Es
ist 2002 und Denkwürdiges tut sich in Deutschland: der Irak-Krieg
zeichnet sich ab, das Land wird von PISA-Studie und Ökosteuer
durchgerüttelt, im August lauert ein Jahrhunderthochwasser und
obendrein hält der September die turnusmäßige Bundestagswahl
bereit. Bundeskanzler Schröder (SPD) macht in Vielem eine
ordentliche Figur und bringt letztlich einen ebenso hauchdünnen wie
unerwarteten Wahlsieg zustande. Doch schon im Februar des Jahres ist
jener Nagel eingeschlagen, an dem die politische Laufbahn des agilen
Kanzlers bald hängen sollte. Im Zuge der aus dem Dunstkreis von
Bertelsmann-McKinsey lancierten Agenda
2010 lässt er da nämlich eine Kommission ins Leben rufen, um
die medial ramponierte Arbeitsvermittlung in Deutschland grundlegend
zu "revolutionieren". Eine vollmundige Parole macht die
Runde - in nur 4 Jahren werde man die Arbeitslosigkeit
"halbieren". Unter Leitung des VW-Vorstands Peter Hartz
nimmt eine illuster besetze Kommission ihre "Arbeit" auf.
Hinter den Kulissen und wohl unter federführender Mitwirkung von
McKinsey et alia beginnt man, die Brechstange zur Demontage des
Sozialstaates zu schmieden. Vielen vielleicht weniger bekannt - sind
deren verheerende Folgen keineswegs den Empfehlungen der Kommission
"Moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt" allein zu
"verdanken", sondern vielmehr war es deren gesetzliche
Umsetzung, die hier - durchwoben von zahlreichen obskuren Einflüssen
- das Unterfangen zu einem in Teilen verfassungswidrigen und nicht
rechtskonformen Gesetzesbrei werden ließen. Kaum wiedergewählt,
peitscht Schröder diesen nun - übrigens zusammen mit einigen für
SPD-Politik sehr merkwürdigen Gesetzen - im ICE-Tempo sowohl durch
seine Partei als dann durch die Parlamente. So ist es Anfang 2005 mit
dem Inkrafttreten von "Hartz4" bereits vollbracht, noch
bevor sich weder SPD noch Öffentlichkeit über die absehbaren Folgen
auch nur ansatzweise im Klaren sind. Trotz des schon damals klar
erkennbaren gesellschaftlichen Schadenspotentials regt sich nur mäßig
Widerstand - nach einigen Monaten ebben die bundesweiten
Demonstrationen gegen die Hartzgesetze ab, in deren Verlauf sich die
WASG bildet. Interessanterweise reagiert Schröder darauf und schockt
Land wie Genossen mit einer vorgezogenen Neuwahl für den Herbst
2005. Er kämpft wie ein Löwe und bringt das Unmögliche fast
zustande - die SPD kommt noch einmal mit einem blauen Auge davon,
obwohl das aus dem Boden gestampfte Wahlbündnis von PDS und WASG mit
8,7% in den Bundestag zieht. Im sehenswerten historischen
Fernseh-Showdown
nach der Wahl blitzt Merkwürdiges auf. Der Kanzler - offenbar völlig
abgehoben - gibt seine letzte Show in deren Verlauf der massiv die
Medien angreift. Doch es bleibt dabei - mit der Sendung enden dann auch
gleich zwei Phänomene von Rot-Grün abrupt: Schröder und Fischer. Die
schockstarre und nun auch noch führungslose SPD besiegelt kurz
darauf ihr Schicksal. Man verschmäht die klar gewählte linke
Mehrheit im Bundestag und begibt sich eine Verschleißkoalition unter
Merkel. Unter subtiler "Anleitung" des Medienkartells war
Belächeln zur gängigen Haltung gegenüber den Demonstranten und
ihren Anliegen geworden. Dieses Lächeln dürfte so Manchem
inzwischen vergangen sein. Losgetreten vom inzwischen auch schon
reichlich losgelösten FDP-Chef Westerwelle und bis auf den Tag
flankiert von subtiler Propaganda des Medienkartells - wird nun schon
fast ein Jahr gestritten und lamentiert, ohne dass ein irgendwie
konsensfähiges Ergebnis auch nur entfernt in Sichtweite geraten
wäre. Wir wollen uns gar nicht erst lange an den vielfach
unappetitlichen Details dieser "Irren-Diskussion"
aufhalten, vielmehr wenden wir uns gleich direkt den inzwischen
objektiv klar identifizierbaren Auswirkungen von Agenda und
Hartz-Gesetzen zu.
