wir jetzt den Verbraucher-Preisindex des Statistischen Bundesamtes heran - und normieren ihn auf den Vergleichswert von 2000 (2000=100) was dann für 2010 einen Index von 117,1 ergibt. Bereinigt man die vorigen Kurven um die Preisentwicklung, so erhält man entsprechend die hellblaue Kurve (o) für das UVEK und die orange Kurve (o) für das ANEK. Es fällt sofort ins Auge: die komplette Aufschwung-Folklore outet sich sogleich als das, was sie für die Masse der Arbeitnehmer in Wahrheit seit 10 Jahren immer gewesen ist: haltlose Propaganda nämlich. Die orange Kurve befindet sich praktisch permanent bei Null bzw. seit 2003 zunehmend deutlicher im MINUS - und das nun schon 10 Jahre lang.

Zur Unterstreichung der Ergebnisse legen wir die Zahlen jetzt noch auf die Erwerbstätigenzahl um - wofür wir auf jene Zahlen zurückgreifen, die nach dem ILO-Konzept ermittelt sind und auch von destatis veröffentlicht werden. Dies tun wir mit gutem Grund - denn destatis schreibt selbst hierzu (Zitat): Die in den letzten Jahren von der Arbeitskräfteerhebung und von der Erwerbstätigenrechnung ermittelten Daten zur Erwerbstätigkeit in Deutschland unterscheiden sich beträchtlich voneinander. Durch zahlreiche Verbesserungen der Arbeitskräfteerhebung, insbesondere in Hinblick auf die Erfassung geringfügig Beschäftigter, konnten diese Abweichungen deutlich verringert, jedoch nicht vollständig beseitigt werden. Die genauen Gründe dafür sind weiterhin Gegenstand der aktuell laufenden Untersuchungen. Aha... interessant: es gibt also Abweichungen? Wer hätte das gedacht...

Für das Arbeitnehmerentgelt ist unser Ansatz jedenfalls brauchbar zur groben Abschätzung der bei Arbeitnehmern real bestehenden Verhältnisse. Saisonale Schwankungen nehmen wir im Gegenzug für authentische Zahlen, an denen es keine Zweifel gibt, gerne in Kauf. Natürlich existieren praktisch keine belastbaren Zahlen über die Anzahl jener, bei denen die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen schließlich so ankommen. Macht nichts - legen wir beim Berechnen das UVEK im Sinne der Vergleichbarkeit ebenfalls auf die gleiche Arbeitnehmerzahl um - was dann einen Anhaltswert dafür liefert, wieviel an Profit mit einem Arbeitsplatz im Mittel letztlich erwirtschaftet wird. Die Ergebnisse pro Arbeitnehmer findet sich dann also in der dunkelblauen (o) Kurve für das UVEK und in der roten (o) Kurve für das ANEK - ein Kurvenpaar, dass die Verteilung der erbrachten Wirtschaftsleistung recht anschaulich wiedergibt.

Der Vergleich zwischen roter und blauer Kurve beseitigt nun jeden Zweifel: es fand eine gigantische Umverteilung statt! Enorme Anstiege bei Gewinnen und Kapitaleinnahmen gegenüber verstetigten Einkommenseinbußen bei den Arbeitnehmern. So lag man im 2. Quartal 2010 preisbereinigt immer noch mehr als 4% unter dem Vergleichswert aus II/2000 - während trotz Finanz-und Wirtschaftskrise Unternehmes- und Vermögenseinkommen ihren Vergleichswert II/2000 um mehr als 18% überstiegen. DAS ist der faktische Kern der Wahrheit über Agenda und ihren zentralen Bestandteil Hartz-Gesetze, so wie es hier ungeschminkt sichtbar wird. Der Gesamtzusammenhang kristallisiert sich deutlich heraus - sogar der Zeitpunkt des Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur "Modernen Dienstleistung am Arbeitsmarkt" lässt sich quasi direkt ablesen: I. Quartal 2003!

Wenn man nun noch in Rechnung stellt, dass die Entwicklung beim Arbeitnehmerentgelt ja keineswegs homogen erfolgt, so verschärft dies die Entwicklung beachtlich. Denn klar ist: den durchaus auch vorhandenen Noch-Gutverdienern mit in aller Regel steigenden Real-Einkommen muss dann ja eine adäquate Menge solcher gegenüber stehen, deren Einkommen noch um einiges stärker gesunken sind, als es die auf Mittelwerten basierende Grafik sowieso schon ausweist. Wir versuchen hier, entsprechende Daten zur Mit-Erfassung dieser Entwicklung zusammengetragen...

Auch wirft die Grafik einen bedenklich langen Schatten auf einen weiteren gesellschaftlichen Funktionsträger: die Gewerkschaften. Wie kann es eigentlich überhaupt sein, dass Gewerkschafter so bereitwillig an der Demontage ihrer eigenen Existenzberechtigung mitwirken? Nun - ohne jeden Zweifel waren ja einige hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre in der ersten Reihe (Böswillige würden vielleicht formulieren: in Handaufhalt-Reichweite...) mit von der Partie. Die Verurteilung wegen Untreue in 44 Fällen für das seinerzeitige SPD- und IG Metall-Mitglied Peter Hartz mag hier Manchem sicherlich als Hinweis auf die Art so manchen Rades gelten, das da im Verborgenen gedreht worden sein könnte.

