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6. Fazit
Mit unserem groben Rechenmodell haben wir eine Reise fast durch ein Jahrhundert unternommen. Wir analysierten die Ausgangslage und schauten dann nach vorn. Die heute propagierten Zukunftsstrategien demaskierten wir schnell als das, was sie in Wahrheit auch sind: interessengeleitete Konstrukte diverser Partialinteressen, die hier jede für sich nur stets ihren eigenen Vorteil zumeist auf Kosten des Gemeinwohls suchen.
Zu einer vernünftigen Konstruktion des einer Gesellschaft zugrundeliegenden Lebensentwurfs jedoch gibt es keine Alternative - in einer Gesellschaft ohne sozialen Frieden sowie zwischen solchen herrscht kurz über lang Krieg - und der ist nicht Vater von irgendetwas Brauchbarem, sondern vor allem Totengräber enormer Mengen gesellschaftlichen Potentials.
Wir vernetzten eine Rechnung aus individueller Sicht mit ihren Auswirkungen auf die üblichen Jahresrechnungen für das BIP - ein sicherlich sehr ungewöhnlicher aber auch kein falscher Schritt, denn die Plausibilität der Ergebnisse scheint erdrückend. Erstmals wird eine grobe Beurteilung der Gesamtlage möglich - man kann wohl sagen dass es Zustände oberhalb von 150% Gleichgewicht braucht, um prosperierende Gesellschaften mit den daraus nicht weg zu denkenden Sozialsystemen zu schaffen und zu erhalten.
Es wurde deutlich, dass die derzeitige Form der betrachteten Sozialsysteme in die Jahre gekommen ist - scheint doch inzwischen ihr Hauptzweck, vor allem zu garantieren, dass es Menschen, denen es vor ihrer Arbeitslosigkeit oder ihrer Rente schon gut ging, auch weiter gut geht. Dabei werden die Kriterien für eine ordentliche Gesellschaftkonstruktion heute hierzulande schon noch erfüllt - nur - man, also irgendwer müsste dies machen, bzw. dies erst einmal politisch wollen - und DA ist auf breiter Front in der politischen Landschaft von heute FEHLANZEIGE.
Das alte System hat so oder so ausgedient, wie auch unsere Rechnungen ergaben - Was, wenn nicht dies wäre ein deutliches Zeichen, dass NEUE POLITISCHE ALTERNATIVEN überfällig sind. Das alte System indes ist als erledigt anzusehen. Sein Spielraum ist nahezu erschöpft - und so erkauft man sich bereits in diesen Tagen jede weitere Besitzstandswahrung mit Armut am unteren Ende der Systeme. Hierfür gibt es einen klaren Namen: Ungerechtigkeit.
Fatalerweise können gerade die Leidtragenden diesem ungerechten System nicht entrinnen - gesetzlich sind sie zusammen mit den schrumpfenden Resten der Mittelschicht zur Teilnahme gezwungen - während einkommenstarke "Gewinner" sich komplett daraus verabschieden. Ungerechtigkeit aber ist seit jeher der natürliche Feind einer jeder legitimierten Gesellschaft und damit in letzter Konsequenz auch der Feind von Demokratie.
Schon vor zwei Jahrzehnten - und verschärft durch die Wiedervereinigung - geriet das System unter den Druck eines durch fortwährenden Produktivitätszuwachs bedingten rückläufigen Arbeitsvolumens. Nacheinander wurden zwei Technologieschübe - die Computerisierung der Gesellschaft und die "New Economy" (Web und Mobile) verschlissen, ohne dass die strukturellen Mängel unseres Arbeitsmarktes und unserer Sozialsysteme auch nur angerührt worden wären.
Dieser epochale Fehler unserer Politik und unserer Eliten wird heute hinter einer Unzahl von wirklichkeitsfernen Leit- und Lügenbildern verborgen - die unfähigen und unwilligen Arbeitslosen, die nichtsnutzigen, gierigen Rentner, die faule und blöde Jugend, und nicht zuletzt das Märchen von den für die heutige Zeit angeblich nicht mehr tauglichen Sozialsystemen. Diese Propagandawelle verhindert eine wichtige Erkenntnis - nämlich jene, dass die heutigen Probleme nicht dem Konstrukt Sozialsystem grundsätzlich, sondern vor allem jenen strukturellen Mängeln in ihrer gegenwärtigen Realisierung anzulasten sind und an denen man in absurder Weise festzuhalten gedenkt, bis man sie dem Kapitalismus ganz zum Fraß vorwerfen wird.