Als
Erstes befassen wir uns kurz mit all den seinerzeit beschworenen
Segnungen, die dem Agenda-Werk mit dem zentralen Bestandteil
Hartz-Gesetze nach seinerzeitiger Reklame ja anhaften sollten.
Einige wenige Fragen reichen hier bereits zur völligen Ernüchterung - beginnen wir mit jener Führungsperson, die ihr politisches
Schicksal auffällig oft mit den Agenda-Prozess verband:
Frage:
Hatten Schröder. SPD oder Rot-Grün politischen Nutzen daraus ziehen
können? - NEIN. Vielmehr durften Schröder
und Kumpel Joschka rasch ihre Ehrenplätze auf den Elefantenfriedhof
globaler Granden einnehmen, nachdem der Stab an CDU und Merkel weiter
gereicht war. Die 2005 fast gleichstarke gewordene SPD darf noch bis 2009 als Juniorpartner im
Sandkasten weiter spielen, während die Grünen sich etwas Oppositions-Urlaub gönnen durften.
Frage:
Wurde die Arbeitslosigkeit halbiert oder auch nur signifikant
gesenkt? - NEIN - keineswegs, und ganz besonders dann nicht,
wenn man die wirklichen Zahlen und nicht die Phantasie-Gebilde
unserer Machtelite zugrunde legt - die nichts unversucht lässt, uns ein wenigstens von der Tendenz her passendes Schein-Ergebnis einzureden.
Frage:
Wurden arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger aus der
Perspektivlosigkeit befreit? - NEIN, doch man tat etwas für sie:
Damit die sich in ihrem gesellschaftlichen Ghetto nicht so einsam
fühlen, gesellte man gleich einige Millionen "Langzeitarbeitsloser" zu
ihnen - und das unter skandalösen Randbedingungen: anfängliche
Niederstwerte und haarige Vorgaben in punkto Schonvermögen führten
zu desaströser Verarmung bei Betroffenen - und kommen einer
Vernichtung von Lebensleistung in ganz großem Stil gleich.
Frage:
Wurde die Vermittlungsleistung des Arbeitsamtes - heute:
Bundesagentur für Arbeit - verbessert? - NEIN - keine Spur davon:
Nach wie vor ackert ein Heer von nicht weniger als 113.000
Bediensteten mit einem Budget von etwa 54 Mrd Euro an der
gesellschaftlichen Kreis-Quadratur unserer hausgemachten
Arbeitslosigkeit - allerdings mit einer ganz entscheidenden Änderung
seit Hartz4: primär sind im Mittel nur noch rund 1,2 Mio
Arbeitslose "erster Klasse" (ALG1) zu "betreuen"
- während sämtliche schwierigeren Fälle in das ALG2 "ausgelagert"
sind. Um Missverständnissen vorzubeugen: nicht einmal die Hälfte
des Agentur-Budgets fließt ins Arbeitslosengeld1 (Eckdaten 2010:
nur noch und 22 Mrd Euro Beitragseinahmen machen im angeblichen Boomjahr einen Bundeszuschuss von 13 Mrd! erforderlich).
Das Arbeitslosengeld2 (Grundsicherung), worauf inzwischen mehr als 6
Millionen Mitbürger existentiell angewiesen sind, wird indes direkt
aus dem Einzelplan 11 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales
(BMAS) bestritten (2010: 23,9 Mrd Euro). Wie 2002 schon sind diese Umstände nicht Schuld der Behörde selbst - sondern eher jener, die ihren Handlungsspielraum bestimmen und jener, die dies in der Behörde dann durchboxen.
Vor
allem die Antwort zur letzten Frage lässt Hartz-Befürwortern nicht
auch mehr nur noch einen Mikrometer verbleibenden
Argumentationsraum: diese Gesetze gehen vollständig und in Gänze
aber auch an jedem der seinerzeit kommunizierten Ziele vorbei. Von
"Fordern und Fördern" blieb - wie absehbar - nur Fordern
übrig. Wie die Zahlen oben deutlich machen: Es lag
und liegt mitnichten ein Geldmangel vor und bis heute ist offenbar genügend
Geld für Bankenrettung, durchgeknallte Bahnhofsprojekte, Hotel-Sponsoring, sinnlose Kampfeinsätze
und Chipkarten-Abenteuer da. Aber nein - hier wollte jemand um jeden
Preis "Weltmeister" werden und schaffte es. Und zwar ein
einer ganz besonderen Disziplin: rund sieben Jahre nach Einführung
der Hartz-Gesetze verfügt Deutschland - inzwischen von der
OECD sogar offiziell bestätigt - über das wohl teuerste und zugleich
ineffizienteste Arbeitsmarkt-Instrumentarium weltweit.
