Seite 3 von 5
Gesundsheitsreform heute Dass die vorangegangenen Reformen nicht fruchten können, war eigentlich von vornherein klar - entsetzlich ist aus heutiger Sicht allein das Ausmaß, in dem die den Armen und Zwangsversicherten zugemuteten Mehrleistungen und Leistungsverzichte vom "System" völlig wirkungslos absorbiert wurden und schon wieder prescht das System auf erhebliche Milliarden-Defizite zu.
Dass dies vor allem Politikern der SPD die Zornesröte ins Gesicht treiben muss, ist klar und aus dieser Perspektive ist wohl auch der gegenwärtige Reformvorschlag zu verstehen. Diesmal ließ die Politik sich nicht ganz den Schneid abkaufen - auch wenn der Vorschlag zunächst harmlos wirkt. Es soll ein bundesweiter einheitlicher Fond her, zu dem die Beitragsvereinnahmung verlagert werden soll und aus dem, aufgepeppt durch Steuermittel, dann die Kassen ihre Mittel erhalten. Nur noch in sehr begrenztem Rahmen dürfen diese, und auch nur bei entsprechender Lage, Zusatzbeiträge bei den Beitragspflichtigen abkassieren.
Ziel dieses Vorschlags scheint im Kern, die Staatsmacht erst einmal überhaupt wieder in die Ausgangslage zu bringen, signifikanten Einfluss auf das System nehmen zu können. Es hatte den Autor schon überrascht, dass die große Koalition sich im Juli 2006 auf einen solchen Vorschlag verständigen konnte. Und wieder waren es bestimmte Professoren, diesmal der schon häufiger verhängnisvoll tätig gewordene Prof. Bert Rürup, die an diesem Plan sogleich etwas zum Herumnörgeln fanden.
Seine Alarmrufe indes blieben, wie wir aktuell sehen, nicht ungehört. Der heilsame Wettbewerb unter den Krankenkassen, der sich scheinbar, wenn überhaupt auf irgendetwas, dann bestenfalls segensreich auf die Einkünfte der Krankenkassenbosse auswirkte, sei ob des bösen Plans kaum eingeführt nunmehr schon wieder in Gefahr. Den offenbar recht gut ausgetretenen Pfaden realen Machtflusses in unserer heutigen Gesellschaft folgend kam es so wohl, zwar mit Verspätung aber dafür umso nachhaltiger, zur aktuellen Revolte der Ministerpräsidenten.
Man hatte Merkel schon bei Amtsantritt prophezeit, dass genau hierin eine der größten Herausforderungen an ihre Kanzlerschaft liegen würde. Allein die Frage, wieso sich Ministerpräsidenten so sehr in dieser Frage engagieren, bedarf noch näherer Betrachtung. Die Schmidt-Reform gab den Krankenkassen mehr freie Hand in ihrer Beitragsgestaltung. Versicherungsbeiträge errechnen sich größtenteils aus den Verhältnissen zwischen Beitragsaufkommen und Risikoentwicklung. Nahe liegend, dass sich da in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit sehr viel ungünstigere Relationen ergeben als in den Musterländles - erst recht bei den gesetzlich zur Aufnahme verpflichteten AOK's. Aufgabe des gesetzlich vorgesehenen Risiko-Struktur-Ausgleichs zwischen den Krankenkassen war es immer schon, solche Unterschiede aus zu gleichen. In einer Art Dauerverhandlung wird so fortwährend Geld zwischen unseren über 200 Krankenkassen hin- und her verschoben, was schon in der Vergangenheit Beschwer für manch Landesfürsten eines starken Landes war. Dies würde der Gesundheitsfond nun grundlegend ändern. Es griffe eine ebenso einfache wie knallharte bundesweite Arithmetik mit nur noch wenig Einfluss für Landesfürsten und andere Beteiligte - und selbst der Notausgang, der sogenannte Zusatzbeitrag, ist mit der im Moment noch vorgesehenen 1%-Grenze praktisch zugemauert.
Die Befürchtung mancher Länder scheint, dass ihre Arbeitnehmer nun mehr als bisher zum bundesweiten Struktur-Ausgleich herangezogen werden könnten, was gesamtgesellchaftlich nur sinnvoll sein kann. Dies hätte zur Folge, dass mehr als bisher auch in wirtschaftlich besser gestellten Ländern die Beitragssätze der Krankenversicherung unter Druck geraten - und damit natürlich auch die Lohnnebenkosten, womit man, nicht ganz zu Unrecht, ein Risiko für den regionalen Arbeitsmarkt assoziiert.
Mehr als der konkrete Gegenstand jedoch, belegen solche Haltungen, wie weit wir es mit unserem Gemeinwesen schon gebracht haben. Da möchte z.B. ein Land wie Bayern gesundheitspolitisch am liebsten so tun, als gehöre es schon gar nicht mehr zur Bundesrepublik, obwohl seine Wirtschaft mehr als die anderer Bundesländer von Bundesaufträgen profitiert. Möglichst viel nehmen und möglichst wenig geben scheint die überall herrschende Devise - dass so "kein Staat zu machen ist", scheint weder Bayern noch andere wenig kümmern.
Man kann nur hoffen, dass die Bundespolitik solche Ansinnen abblockt - und endlich mal ihre Primat voll ausspielt. Selten wurde die Notwendigkeit zu einer Förderalismus-Reform so deutlich wie in diesem Fall. Es kann und darf nicht angehen, dass nach der EU nun auch noch in Bundesländern unterschiedliche Verhältnisse in Grundfragen sozialer Sicherung Einzug halten - die Folgen dessen kennen wir bereits: ein ruinöser Wettbewerb der Sozialsysteme, wo immer nur zwei die Dummen bleiben - nämlich das Zwangsmitglied und der auf Leistungen des Systems existenziell angewiesene arme Mensch.
Der gegenwärtige Reformentwurf ist sicher nicht der ganz große Wurf - aber er enthält zumindest ein paar wichtige Ansätze in die richtige und wohl auch einzig mögliche Richtung. Wer ein staatliches Gesundheitswesen in Deutschland erhalten möchte - was alle ausser der FDP vorgeben zu wollen - der muss sich auch in die Lasten eines solchen Systems fügen. Besser, als den richtigen Weg zum wiederholten Male zu verwässern und damit zu einer erneuten Lachnummer á la Schmidt-Reform verkommen zu lassen, wäre es da wohl, gleich noch ein paar Schritte mehr in die richtige Richtung zu tun.
|