Grad so, als gäbe des den Besorgnis erregenden Schwund in der Wahlbeteiligung nicht bundesweit, führt manch Parteivertreter dies hier gerne darauf zurück, dass die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern heuer erstmals als eigenständige Veranstaltung und nicht parallel zu einer Bundestagswahl stattfindet. Das mag zwar gewiss eine Rolle spielen, am Gesamttrend hin zu rapide sinkender Wahlbeteiligung hingegen ändert dies nichts.
Interessanterweise fanden sich auf der Webseite des Landeswahlleiters für Vergleichszahlen aus 2002 keine absoluten Zahlen, sondern nur Prozentangaben für die Ergebnisse der Parteien. Zufall? Wir haben halt schnell mal nachgerechnet. Ohnehin ist die Frage zu stellen, wieso man bei Wahlanalysen in dieser Republik so gerne über Prozentzahlen diskutiert, was eher nur die halbe Wahrheit widerspiegelt. Die Antwort liegt auf der Hand - angesichts der absoluten Zahlen gerät die Siegeslyrik mancher Parteivertreter doch eher auf das Niveau von Waschmittelwerbung.
Ich möchte dem Leser die Interpretation der Zahlen auch wieder weitgehend selbst überlassen, und nur einige Anmerkungen mitgeben.
Gut 150.000 Wähler mehr als 2002 waren es in Mecklenburg-Vorpommern, die ihrem Bundesland diesmal den Wahldienst versagten. Nicht zuletzt machte auch das es der NPD dort umso leichter, ein für ihre Verhältnisse glänzendes Wahlergebnis hin zu legen und in den Landtag einzuziehen.
Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) hat in dem sturkturschwachen Bundesland sicher keinen einfachen Job, den er seit 2001 in einer rot-roten Koalition mit der Linkspartei.PDS versieht. Im Gegensatz zu Berlin scheint es hier primär die SPD, die die Prügel für die Regierungspolitik im Lande einsteckt. Bei der Linkspartei halten sich die Wählerverluste in Grenzen, wohingegen die FDP stark zulegen kann. Die Union unter Führung des bodenständigen Landrats Jürgen Seidel kann indes nicht wirklich vom SPD-Debakel profitieren und für die Grünen scheint Meck-Pom ein ohnehin schwieriges Pflaster zu sein - sie konnen ihre Position aber wenigstens etwas ausbauen.
Wahlsieger neben der FDP ist in Mecklenburg-Vorpommern klar die NPD. Ihr gelingt es, das rechte Wählerpotential des Jahres 2002 mehr als zu verdoppeln und den eigenen Stimmanteil gar zu versiebenfachen(!) - und das trotz weiterer Konkurrenz auf dem rechten Flügel. Hier ging also die Protestwahl des Bürgers in eine wesentlich andere Richtung als in Berlin.
Wie In Berlin gab es zwar auch hier einen konkurrierenden Antritt von PDS und WASG. Doch scheint die WASG als Protestpartei in MV überhaupt nicht angekommen. Die bevorstehende Fusion mit der Linkspartei.PDS mag ihr übriges dazu beigetragen haben, dass sich nur gut 4.000 Wähler für die Partei der sozialen Gerechtigkeit entscheiden mochten. Weiterer Grund: Der WASG-Landesverband dort zählt nur etwa 140 Leute - die zudem noch erheblicher fusionsbedingter Spannung ausgesetzt waren und ihren eigenen Wahlantritt dem Bundesvorstand der WASG erst abtrotzen mussten.
Prinzipiell ähneln die Resultate der sonstigen Kleinparteien denen in Berlin - Zulauf für Familien- und Rentnerparteien. Offenbar aber waren alle kleinen Bewerber hier zu schwach und konturlos, um mehr Protest-Potential an sich binden zu können. Hierin ist wohl eine der Ursachen für den Erfolg der NPD zu suchen - es erhebt sich die Frage, ob dieser Rechtsruck in Mecklenburg-Vorpommern von Bestand sein wird. Bislang jedenfalls vermochte die parlamentarische Arbeit von rechten Parteien in Landesparlamenten nicht dauerhaft zu überzeugen. Ein Naturgesetz jedoch ist dies nicht.
Zu Entwarnung besteht nicht wirklich Anlass - schließlich ist das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern weiter von schweren Problemen geplagt und die großkoalitionäre Bundespolitik lässt kaum eine Entspannung der Lage erwarten. Ringstorff könnte zwar so eben noch mit der PDS weiter regieren - doch wirft deren noch ausstehende Reaktion auf das Wahlergebnis dieses Wochenendes nicht zu unterschätzende Schatten auf diese Perspektive. Möglicherweise und gerade angesichts des vehementen Auflebens der Rechten wäre er mit einer Hinwendung zu einer großen Koalition vielleicht besser beraten. Schließlich bindet die Union rechtes Wählerpotential wesentlich besser, als die derzeitige Linkspartei Protestwähler anzuziehen vermag.
CogitoSum
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