"Ja
- und warum haben wir sie dann immer noch (... diese Hartz-Gesetze)?"
Genau dieser Frage wollen wir uns nun nähern. Ein erstes
beachtliches Zitat findet sich schon bei Wikipedia:
„Das vorrangige Motiv ist vor allem,
Sozialausgaben einzusparen.
Wir haben die hohe Arbeitslosigkeit, wir haben hohe Kosten durch die
Arbeitslosigkeit. Das
vorrangige Ziel ist einfach einzusparen.
Der Wirtschaftsminister hat ja selber gesagt, dass die wichtigste
Herausforderung für Arbeitsplätze Wirtschaftswachstum ist. Aber von
den Hartz-Gesetzen – das wissen wir sicher – gehen keine
Wachstumsimpulse aus, eher
sogar eine Belastung. (…) Wir haben Berechnungen, dass die
Arbeitsmarktreformen am Ende sogar ca. 100.000 Arbeitsplätze kosten
können.“ meinte seinerzeit
Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel in einem
Tagesschau-Interview vom 2. Juli 2004 - und lag ganz gut mit dieser
Einschätzung. Es ist dokumentiert (auch dank mancher
Clement-Äußerung...), dass im Verlauf der öffentlich nie erklärten
politischen Hinterzimmerabsprachen noch wesentlich höhere
Einsparerwartungen ventiliert worden waren, als sich dann als wirklich
realisierbar erwies.
Gleichwohl
- im Vergleich zu dem vorigen System geriet Hartz4 trotzdem zu einem
regelrechten Schnäppchen. Man "spart" bis heute um jeden Preis und koste
es was es wolle. Es ist genau DAS einzig "Positive", was diese Reformen
bislang überhaupt je geleistet haben - sofern man Sparen an Armen
und Bedürftigen überhaupt als positiv begreifen mag. Vielmehr wird
hier auf dem Rücken jener Menschen gespart, denen helfen zu wollen
man zynischerweise vorgibt. Wie dieser Link
hier klar macht, befanden sich die Kosten der Sozialhilfe 2003 ALLEIN
schon fast auf dem Niveau dessen, was heute für Hartz4 aufgewendet
wird - allerdings waren weitaus weniger Menschen betroffen.
Profiteure von Hartz indes befinden sich nicht unter den Leistungsempfängern. Beispielsweise sank ziemlich geräuschlos mit Hartz im Zuge der
"Wegrationalisierung" der Arbeitslosenhilfe und ihrer
Bezieher der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5% (bis 2006)
auf heute 2,8% - allein ermöglicht durch die "Auslagerung"
der Langzeitarbeitslosen. Zwar sorgte dies auch ein für einen minimalen Hauch des bei
der FDP bis heute so beliebten "Mehr Netto vom Brutto" (was
wegen fortgesetzter Lohnstagnation irgendwie ja auch nötig war...)
aber vor allem sorgte es für spürbar niedrigere Arbeitskosten zum
Wohle wirklich Bedürftiger: nämlich der
Arbeitgeberschaft. Nun - 2011 wird der Beitrag 2011 auf 3% steigen und dem Mehr Netto vom Brutto wenden wir uns noch zu...
In
diesem Zusammenhang rufe man sich allerdings noch einmal kurz den
Bundeszuschuss an die Agentur für Arbeit in Erinnerung: 2010: 13
Mrd. Euro! (nach 17 Mrd. € in 2009!). Und all dies
hauptsächlich für die relativ kleine Gruppe der Arbeitslosen
erster Klasse. Was den betreffenden Menschen sicherlich jederzeit zu gönnen ist -
aber dann doch einen bitteren Beigeschmack bezüglich der wirklich verfolgten Politik entwickelt, wenn
zugleich die breite Masse sehr viel schwerer Leidtragender mit einem
Almosen abgespeist werden soll - und über die dann auch noch permanent ein nicht
enden wollender Malstrom abgrundtiefen Blödsinns aus unserem
Medienkartell hinwegspült.