Zur Ehrenrettung redlicher Gewerkschafter sei festgehalten - die Auswirkungen der Hartz-Gesetze stellen ihrer tatsächlichen Natur nach einen direkten Stoß in das Herz von Gewerkschaften dar, der so ohne weiteres vielleicht nicht für alle vorhersehbar gewesen sein mag. Einfluss im Vorfeld war hier ohnehin nur wenigen Spitzenfunktionären gegeben. Inzwischen ist das Kind im Brunnen längst ertrunken. Was können oder sollen Gewerkschaften heute denn noch ausrichten, wenn gleich ganze Belegschaften der Streikunlust zum Opfer fallen, weil untergründig die nackte Angst vor Arbeitsplatzverlust und Hartz umgeht? Tatsache jedenfalls bleibt, dass sich erhebliche Teile der heutigen Linkspartei aus Kreisen ehemaliger SPD- und Gewerkschaftsmitglieder rekrutieren. Und weitere Tatsache bleibt auch - der Mainstream der damals noch mächtigeren Gewerkschaften stand auffällig ruhig im Abseits, als 2004/2005 die Demonstrationswelle durch Deutschland schwappte. Und so wird man nun wohl warten müssen, bis sich herumgesprochen hat, dass Angst auf Dauer noch nie ein guter Ratgeber war - das kann durchaus noch dauern.

So jedenfalls mutierten die Gewerkschaften hierzulande nach oder vielleicht auch zusammen mit der Demontage der SPD von innen zum zahnlosen Tiger - der sich zwar noch engagiert und eloquent im medialen Gerangel wie im Abgeben von Lippenbekenntnissen gibt, aber offenbar nicht mehr wirklich willens oder fähig ist, in der Sache ernsthaft Widerstand zu leisten - wie es aktuell vermehrt in einigen anderen EU-Ländern (noch) geschieht. Dieser Bruch gewerkschaftlicher Macht wiederum kommt natürlich direkt einer Seite zu gute: und zwar genau jener, die schon durch die immens hohen Berge in der Grafik auffällt. Die schwere Schlagseite im gesellschaftlichen Verteilungsgerangel könnte sich so noch weiter verschärfen...

Besonders gerne - und zwar bis zum Erbrechen - wiederdudelt indes das Medienkartell immer noch den Dauer-Vorwurf an das Millionenheer der Langzeitarbeitslosen: Ihr macht nichts gegen Eure Arbeitslosigkeit! Aber was eigentlich ist mit über 40+x, 50 und mehr Wochenstunden zuzüglich Überstunden (sogar zunehmend unbezahlte...) bei jenen, die noch Arbeit haben? Und das in Zeiten, wo der rasante Produktivitätsfortschritt Arbeit ohnehin zu einem knapper werdenden Gut macht. Wer prangert diese volkswirtschaftliche Idiotie an? Dies wird wenig thematisiert und Viele mögen davon auch nichts hören - und der Grund ist klar: Wenn das Real-Einkommen erst mal kaum noch steigt oder gar schon sinkt, nimmt man die eine oder andere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen eben doch - schon beinahe dankbar - in Kauf.

Hören darüber aber will man lieber nichts - hat es doch irgendwo schon etwas Peinliches, sich bei der Selbstausbeutung ertappen zu lassen. Unumstößlich jedenfalls steht im Raum: bei einer einigermaßen wirksam durchgesetzten 35-Stunden-Woche würde das Hartz-Drama durch Abwesenheit glänzen. Was dann natürlich auch die Abwesenheit des Angst-Szenarios einschlösse. Dieses wiederum ist gleichsam ein Hydrant für sprudelnde Profite und daher darf diese schlichte Tatsache auf gar keinen Fall zum Allgemeinwissen werden - und so müht sich unser Medien-Kartell rührend um die permanente Verbreitung mal mehr mal weniger absurder Zerstreuung und Ablenkung vom Wesentlichen.

Neben einer ebenso dümmlich wie regelmäßig daher kommenden Aufschwungs-Folklore kommt da das hierzulande offenbar genetisch fest codierte Zeigen mit dem Finger auf andere doch wie gerufen. Um wieviel besser, als sich mit Selbstkritik zu plagen, lässt es sich doch darüber lamentieren, ob strunzdumme, versoffene und dazu auch noch freche Hartzler nun in der Lage sind, ihre Kinder zu erziehen oder ihren Haushalt zu führen. Mitunter gar betreiben üppigst versorgte Prommis - natürlich unter medialer Begleitung - Variationen von ein paar Stunden Abenteuer-Urlaub im Ghetto und kehren - welch Wunder - stets mit ähnlich lautender Erkenntnis zurück: Diese Menschen machen eben alles falsch... Sehr gut macht sich allerdings auch - weil es ebenfalls niemand System-Relevanten wirklich schadet, die gerade anbrechende entsetzliche Integrations-Diskussion. Und falls diese Dauerbrenner dann mal ausgelullert sind, könnte man sich ja noch das Roma-Thema von den Franzosen ausborgen... usw. usw.

