Wieder
einmal ist es der Spiegel - bzw. das was in ihm geschrieben wird, was
uns zum Nachdenken, dies mal über die "vierte Gewalt", veranlasst. Damit gemeint ist die Macht der Medien - jene Macht, die
bei der Verfassung heutiger Gesellschaften unberücksichtigt
blieb, als man seinerzeit die Gewaltenteilung konzipierte. Wir leben
in Umbruchzeiten - das dürfte sich wohl herumgesprochen haben -
und damit wird die Frage "Wo wird es denn hingehen?"
unausweichlich. Seit altersher scheint es für Menschen
faszinierend, über die Zukunft nachzudenken - Eingeweideschauer,
Hellseher und Astrologen waren seit Jahrtausenden Begleiter zumeist
der Mächtigen und Reichen - und daran scheint sich bis heute
wenig geändert zu haben. Allenfalls die wenig ästhetische
Praxis der Eingeweideschau wich angeblich "wissenschaftlicher"
Betrachtung. Ein gutes Bild über den heutigen Stand der Zunft
lässt sich aus diesem Spiegel-Interview
gewinnen - dessen viel versprechende Überschrift "Gesellschaft
2067" uns natürlich anziehen musste.
Dort
nämlich wird der "renommierte" Zukunftsforscher
Matthias Horx interviewt... Woher er sein Renommee hat, wird
indes - zumindest aus diesem Interview - eher weniger deutlich. Aus
seinem abgebrochenen Soziologie-Studium kann es ja kaum stammen.
Dafür aber verrät es einiges über seine geistige
Provenienz - nicht zum ersten Mal stolpern wir über dieses
Netzwerk,
dem auch er angehört. Offenbar gelang es ihm, seine profunde
wissenschaftliche Vorgehensweise auch auf das Institut Berlinpolis
zu übertragen, dessen Beirat er angehört. Die enorme
Aussagequalität dieses "Instituts" stieß uns
bereits vor einiger Zeit auf (siehe Beitrag).
Vermutlich dürfte die nüchterne Beschreibung des Vereins
als "konservative Lobbyistengruppe" in Wikipedia den Nagel
recht genau auf den Kopf treffen.
Eigentlich
verdient das Interview zunächst mal das Prädikat "Thema
verfehlt" - denn von gesellschaftsrelevanten Aussagen ist darin
praktisch keine Spur. Dafür aber findet sich dort eine geballte
Ladung des kompletten neoliberalen Propagandaarsenals. Horx versteigt
sich zu ziemlich haarsträubenden Statements unter der
Überschrift: "Alles wird gut...". Es gäbe kein
Job- und kein Arbeitslosenproblem, die Kluft zwischen Arm und Reich
sowie das Elend auf der Welt seien rückläufig, Unternehmen
kümmerten sich zunehmend um soziale Fragen, mit der Umwelt sei
alles halb so schlimm und ansonsten würden Militäreinsätze
der "Weltpolizei" schon sämtliche Probleme lösen...
und sowieso werde die westliche Kultur den Fundamentalismus besiegen.
Fast
fühlt man sich versucht, Herrn Horx zu fragen, ob es denn
wirklich der dritte Planet unseres Sonnensystems ist, den er da
meint, oder ob ihm da nicht vielleicht eine Verwechslung mit dem von
einschlägigen Kreisen so sehr gerne bemühten Sonnensystem
des Aldebaran unterlaufen ist. Für lumpige 1.925 € jedenfalls
kann sich der geneigte "Entscheider" auf der Website
des Herrn Horx in Form der "Future
Circle Membership" ein Jahr lang Gewissheit über die
Zukunft zulegen. Sollte ihm dadurch das Hirn noch nicht genug
vernebelt sein, sind da auch noch die Teilnahme am "Zukunftskongress
2007" für gleichfalls lächerliche 750 € oder eine
Vielzahl von Tagesseminaren zu ähnlichen Preisen im Angebot...