Dies lenkt nun die Aufmerksamkeit auf eine andere - eher weniger
kommunizierte - Auswirkung des Hartz-"Anreiz"-Systems. In neuzeitlicher Zynik scheint das Wort "Anreiz" zum Synonym für Zwang gegenüber Armen geworden - während sich für Elitäre eher die Interpretation als "leistungslose Mitnahme" etabliert. Hartz4 ist bis heute
das mit großem Abstand "abschreckendste" soziale
Instrumentarium, welches diese Republik je gesehen hat. Vorbei an
Recht und Verfassung wurde behördlicher Willkür nahezu unbegrenzt
Tor und Tür geöffnet: ein veritabler Rundumschlag. Neue - weder
durchdachte noch ins Rechtssystem integrierte Konstrukte (wie die
"Bedarfsgemeinschaft", Beweislastumkehr, Nichtaufschiebende Wirkung von Widersprüchen, Sozialbetrug etc.) - wurden geschaffen,
und es sind zigtausende Verfahren vor den Sozialgerichten anhängig -
mit immer noch steigender Tendenz. Irgendwann einmal werden sie
entschieden - überproportial häufig zwar zugunsten der Kläger,
aber bis zum Urteil ist auf jeden Fall mal kräftig gespart worden.
Dieser Link
hier kann doch nur Kopfschütteln hervorrufen - und immer noch
mag kaum jemand in dieser Elitenrepublik darin einen Mangel erkennen
wollen - ganz besonders nicht in Parteien (mit Ausnahme der
Linkspartei) und erst recht nicht in den Medien. Dass hier letztlich
nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiele steht, als die
Grundfesten unseres Rechtsstaates, ist den Wenigsten bewusst.
Vorläufiges
Resultat bleibt indes: Viele Arbeitnehmer und ihre Familien leben
heute in unterschwelliger Angst, irgendwann vielleicht doch einmal oder
wieder auf dieses Verunsicherungssystem angewiesen zu sein.
Ersparnis-Aufbrauch, Auflösung von kapitalbildenden Versicherungen,
anfangs sogar Zwangsverkauf von Wohneigentum, zumindest aber meist ein Umzug drohen beim
Durchschreiten des Tores in das frisch ausgebaute gesellschaftliche
Ghetto. Mehrfache Ver- und Entschärfung der anfangs sehr harten Regeln
allein bildet eigentlich schon einen verfassungsrelevanten
Tatbestand, da hier Leistungsbezieher der ersten Jahre schwer - und
inzwischen uneinholbar - benachteiligt worden sind, obwohl bis
einschließlich heute nie eine haushaltsmäßig zwingende Notwendigkeit
dazu bestand. Des weiteren blüht jedem Antragsteller ein ebenso absurdes wie fortgesetzt
verschärftes Sanktions-Regime teilweise getrieben von einer unerträglichen Stigmatisierung im
Rahmen der widerlichen Medien-Dauerkampagnen gegen diese Menschen. All
dies natürlich zusätzlich zur der schweren Last, mit dem wenigen Geld
der Grundsicherung überhaupt um die Runden zu kommen. Klares Fazit:
die Hartzgesetze haben vor allem jene Menschen, die noch in Besitz
eines Arbeitsplatzes sind, allerorts in der weltmeistergeilen
Republik das Fürchten gelehrt.
Nun
- man muss kein Wirtschaftsweiser sein, um von da aus dem die
Witterung für den Stallgeruch von Agenda und
Hartzgesetzen aufzunehmen. Nach den Jahren deren Bestehens müssten
sich bei einem derart epochalen Coup, wie dieser Gesetzesmüll es
darstellt, gemäß dem Prinzip "cui bono" (Wem nutzt es...),
eindeutige Belege finden lassen. Und genau das ist in der Tat
der Fall, wie die folgende Grafik zeigt:
(Zum Vergrößern bitte anklicken...)
In
dieser Grafik werden einige wichtige Größen aus der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechung für Deutschland in Beziehung
zueinander gesetzt - und zwar in ihrer Entwicklung von 2000 bis zum
2. Quartal 2010 (sie wissen schon: in der
aktuellen "Daily-Soap-Folklore" das "beste Quartal
seit Menschen-Gedenken" und gemäß Wirtschaftsminister Brüderle
(FDP) klarer Beleg für einen veritablen Aufschwung
XXL im Lande...)
Sämtliche
in der Grafik verwendeten Basiswerte stammen von destatis.de.
Hinter dem etwas kryptischen Namen verbirgt sich die Webseite des
Statistischen Bundesamtes und sie ist jedermann öffentlich
zugänglich - so er bereit und fähig ist, sich in die etwas
merkwürdige Bedienung dieser wichtigen Seiten hineinzufuchsen. Ich
will nun dem ungläubigen Leser gerne das Zustandekommen der Grafik
erläutern.
