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Politikverdrossenheit PDF Drucken E-Mail
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Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Sonntag, 10. Dezember 2006

In einem Essay auf Spiegel-Online doziert Hans-Peter Bartels (SPD) über die Politikverdrossenheit im Lande. Auch wenn wir wenig Übereinstimmung in der Analyse der unstrittig traurigen Verhältnisse in Punkto Politikverdrossenheit hierzulande ausmachen können, so gelangen wir immerhin zu einer gleichen Konsequenz: Deutschland mangelt es empfindlich an politischer Bildung seiner Staatsbürger. Es ist dringend notwendig, dass politische - und bei CogitoSum wollen wir ergänzen gesellschaftliche - Grundbildung wieder zu einem festen Bestandteil aller Bildungssysteme von Hauptschule bis Universität wird.

Zurecht sieht Bartels auf längere Sicht die Demokratie in Gefahr, wenn man dies weiter so sträflich vernachlässigt wie die letzten Jahre. Demokratie und ihre Spielregeln vermitteln sich eben nicht über Gene oder Muttermilch. Und auch was so mancher Jugendlicher in Punkto Politik und Gesellschaft von daheim so mitbekommt, muss nicht notwendigerweise als hilfreich gelten.

Bei allem Respekt für die Freiheit des Individuums DARF eine Gesellschaft sich nicht darauf verlassen, dass all ihre Jugendlichen aus Eigenantrieb sich hinreichendes Grundlagenwissen über unser Gemeinwesen aneignen. Das wäre in etwa so, als verzichtete man künftig darauf, Kindern das Lesen beizubringen mit dem Argument, "... die werden schon merken, dass das wichtig ist und es sich folglich selbst aneignen ...".

So gar nicht zuzustimmen ist Herrn Bartels in seiner Analyse über die konkreten Ursachen der Politikverdrossenheit. Er sieht - ähnlich verbohrt wie Ex-Kanzler Schröder bei seiner Agenda - die Ursachen für Ablehnung vor allem in einer Ahnungslosigkeit der Verdrossenen. Dabei negiert er den Umstand, dass sich gerade unter politischen Renegaten ein nicht kleiner Anteil politisch durchaus gut gebildeter Menschen befindet, die gerade wegen ihrer Kenntnis verdrossen sind. Zudem braucht es praktisch NULL politische Bildung zu der Erkenntnis, dass unser politisches System als Ganzes in einer tiefen Krise steckt.

Dass Bundestagsabgeordnete gegen die Offenlegungspflicht ihrer Nebeneinkünfte klagen, dass ein Friedrich Merz gar die Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats als Nebenjob durch drücken will, dass sich die politischen Eliten von der Bevölkerung weg privilegiert haben, vermag man auch ohne näheres Verständnis komplexer demokratischer Zusammenhänge einzuordnen. Der allgegenwärtige Kotau der etablierten Politik vor Prinzipien der Inszenierung und der manipulativen Propaganda dürfte inzwischen nicht geringe Teile der Bevölkerung anwidern.

Denn es geht hier nicht um völlig überflüssige Belanglosigkeiten wie "Deutschland sucht den Superstar" und den nachfolgenden Applaus - in der Politik geht es sehr konkret um langfristige Lebensinteressen der Bevölkerung und eine legitimierte Ausübung gesellschaftlich verliehener Macht. Politiker sind somit nicht die Herren, sondern die Diener der sie tragenden Gesellschaft. Und zu dieser Gesellschaft zählen alle und nicht nur die Reichen und Schönen. Doch die Verletzung dieses Prinzips ist immer deutlicher mit Händen zu greifen.

Politiker stehen natürlich zwangsläufig immer in ständigem Konflikt mit sonstiger gesellschaftlicher Macht - jedoch schien der Interessenausgleich einst wenigstens noch an Gegenleistungen orientiert, die sowohl dem Gemeinwohl wie dem Image der Politik nutzten. Über eine lange Zeit fuhren alle und die Republik scheinbar ganz ordentlich damit - wenn auch immer schon in eine nicht unbedingt richtige Richtung.

Doch diese Zeiten sind vorbei - inzwischen vertritt die von jeher undemokratische Wirtschaft ebenso radikal wie offen nur noch ihre ureigensten, unlegitimierten Interessen. Vor allem die Arbeitslosigkeit manövrierte die Wirtschaft in eine favorable Machtposition gegenüber der Politik - und längst ist die gegenwärtige politische Struktur des Landes derart von ihr unterwandert, dass man heute schon fast von einer Wirtschaftsdiktatur sprechen kann.