Nun
- Spinner gibt es viele auf der Welt... und sie alle sollen von uns
aus in einer toleranten Gesellschaft auch gerne nach ihrer Facon
reich und/oder glücklich werden. Bedenklich aber wird es, wenn
ihre absurden Ansichten Einfluss oder gar Macht gewinnen. Leider
lässt die auffallende Nähe zwischen den Horx-Thesen und so
manchem Dogma heutiger Politik gerade in diesem Punkt wenig Gutes
ahnen... Eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt selbst
wollen wir uns und ihnen auch ersparen - eine Diskussion von Grimms
Märchen wäre da vermutlich ohnehin ertragreicher. Und so
erhebt sich die Frage, wie so etwas zu derart viel medienoffizieller
Aufmerksamkeit gelangen kann. Schließlich nennen wir das
Horx-Angebot mal etwas zurückhaltend - ein kommerzielles
Angebot, wie es viele andere auch gibt - z.B. im Esoterik-Markt.
Und
doch gibt es einen Unterschied - denn von letzteren werden sie kaum
allwöchentlich etwas im Spiegel oder anderen publikumsstarken
Medien sehen. Bei der Klärung der Frage, warum ausgerechnet das
Horx-Angebot dort so zum Zuge kommt, könnte man ja zunächst
meinen - das läge daran, dass es sich hier eben um
wissenschaftlich wohl begründete Information dreht. Es gibt aber
viele, viele solcher Institute, die sich - möglicherweise sogar
ernsthafter - mit dem Thema Zukunft auseinander setzen und - nebenbei
bemerkt - zu völlig anderen Analysen und Ergebnissen kommen.
Hiervon taucht wenig - und wenn dann höchst vereinzelt mal etwas
in den Medien auf.
Gehen
wir der Frage weiter nach und beginnen beim Spiegel: Der Spiegelautor
und Göttinger Politologe Franz Walter ist zum Beispiel jemand,
der in seinen häufig erscheinenden Spiegel-Kolumnen Arbeitslosen
von heute immer wieder vorhält, sie seien unzureichend
"vernetzt" - und dabei gerne mal offen mal eher
unterschwellig die These transportiert, Netzwerke gehören eben
zum "new way of life" in unserer schönen neuen Zeit.
Und er weiß wovon er spricht - denn er gehört dem gleichen
Netzwerk wie Horx (Link)
an.
Zwar
ist es mühsam, der Netzwerkerei auf den Grund zu gehen... aber
es lohnt sich. Faustregel: Je absurder die Aussage, um so größer
die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Protagonist aus irgendeinem Netzwerk
stammt. So in etwa, wie man bei Christiansen beruhigt darauf wetten
kann, dass ein unbekanntes Gesicht dort aus dem Umfeld der Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft stammt.
Unsere
heutige Medien- und Informationslandschaft scheint vollkommen
durchwuchtert von derartigen Strukturen, die alle immer nach dem
gleichen Schema funktionieren. Gegenseitig werden sich höchst
einkömmliche Aufträge und Auftritte zugeschanzt - in denen
man - nicht selten unter massiver Förderung anwesender
Netzwerkskollegen - sein Bekanntheitsprofil ausbauen kann.
Cross-Promotion - neudeutsch für Amigo-Wirtschaft - ist denn
auch die regelmäßige Geschäftsgrundlage solcher
Strukturen - denn: je bekannter um so mehr Einladungen, je mehr
Einladungen um so bekannter... Eine Spirale kommt in Gang und sie
dreht sich - wie könnte es anders sein - vor allem um Eines:
Geld!
Weiteres
Wesensmerkmal der Netzwerktechnik - der Konsument des Medienprodukts
wird hierüber nicht informiert. So kann es durchaus vorkommen,
dass z.B. von 5 Diskutanten in einer Runde drei aus dem gleichen
Netzwerk stammen und oberflächlich zwar auf verschiedenen Seiten
fechten, während sie in Wahrheit vor allem an ihrer
Cross-Promotion arbeiten. Weiß ja niemand... und reden tut man
darüber genau so wenig, wie darüber wer von unseren
Angeordneten von wem alles wieviel an "Nebeneinkünften"
einstreicht.
Damit
dies dauerhaft funktioniert, ist es ganz wichtig - und damit kommen
wir zum dritten Merkmal - dass man eindeutige Situationen vermeidet.