Es
wurden die absoluten Quartals-Beträge für das BIP zugrunde
gelegt, so wie sie das statistische Bundesamt seit Langem akribisch
erfasst und publiziert (Nächster Termin: 12/23. November:
Vorab/Detailmeldung für das Quartal III/2010). Für diese Grafik
nehmen wir als Referenzbasis die Quartals-Zahlen des Jahres 2000.
Anders als bei der in aktuellen "Eriwan"-Meldungen gern
benutzten und meist völlig unverstandenen "Verkettung" von
Prozentwerten über Jahre hinweg wird hier schlicht die Folge der
absoluten Beträge zugrunde gelegt - die eben nicht so ohne Weiteres
manipulierbar ist. Und dann erst - ganz zuletzt - werden die
jeweiligen Abweichungen in Prozent im Vergleich zum entsprechenden
Quartal des Jahres 2000 ermittelt. Siehe da: es fügt sich ein hoch
interessantes Bild.
Das
Wachstum der nominalen Beträge ist in der blassgrünen Kurve (o)
als UVEK für das Einkommen aus Unternehmen und Vermögen, und
in der blassgelben (o) als ANEK
für das Arbeitnehmerentgelt aufgetragen. Bereits hier springt eine
hohe Diskrepanz ins Auge, die präzise im Quartal 2003-I einsetzt,
auch wenn alles sich wenigstens nominal noch im Positiven bewegt:
seit 2003 explodieren die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen
sichtlich und koppeln sich vollkommen vom Arbeitnehmereinkommen ab,
dass da im eher unteren Bereich so vor sich dümpelt.
Nun
- immerhin stehen wir hier vor einem 10-Jahres-Befund - und zu erwarten wäre - mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 - ein langsamer, einigermaßen stetiger Anstieg der saisonal schwankenden Werte. Den allerdings beobachten wir nur für das UVEK und es wird
deutlich, wie sich Deutschland im internationalen Vergleich von der
allgemeinen Lohnentwicklung der OECD längst abgekoppelt hat. Doch es
kommt noch schlimmer. Denn bis jetzt haben wir es ja mit den
erfassten Absolutbeträgen zu tun. Bekanntermaßen aber gilt: Preise steigen - wenn auch langsam, so doch stetig - und so darf man dies bei
einer Betrachtung über 10 Jahre auf keinen Fall unberücksichtigt
lassen. Aktuell gewinnt dieser Punkt gerade an Aktualität -
denn die Regierung legt sich auffällig mächtig ins Zeug,
Preiserhöhungen auf breiter Front herbei zu reden und regeln - na wenn man da mal nicht jemand auf ein kräftiges Scheinwachstum schielt. Die
nächsten Kurven werden Ihnen das näher erklären...
Hierzu
ziehen wir jetzt den Verbraucher-Preisindex des Statistischen
Bundesamtes heran - und normieren ihn auf den Vergleichswert von 2000
(2000=100) was dann für 2010 einen Index von 117,1 ergibt.
Bereinigt man die vorigen Kurven um die Preisentwicklung, so erhält
man entsprechend die hellblaue Kurve (o)
für das UVEK und die orange Kurve (o)
für das ANEK. Es fällt sofort ins Auge: die komplette
Aufschwung-Folklore outet sich sogleich als das, was sie für die
Masse der Arbeitnehmer in Wahrheit seit 10 Jahren immer gewesen ist:
haltlose Propaganda nämlich. Die orange Kurve befindet sich
praktisch permanent bei Null bzw. seit 2003 zunehmend deutlicher im
MINUS - und das nun schon 10 Jahre lang.
Zur
Unterstreichung der Ergebnisse legen wir die Zahlen jetzt noch auf
die Erwerbstätigenzahl um - wofür wir auf jene Zahlen
zurückgreifen, die nach dem ILO-Konzept ermittelt sind und auch von
destatis veröffentlicht werden. Dies tun wir mit gutem Grund - denn
destatis schreibt selbst hierzu (Zitat): Die
in den letzten Jahren von der Arbeitskräfteerhebung und von der
Erwerbstätigenrechnung ermittelten Daten zur Erwerbstätigkeit in
Deutschland unterscheiden sich beträchtlich voneinander. Durch
zahlreiche Verbesserungen der Arbeitskräfteerhebung, insbesondere in
Hinblick auf die Erfassung geringfügig Beschäftigter, konnten diese
Abweichungen deutlich verringert, jedoch nicht vollständig beseitigt
werden. Die genauen Gründe
dafür sind weiterhin Gegenstand der aktuell laufenden
Untersuchungen. Aha...
interessant: es gibt also Abweichungen? Wer hätte das gedacht...