Neben der Wirtschaft nehmen noch einige andere durchweg finanzkräftige Interessen an dem Spiel teil - allein dem verfassungsgemäßen Souverän des Landes, dem Volk nämlich, scheint der Einfluss auf das gänzlich abhanden zu kommen, was die Politik mit der von ihm verliehenen Macht anstellt.

Hier kommen wir der Wahrheit über die Politikverdrossenheit im Lande doch sehr viel näher. Und je mehr Politiker wahrheitswidrig von Sachzwängen und Alternativlosigkeit fabulieren, umso mehr werden sie diese verstärken. Längst wurden vernunft- und sinnwidrige Maßnahmen und Gesetze, zumeist hinter Lügengebirgen manipulativer Kommunikationsstrategie verborgen, immer mehr zur Regel als zur Ausnahme.

Doch es wird munter weiter lamentiert und getäuscht - eklatantes Beispiel: in Reaktion auf den Amoklauf in Emsdetten kann man auf der Mattscheibe Politiker bewundern, die allen Ernstes suggerieren, ein Verbot sogenannter "Killerspiele" wäre da auch nur zu irgend etwas Brauchbarem Nutze. Erstens sind viele der grässlichsten Spiele längst verboten und zweitens dürften Spiele, welcher Art auch immer, um Längen weniger Einfluss auf die Verzweiflung desorientierter Menschen haben als der längst schon offene zutage tretende Verfall der Gesellschaft hierzulande.

Doch die offiziell zu Schau gestellten Thesen der Politik ignorieren Derartiges wacker weiter - und nehmen mindestens fahrlässig in Kauf, dass dieses Land mit fortgesetzt unvernünftiger Politik immer weiter in Richtung Absurdistan vorankommt. Die Verkennung der Realität geht gar so weit, dass man inzwischen schon lieber mal das Institut Demokratie zerredet als sich mit der Tatsache anzufreunden, dass die heutigen Verwerfungen vor allem auch Folgen fehlorientierter Politik sind. Schon die Hartgesetze und die Agenda wurden nicht wegen Unkenntnis abgelehnt, sondern weil sie schlicht immer genau das waren, was sie noch heute sind: falsche Politik.

Es gibt nur wenig, was hier symptomatischer ist, als der SPD-Katechismus zur Hartz-Reform: man habe die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger aus der Isolation geholt, pflegen sich offenbar von Gewissensbissen geplagte SPD'ler seit Jahren zu beruhigen. Tatsache indes ist - man hat hier nicht Menschen aus der Isolation heraus geholt, sondern noch ein paar Millionen zusätzlich dorthin geschoben. "Hartz macht Armut sichtbar" lautet so eine andere Baldrianthese - Tatsache indes ist, dass seit der Agenda die Arbeitslosenstatistik im Lande ganz offen noch mehr geschönt wird als je zuvor. Längst sind dies Fakten und keine Meinungsfragen mehr. Überhaupt scheint in allen Parteien der Trend zu einer Politik des geringsten Widerstandes längst dominant geworden.

Arbeitslose, Arme und Rentner waren im politischen Alltag seit jeher nie besondere Machtfaktoren - auch wenn sie zusammen annähernd die Hälfte des Volkes ausmachen, war und ist leider immer noch wenig Widerstand von dort zu erwarten. So wird politische Stärke denn auch vor allem hier demonstriert - Armen-Mobbing scheint zum Trendsport unter den Parteien geworden. Lediglich zu Wahlterminen muss man ihnen kurz mal ein paar der üblichen Märchen auftischen und ansonsten kann man sich dann gleich wieder mit den Mächtigen ins Bett legen. Das nennt man dann - wahrheitswidrig - Konsenspolitik. Offen bleibt indes die Frage - wie weit kann - wie weit darf - Konsens mit einer zutiefst undemokratischen und neuerdings bisweilen kriminellen Wirtschaft eigentlich überhaupt gehen?

Doch muss die Braut für Politiker offenbar derart hübsch sein, dass sie darüber völlig verpennt haben, wie sehr sich die immer mehr entgleisende Wirtschaft von demokratischem und gesellschaftlichem Konsens aller Art längst verabschiedet hat. Das "Demokratie-Modell" USA scheint über Deutschland einzuschweben und zur Landung anzusetzen - etwa die Hälfte der Bevölkerung beteiligt sich noch an den Abstimmungen über die Show-Performance zweier großer Parteien. Alles andere bleibt mehr oder weniger dem freien Spiel der immer ungleicher verteilten Kräfte überlassen.