Eine solche wäre erreicht, wenn dem Konsument Urteilsfähigkeit
in der strittigen Sache vermittelt würde. Dies wäre zwar
ein Imagegewinn für eine Seite - für die andere aber ein
Imageverlust, womit diese im wahrsten Wortsinn "Goldene"
Regel der Cross-Promotion verletzt wäre. Womit auch klar ist,
wieso Diskussionen z.B. bei Christiansen immer so ausgehen, wie sie
ausgehen... Man halt halt artig miteinander zu sein - gleich wie
bedeutsam das Thema auch sein mag, sonst sieht es finster aus mit
künftigen Einladungen.
Das
wäre noch hinnehmbar, wäre das Ganze im Programm als
Unterhaltungsshow ausgewiesen - aber sowohl Christansen als auch das
Interview über die Zukunftsgesellschaft werden uns unter dem
Label "Politik" verkauft - ja verkauft - denn in der Regel
muss man für diesen Unsinn in irgendeiner Form auch noch
zahlen...
In
unseren Artikeln zur "Dokumentar"-Filmerin Dr. Rita
Knobel-Ulrich (FDP) wurde schon deutlich, dass sich die Netzwerkerei
keineswegs auf die Welt der Talk- und Personalityshows beschränkt.
Selbst die Nachrichten bleiben nicht verschont - hier war vor einiger
Zeit ein sage und schreibe fast 10 min Werbespot zu Microsofts neuem
Makro-Virus Windows Vista mitten in den ARD-Nachrichten "platziert".
Kleinere Gefälligkeiten gehören da ohnehin schon zum Alltag
- hat sich eigentlich schon mal wer gefragt, was eigentlich
Tour-Ankündigungen irgendwelcher Kommerz-Künstler in den
Nachrichten verloren haben - warum wird die Tour des Einen über
das mächtige Medium Fernsehen angekündigt und die Anderer
nicht?
Der
Befund legt eindeutig nahe - in der gesamten Branche ist längst
entscheiden zu viel Geld im Spiel und hat jeden Sinn und Vernunft
unter gepflügt. Geld, welches man im Falle Fernsehen teilweise
über Gebühren Millionen Menschen per gesetzlichen
Privilegien aus der Tasche zieht und vermutlich kaum weniger, welches
von Vertretern einschlägiger Interessen in sie hinein gepumpt
wird - um eben die Kommunikation gewisser Botschaften zu fördern.
Die wirkliche Einflussnahme geschieht dabei weit weniger über
die offizielle Werbung - denn dies ist ein ziemlich genau überwachtes
Segment. Sie erinnern sich vielleicht noch an den ARD-Skandal in
Punkto "Schleichwerbung".
Und
hier bietet die Netzwerktechnik eben entscheidende Vorteile - denn
sie ist ja verdeckt. Nicht einmal enge Kollegen dürften genau
wissen, wer in welchem Ausmaß mit wem "netzwerkt".
Auffallend aber bleibt, dass nahezu jedes bekannte Gesicht im
Fernsehgeschäft - und sei es der Wetterfrosch - auch Buchautor
zu sein pflegt, was für die Mitglieder unseres eingangs
genannten Netzwerks gleichfalls zutrifft.
Nun
braucht man sich nur noch zu fragen, wer im großen Stil Bücher
verlegt - und schon rücken wir den Quellen der Einflussnahme
näher: die Verlagskonzerne vom Kaliber Bertelsmann, Burda etc.
Die echten Prommigrößen betreiben dagegen ohnehin fast
ausnahmslos ihre jeweils eigenen "Produktionsfirmen" was in
diesem Umfeld scheinbar schon wieder ein Stück mehr
Unabhängigkeit bedeutet, wie an der geplatzten
Christiansen-Nachfolge abzulesen.
Sicher
- der Medienbereich ist seit jeher einem Spagat ausgesetzt. Nämlich
dem zwischen wahrheitsgemäßem oder zumindest
genregerechtem Journalismus, der eigenen Meinung des Autors und dem
Spiel der "freien" wirtschaftlichen Kräfte. Doch
Netzwerkerei beschränkt sich ja keineswegs nur auf den
Medienmarkt - sie findet überall dort in der Wirtschaft statt wo
es um viel viel Geld geht.