Für
das Arbeitnehmerentgelt ist unser Ansatz jedenfalls brauchbar zur
groben Abschätzung der bei Arbeitnehmern real bestehenden
Verhältnisse. Saisonale Schwankungen nehmen wir im Gegenzug für
authentische Zahlen, an denen es keine Zweifel gibt, gerne in Kauf.
Natürlich existieren praktisch keine belastbaren Zahlen über die
Anzahl jener, bei denen die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen
schließlich so ankommen. Macht nichts - legen wir beim Berechnen das
UVEK im Sinne der Vergleichbarkeit ebenfalls auf die gleiche
Arbeitnehmerzahl um - was dann einen Anhaltswert dafür liefert,
wieviel an Profit mit einem Arbeitsplatz im Mittel letztlich
erwirtschaftet wird. Die Ergebnisse pro Arbeitnehmer findet sich dann
also in der dunkelblauen (o)
Kurve für das UVEK und in der roten (o)
Kurve für das ANEK - ein Kurvenpaar, dass die Verteilung der
erbrachten Wirtschaftsleistung recht anschaulich wiedergibt.
Der
Vergleich zwischen roter und blauer Kurve beseitigt nun jeden
Zweifel: es fand eine gigantische Umverteilung statt! Enorme Anstiege
bei Gewinnen und Kapitaleinnahmen gegenüber verstetigten
Einkommenseinbußen bei den Arbeitnehmern. So lag man im 2. Quartal
2010 preisbereinigt immer noch mehr als 4% unter dem
Vergleichswert aus II/2000 - während trotz Finanz-und
Wirtschaftskrise Unternehmes- und Vermögenseinkommen ihren
Vergleichswert II/2000 um mehr als 18% überstiegen. DAS ist
der faktische Kern der Wahrheit über Agenda und ihren zentralen
Bestandteil Hartz-Gesetze, so wie es hier ungeschminkt sichtbar wird.
Der Gesamtzusammenhang kristallisiert sich deutlich heraus - sogar
der Zeitpunkt des Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur
"Modernen Dienstleistung am Arbeitsmarkt" lässt sich quasi
direkt ablesen: I. Quartal 2003!
Wenn
man nun noch in Rechnung stellt, dass die Entwicklung beim
Arbeitnehmerentgelt ja keineswegs homogen erfolgt, so verschärft
dies die Entwicklung beachtlich. Denn klar ist: den durchaus auch
vorhandenen Noch-Gutverdienern mit in aller Regel steigenden
Real-Einkommen muss dann ja eine adäquate Menge solcher gegenüber
stehen, deren Einkommen noch um einiges stärker gesunken sind, als
es die auf Mittelwerten basierende Grafik sowieso schon ausweist. Wir
versuchen hier, entsprechende Daten zur Mit-Erfassung dieser
Entwicklung zusammengetragen...
Auch wirft die Grafik einen bedenklich langen Schatten auf einen
weiteren gesellschaftlichen Funktionsträger: die Gewerkschaften. Wie
kann es eigentlich überhaupt sein, dass Gewerkschafter so
bereitwillig an der Demontage ihrer eigenen Existenzberechtigung
mitwirken? Nun - ohne jeden Zweifel waren ja einige hochrangige
Gewerkschaftsfunktionäre in der ersten Reihe (Böswillige würden
vielleicht formulieren: in Handaufhalt-Reichweite...) mit von der
Partie. Die Verurteilung wegen Untreue in 44 Fällen für das
seinerzeitige SPD- und IG Metall-Mitglied Peter Hartz mag hier
Manchem sicherlich als Hinweis auf die Art so manchen Rades
gelten, das da im Verborgenen gedreht worden sein könnte.
Zur
Ehrenrettung redlicher Gewerkschafter sei festgehalten - die
Auswirkungen der Hartz-Gesetze stellen ihrer tatsächlichen Natur
nach einen direkten Stoß in das Herz von Gewerkschaften dar, der so
ohne weiteres vielleicht nicht für alle vorhersehbar gewesen sein
mag. Einfluss im Vorfeld war hier ohnehin nur wenigen
Spitzenfunktionären gegeben. Inzwischen ist das Kind im
Brunnen längst ertrunken. Was können oder sollen Gewerkschaften heute denn
noch ausrichten, wenn gleich ganze Belegschaften der Streikunlust zum
Opfer fallen, weil untergründig die nackte Angst vor
Arbeitsplatzverlust und Hartz umgeht? Tatsache jedenfalls bleibt,
dass sich erhebliche Teile der heutigen Linkspartei aus Kreisen
ehemaliger SPD- und Gewerkschaftsmitglieder rekrutieren. Und weitere
Tatsache bleibt auch - der Mainstream der damals noch mächtigeren
Gewerkschaften stand auffällig ruhig im Abseits, als 2004/2005 die
Demonstrationswelle durch Deutschland schwappte. Und so wird man nun
wohl warten müssen, bis sich herumgesprochen hat, dass Angst auf
Dauer noch nie ein guter Ratgeber war - das kann durchaus noch
dauern.