Letztlich - und leider muss man sagen - erstrahlt hier die Brillianz der McKinsey-Arbeit erst im Verbund mit medialer Desinformation so richtig zu ihrem vollen Glanz: Entgegen Merkel-Neusprech galt zwar immer schon unwiderlegbar: Arbeitszeitverlängerung kann logisch immer und stets vor allem nur Eines zur Folge haben: Weniger Arbeitsplätze. Und verschwundene Arbeitsplätze wiederum verstetigen zwingend die offiziell nie dagewesenen Nebenwirkungen der Hartzgesetze, die auch im Durchsetzen der nicht sonderlich geliebten Leih- und Zeitarbeit von allergrößtem Wert waren. Ebenso gilt: fehlende Mindestlöhne in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit müssen Geringverdiener zwingend an den Rand des Existenzminimums und darunter drücken. Es zählt zu den wahren Real-Tragödien des anbrechenden Jahrtausends, dass die Masse der deutschen Arbeitnehmer diese im Grunde trivialen Zusammenhänge bis heute immer noch nicht verstanden hat. Die schier chaotischen Verhältnisse auf dem Schlachtfeld Mindestlohn in unserem Ex-Export-Weltmeister-Kombinat unterstreichen das mehr als eindringlich - in Zusammenhang mit der bevorstehenden grenzenlosen Dienstleistungsfreiheit in der EU könnte sich dieses neu-germanische Knechtschaftsmodell gar noch zum Export-Schlager entwickeln... 

Liebe LeserInnen: Prägen Sie sich diese Grafik bitte gut ein - denn sie zeigt auch, von welchem Stoff (die amtierende Kanzlerin sprach dereinst ja mal von "Schmierstoff"...) auch die vielschichtig laufenden aktuellen Diskussionen um unsere Sozialversicherungen in Wahrheit durchweht sind - schließlich finanzieren diese sich zum überwiegenden Teil (wie im übrigen auch das tatsächliche Steueraufkommen...) aus den kleineren und mittleren Einkommen der Lohnarbeit. Vergessen Sie in diesem Zusammenhang keinesfalls die lachhafte 5 Euro-Offerte an die Leidtragenden des großen Coup (ich bleibe dabei - man sollte sie ablehnen...) und die Rösler-Pläne (interessanter Link hierzu) zur Kopfpauschale und Kostenerstattungs-System. Behalten Sie im Hinterkopf: vor allem Kranken- und Rentenversicherung wären ein Jahrhundertgeschäft für die private Assekuranz -  was dann allerdings  später mal auf die Beitragszahlung dorthin am Ende wirklich folgt, steht in den Sternen (siehe Enron, AIG etc.). So haben Sie unbedingt ein wachsames Auge auf die an vielen Fronten aufziehenden teilweise saftigen Preiserhöhungen sowie Beitrags- und Leistungsmodifikationen.

Gerade in diesem Report konnten sie ja quasi live mit erleben, wie unerwartet sich selbst moderate Preissteigerungen auf längere Zeit betrachtet  schon auswirken können. Lassen sie sich nicht von aktuell im Gespräch befindlichen "Lohnerhöhungen" blenden - erstens müssen die erst mal da sein - und zweitens stehen denen bereits jetzt schon Preis- und Abgabenerhöhungen in mindestens gleichem Umfang gegenüber. Vergessen Sie nie: Bankenrettung sowie in Kommunen und anderswo verzockte Milliarden wollen schließlich wieder herein geholt sein - und noch immer holte man es letztlich bei dem, der sich nicht oder kaum noch wehren kann... oder eben bei dem, der noch in dem Wahn lebt, hier ginge alles mit rechten Dingen zu. Lassen Sie sich von der ostentativen Blödheit der alltäglichen Jubelpropaganda nicht hinters Licht führen - die maßgeblichen Methoden der Täuschung in diesem Lande sind höchst subtil, hinterhältig und vernetzt - sie lassen sich nur realisieren, wenn sie von einem obskuren Geflecht kleiner, aber mittel- und einflussreicher Gruppen getragen sind. Die Entstehung der Agenda 2010 und ihres Kernbestandteils Hartzgesetze liefert grandioses Anschauungsmaterial dazu.

Übrigens - wer Interesse an genaueren Details hinsichtlich der Entwicklung der Grafik hat, möge bitte eine Mail unter "Kontakt" im Top-Menu senden. Eine Präsentation, die  Basisdaten und den Entstehungsgang der Grafik detailliert vorstellt, ist in Vorbereitung und wird nach Fertigstellung an alle Einsender verschickt werden... (selbstverständlich kostenlos!).

 

 


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