Wer die Ursachen von Fehlern nicht sehen will, kann auch keine Politik hervorbringen, die zu deren Behebung geeignet ist. Und genau so schauen die derzeitigen Konzepte in der Politik und der inzwischen offen mit regierenden Wirtschaft auch aus - wie aus unseren Rechnungen recht einleuchtend hervor ging. In der Jetztzeit steht sehr viel wenn nicht alles auf dem Spiel, liebe Leser - eine Gesellschaft, die ihrer Jugend das Wissen um die positive Kraft gesellschaftlicher Solidarität förmlich exorziert, dabei aber nicht auch nur eines der sozialen Probleme löst, ist längst dabei, als Gesellschaft Selbstmord auf Raten zu begehen.
Die demographische Herausforderung der Jahre ab etwa 2020 ist eine solche Rate die uns todsicher ins Haus steht, aber beileibe nicht die einzige. Keine der reichen Industriegesellschaften in der westlichen Welt hat sich derart entgleist entwickelt wie die hierzulande - gemessen an ihren jeweiligen eigenen Geschichten. Stagnierende Nettoeinkommen und ein verwüsteter Binnenmarkt aber werden auch hierzulande nicht durch die höchst instabile Ehre als Exportweltmeister nicht wett gemacht.
Die Herausforderung der Zukunft liegt in der mutigen und konzertierten Umgestaltung von Arbeitswelt und Sozialsystemen unter Akzeptanz von zwei Tatsachen - erstens, dass die Produktionsprozesse mit immer weniger Arbeit auskommen und zweitens, dass Arbeitsmärkte nicht unbegrenzt Arbeit aufnehmen können.
Wir konnten recht eindrucksvoll vorrechnen, dass es auch hierfür durchaus Lösungen zu einer vernunftgeleiteten Konstruktion von gerechten und armutsfesten Sozialsystemen gibt. Das gegenwärtige Schisma allerdings wird erst noch aufzulösen sein - solange der Wahrung jedweden irgendwann einmal erreichten Besitzstandes in der Gesellschaft absoluter Vorrang vor einer zukunftsorientieren und solidarischen Gesellschaft eingeräumt wird, werden keine Probleme gelöst, sondern fortwährend noch neue zu den bereits schon nicht gelösten hinzu gesäät.
Ordentliche Sozialssysteme in einer Gesellschaft indes schaffen nicht unbedingt aus sich selbst heraus Wachstum und Wohlstand - dies ist und bleibt der Job der Wirtschaft - aber sie schaffen die Voraussetzung dafür, dass diese Gesellschaft kontinuierlich einen höchstmöglichen Anteil der ihr möglichen Gesamtleistung zu mobilisieren vermag - etwas was uns insbesondere die skandinavischen Staaten, die in keiner anderen Situation stecken als wir, schon heute Tag für Tag in nahezu jeder Hinsicht vormachen - und diese Länder sowie die Menschen in ihnen fahren gut damit.
In gewisser Hinsicht haben wir heute in Deutschland tatsächlich so etwas wie eine Rentenfalle - jene Falle nämlich, die skrupellose Kreise den Menschen hier aufstellen, wenn sie von von Eigenverantwortung, Generationenkonflikten u.ä schwatzen - aber in Wahrheit nichts anderes verfolgen, als der Finanzwirtschaft das Geschäft des Jahrhunderts in die Fänge zu treiben. Eine Falle ist es deshalb, weil die privatwirtschaftliche Organisation einer so gewaltigen Aufgabe, wie sie sich aus dem "Generationenvertrag" ergibt, überhaupt nicht zu leisten sein wird - schon gar nicht wenn es dabei halbwegs gerecht zu gehen soll.
Zur Abschätzung, wie das nur ausgehen kann, reicht ein Blick in die USA - wobei wir allerdings nicht vergessen wollen, dass man dort seit Jahrzehnten auf Kosten der restlichen Welt lebt. Diese Möglichkeit werden wir hier in Deutschland und auch Europa nicht mehr haben, wenn denn die wirklich großen Herausforderungen dereinst zur Lösung heranstehen. Also werden Sie achtsam und vorsichtig, liebe LeserInnen - tappen Sie nicht in diese Falle hinein und lassen Sie sich auch nicht dort hinein schubsen. Nicht Sie - sondern andere nämlich werden von ihrer Bauchlandung in der Grube profitieren.
CogitoSum
- Beitragskritik:
Politik - Sozialwesen:
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Zukunft der Sozialsystemem Teil 1 und 2 (1.06 MB)
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