Dabei wäre der eigentliche Auftrag an die heutige Politik schon seit einiger Zeit, ein legitimiertes Machtgleichgewicht innerhalb der Gesellschaft überhaupt erst einmal wieder herzustellen. Hierzu mag es viele Wege geben - aber einen ganz gewiss nicht: dieses Ziel wird Hand in Hand mit den durch die Fehlentwicklung übermächtig Gewordenen niemals zu erreichen sein. Fatal wirkt sich derzeit vor allem der Einfluss der käuflichen Medien aus - hier nämlich ergänzen sich die Selbstsuggestion vorhandener Restmacht in der Politik mit exzellent ausgearbeiteten Strategien der Mächtigen im Streben nach noch mehr Macht zu einem verhängnisvollen Mix, der demokratische Prinzipien längst auf breiter Front unter zu mangeln droht.

Vor allem arbeitet man in der weiteren Aufrechterhaltung des eigentlich nicht mehr Aufrechterhaltbaren nahtlos zusammen. Die anerzogene Sichtweise des deutschen Wohlstandsbürgers auf Politik lautet nämlich: "Was springt für mich dabei in Euro und Cent heraus?". So funktionierte es jahrzehntelang recht ordentlich im Land. Doch was wir nach dem langen Regime dieses Prinzips inzwischen vorfinden, ist nicht weniger, als eine eindrucksvolle Widerlegung des wirtschaftsliberalen Vordenkers Adam Smith mit seiner These von der universellen Selbstregelungskraft der unsichtbaren Hand in Bezug auf das Gemeinwohl.

So bedrückend die Situation so hoffnungslos ein Blick in unsere derzeitige Parteienlandschaft. Keine der etablierten Parteien lässt bislang auch nur den Hauch eines Ansatzes zu ehrlich gemeinter Umkehr erkennen. "Immer weiter so" scheint über jedem Parteitag zu prangen und ansonsten doktert man gerne höchst entschlossen an irgendwelchen Belanglosigkeiten herum - kaum ein Politiker oder gar eine Partei indes wagt es, konsequent Hand an die verkrusteten und deformierten Strukturen im Land zu legen.

Vielleicht sollten Politiker sich mal wieder häufiger daran erinnern, dass sie ihre Legitimation ALLEIN vom Volk beziehen und daher auch dessen Interessen und nichts sonst wahr zu nehmen haben. Nur hierfür erhalten sie ihre Macht und ihre gewiss nicht geringen Privilegien - Sponsoren und Seilschaften haben hier nicht die allergeringste Rolle zu spielen. Wer die Demokratie erhalten und fördern will, kann mit einem undemokratischen Konstrukt wie dem Wirtschaftssystem in seiner heutigen Form keinen dauerhaften Konsens finden - und dies umso weniger, je mehr dieses System immer offensichtlicher nach immer noch weiterem Ausbau seiner unlegitimierten Macht strebt.

Derartiges jedoch bewegt die Politik bis heute bestenfalls hinter vorgehaltener Hand - hin und wieder flackern zwar seit Neuerem kurzzeitig Impulse auf, die jedoch sofort im Meinungsgewitter der käuflichen Medienwelt niedergemangelt oder zerredet werden. Zutreffenderweise identifiziert so auch Bartels unter Berufung auf den Parteikollegen Wolfgang Thierse (SPD) die Medien als ein Kernbestandteil des Problems. Denn - wenn Politik hier je irgendetwas zum Besseren wenden soll, so wird sie nicht umhin kommen, dies nicht nur gegen die Interessen von Wirtschaft und Verbänden, sondern auch gegen den von jenen in ihren "gekauften" Medien entfachten Theaterdonner zu tun.

Schwierig wird es so oder so allemal - und auch viele "Bürger" werden sich von der alten "Konsenspolitik" mit ihren inzwischen immer länger zurückliegenden schönen Tagen nur ungern verabschieden wollen, bei der die Vermittlung hinreichenden Wissens um Zusammenhänge in Politik und gesellschaftlicher Machtverteilung stets systematisch vernachlässigt wurde. Doch mit ziemlicher Sicherheit sind es wohl genau diese bequemen Zeiten für Wähler und Politik gleichermaßen, deren Verabschiedung bevor steht. Gültig bleibt allein das offene Geheimnis, dass eine Demokratie immer nur so gut sein kann wie der Kenntnisstand ihrer Menschen über deren wahre Notwendigkeiten und Zusammenhänge.

Leider steuert das Essay des Herrn Bartels hier praktische nicht allzu viel Substanz bei. Dass Politiker sich allgemein nicht gerne eine aufmüpfige Bevölkerung heranziehen, kann man ja irgendwo auch verstehen - um so lieber folgen wir hier seinem wohl ehrlich gemeinten Aufruf und werden uns weiter einmischen...

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