So
jedenfalls mutierten die Gewerkschaften hierzulande nach oder
vielleicht auch zusammen mit der Demontage der SPD von innen zum
zahnlosen Tiger - der sich zwar noch engagiert und eloquent im
medialen Gerangel wie im Abgeben von Lippenbekenntnissen gibt, aber
offenbar nicht mehr wirklich willens oder fähig ist, in der Sache
ernsthaft Widerstand zu leisten - wie es aktuell vermehrt in einigen
anderen EU-Ländern (noch) geschieht. Dieser Bruch gewerkschaftlicher
Macht wiederum kommt natürlich direkt einer Seite zu gute: und zwar
genau jener, die schon durch die immens hohen Berge in der Grafik
auffällt. Die schwere Schlagseite im gesellschaftlichen
Verteilungsgerangel könnte sich so noch weiter verschärfen...
Besonders
gerne - und zwar bis zum Erbrechen - wiederdudelt indes das
Medienkartell immer noch den Dauer-Vorwurf an das Millionenheer der
Langzeitarbeitslosen: Ihr macht nichts gegen Eure Arbeitslosigkeit!
Aber was eigentlich ist mit über 40+x, 50 und mehr Wochenstunden
zuzüglich Überstunden (sogar zunehmend unbezahlte...) bei jenen, die noch Arbeit haben? Und das
in Zeiten, wo der rasante Produktivitätsfortschritt Arbeit ohnehin
zu einem knapper werdenden Gut macht. Wer prangert diese
volkswirtschaftliche Idiotie an? Dies wird wenig thematisiert und
Viele mögen davon auch nichts hören - und der Grund ist klar: Wenn
das Real-Einkommen erst mal kaum noch steigt oder gar schon sinkt, nimmt
man die eine oder andere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen eben
doch - schon beinahe dankbar - in Kauf.
Hören
darüber aber will man lieber nichts - hat es doch irgendwo schon
etwas Peinliches, sich bei der Selbstausbeutung ertappen zu
lassen. Unumstößlich jedenfalls steht im Raum: bei einer
einigermaßen wirksam durchgesetzten 35-Stunden-Woche würde das Hartz-Drama durch Abwesenheit glänzen. Was dann natürlich auch die Abwesenheit des Angst-Szenarios einschlösse. Dieses wiederum ist gleichsam ein Hydrant für sprudelnde Profite und daher darf diese schlichte Tatsache auf gar keinen Fall zum Allgemeinwissen werden - und so
müht sich unser Medien-Kartell rührend um die permanente Verbreitung mal mehr mal weniger absurder Zerstreuung und Ablenkung vom Wesentlichen.
Neben
einer ebenso dümmlich wie regelmäßig daher kommenden Aufschwungs-Folklore kommt da das hierzulande
offenbar genetisch fest codierte Zeigen mit dem Finger auf andere
doch wie gerufen. Um wieviel besser, als sich mit Selbstkritik zu
plagen, lässt es sich doch darüber lamentieren, ob strunzdumme,
versoffene und dazu auch noch freche Hartzler nun in der Lage sind,
ihre Kinder zu erziehen oder ihren Haushalt zu führen. Mitunter gar betreiben üppigst versorgte Prommis - natürlich unter medialer Begleitung - Variationen von ein paar Stunden Abenteuer-Urlaub im Ghetto und kehren - welch Wunder - stets mit ähnlich lautender Erkenntnis zurück: Diese
Menschen machen eben alles falsch... Sehr gut macht sich allerdings auch -
weil es ebenfalls niemand System-Relevanten wirklich schadet, die
gerade anbrechende entsetzliche Integrations-Diskussion. Und falls
diese Dauerbrenner dann mal ausgelullert sind, könnte man sich ja
noch das Roma-Thema von den Franzosen ausborgen... usw. usw.
Letztlich
- und leider muss man sagen - erstrahlt hier die Brillianz der
McKinsey-Arbeit erst im Verbund mit medialer Desinformation so
richtig zu ihrem vollen Glanz: Entgegen Merkel-Neusprech galt zwar
immer schon unwiderlegbar: Arbeitszeitverlängerung kann logisch
immer und stets vor allem nur Eines zur Folge haben: Weniger Arbeitsplätze.
Und verschwundene Arbeitsplätze wiederum verstetigen zwingend
die offiziell nie dagewesenen Nebenwirkungen der Hartzgesetze, die auch im Durchsetzen der nicht sonderlich geliebten Leih- und Zeitarbeit von allergrößtem Wert waren. Ebenso gilt: fehlende Mindestlöhne in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit
müssen Geringverdiener zwingend an den Rand des Existenzminimums und darunter
drücken. Es zählt zu den wahren Real-Tragödien des anbrechenden
Jahrtausends, dass die Masse der deutschen Arbeitnehmer diese im
Grunde trivialen Zusammenhänge bis heute immer noch nicht verstanden
hat. Die schier chaotischen Verhältnisse auf dem Schlachtfeld
Mindestlohn in unserem Ex-Export-Weltmeister-Kombinat
unterstreichen das mehr als eindringlich - in Zusammenhang mit der
bevorstehenden grenzenlosen Dienstleistungsfreiheit in der EU könnte sich dieses neu-germanische Knechtschaftsmodell gar noch zum Export-Schlager entwickeln...
Liebe
LeserInnen: Prägen Sie sich diese Grafik bitte gut ein - denn sie
zeigt auch, von welchem Stoff (die amtierende Kanzlerin sprach
dereinst ja mal von "Schmierstoff"...) auch die
vielschichtig laufenden aktuellen Diskussionen um unsere Sozialversicherungen
in Wahrheit durchweht sind - schließlich finanzieren diese sich zum
überwiegenden Teil (wie im übrigen auch das tatsächliche
Steueraufkommen...) aus den kleineren und mittleren Einkommen der
Lohnarbeit. Vergessen Sie in diesem Zusammenhang keinesfalls die
lachhafte 5 Euro-Offerte an die Leidtragenden des großen Coup
(ich bleibe dabei - man sollte sie ablehnen...) und die Rösler-Pläne
(interessanter
Link hierzu) zur Kopfpauschale und Kostenerstattungs-System. Behalten Sie im Hinterkopf: vor allem Kranken- und Rentenversicherung wären ein Jahrhundertgeschäft für die private Assekuranz - was dann allerdings später mal auf die Beitragszahlung dorthin am Ende wirklich folgt, steht in den Sternen (siehe Enron, AIG etc.). So
haben Sie unbedingt ein wachsames Auge auf die an vielen Fronten
aufziehenden teilweise saftigen Preiserhöhungen sowie Beitrags- und
Leistungsmodifikationen.
Gerade
in diesem Report konnten sie ja quasi live mit erleben, wie
unerwartet sich selbst moderate Preissteigerungen auf längere Zeit
betrachtet schon auswirken können. Lassen sie sich nicht von aktuell im Gespräch befindlichen "Lohnerhöhungen" blenden - erstens müssen die erst mal da sein - und zweitens stehen denen bereits
jetzt schon Preis- und Abgabenerhöhungen in mindestens gleichem
Umfang gegenüber. Vergessen Sie nie: Bankenrettung sowie in Kommunen
und anderswo verzockte Milliarden wollen schließlich wieder herein
geholt sein - und noch immer holte man es letztlich bei dem, der sich
nicht oder kaum noch wehren kann... oder eben bei dem, der noch in dem Wahn lebt, hier
ginge alles mit rechten Dingen zu. Lassen Sie sich von der
ostentativen Blödheit der alltäglichen Jubelpropaganda nicht
hinters Licht führen - die maßgeblichen Methoden der Täuschung in
diesem Lande sind höchst subtil, hinterhältig und vernetzt - sie lassen sich nur realisieren,
wenn sie von einem obskuren Geflecht kleiner, aber mittel- und einflussreicher
Gruppen getragen sind. Die Entstehung der Agenda 2010 und ihres
Kernbestandteils Hartzgesetze liefert grandioses Anschauungsmaterial
dazu.
Übrigens
- wer Interesse an genaueren Details hinsichtlich der Entwicklung der
Grafik hat, möge bitte eine Mail unter "Kontakt" im
Top-Menu senden. Eine Präsentation, die Basisdaten und den Entstehungsgang der Grafik detailliert vorstellt, ist in Vorbereitung und wird nach Fertigstellung an alle Einsender verschickt
werden... (selbstverständlich kostenlos!).
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