Und
hier gerät der Vorwurf von Franz Walter an Arbeitslose zum
blankem Hohn: Wie bitteschön und zu welchem Zweck soll sich denn
eine Putzfrau oder ein Produktionsarbeiter "vernetzen"? Wenn
Millionen Arbeitsplätze fehlen dann fehlen sie - mit oder ohne
"Vernetzung". Wenn einer einen wegen "Vernetzung"
ergattert so bedeutet dies nichts anders, als dass ein anderer ihn
nicht bekommt oder verliert...
So
schaut die Wahrheit über Netzwerke aus, die wir nun auch besser
bei ihrem eigentlich zutreffenden Namen - nämlich
Vetternwirtschaft mit nahtlosem Übergang zur Korruption - nennen
können. Und hier können wir bei CogitoSum Franz Walters
Großmütigkeit nicht mehr nachvollziehen. Zu den
grundlegenden Spielregeln einer offenen Gesellschaft gehört,
dass sie auch wirklich offen zu sein hat.
Hiergegen
verstoßen Netzwerke fundamental - indem die Bevorzugung eines
bestimmten Personenkreises ja geradezu ihre Existenzgrundlage
darstellt. Ähnliches gilt übrigens auch für das -
leider sogar in unserem Grundgesetz verankerte - Verbandsunwesen auf
dem Sektor Unternehmen und Organisationen.
All
diese Strukturen definieren sich um die Förderung von Interessen
nur eines Teiles der Gesellschaft oder einer gesellschaftlichen
Gruppe - Partialinteressen. Solche Partialinteressen sind per
definitionem gegen die sie umgebende Gesellschaft gerichtet, weil der
Erfolg eines Partialinteresses in aller Regel mit der Benachteiligung
von dieser Struktur nicht zugehörigen Menschen oder auch
Unternehmen einhergeht.
Theoretisch
zwar ist der Markt eine gute Absicherung gegen derartige Tendenzen -
denn das Betreiben von Partialinteressen kostet einerseits Geld und
engt andererseits die Personalauswahl ein, was mittelfristig zu
schlechterem Output gegenüber dem freien Fall führen muss.
Schlechterer Output hätte eigentlich weniger Markterfolg zur
Folge - zumindest solange es sich noch um freie Märkte handelt.
Kehren
wir zurück in die Medienlandschaft. Was ist dort Erfolg? Erfolg
ist beim Fernsehen die Einschaltquote - denn danach bestimmt
sich, welche Preise der Sender für die Ausstrahlung von Werbung
verlangen kann. Bei den Zeitungen ist es nicht anders - hier bestimmt
im wesentlichen die Auflage die Preise für Werbung. Die Messung
und Erfassung dieser nicht unwichtigen Parameter ist durchaus keine
simple Angelegenheit und es toben darüber interessengeleitete
und wissenschaftliche Kriege, auf die wir hier nicht näher
eingehen wollen.
Zumal
ja klar sein sollte: Niemand kauft eine Zeitung, um die Werbung darin
zu lesen - ebenso wie niemand zu diesem Zweck fern sieht. Im
letzteren Fall wird sie sogar besonders häufig als störend
empfunden - vor allem wenn die Werbung einem auch noch in doppelter
Lautstärke um die Ohren geschlagen wird. Eigentlich aber
"kaufen" Menschen Medienprodukte, um sich entweder
unterhalten zu lassen oder um sich zu informieren.
Und
hier wird dann deutlicher, wie groß die Schieflage unserer
heutigen Medienlandschaft längst geworden ist. Denn die
eigentliche Existenzberechtigung von Medienprodukten spielt - wenn
überhaupt - nur noch eine immer geringere Rolle. Dies gilt
besonders für die Unterhaltung - mehr als eindrucksvoll bewiesen
durch die miserable Qualität der zahlreichen Vertreter der
gegenwärtigen "Tele-Novela"-Welle. Große
Medienkonzerne haben hier den "freien" Markt längst
ausgehebelt - d.h. sie haben dominierenden Einfluss auf das
Gesamtangebot - Verlage wie Bertelsmann oder Burda kontrollieren
zugleich mehrere Fernsehsender und unzählige Periodika wie
Zeitungen. Und diese Monokultur ist es, die auch den Weg zum
Missbrauch des ganzen Systems für Einflussnahme bereitet.
Wobei
die Wirkung der Medien in ihrer Gesamtheit auf die Gesellschaft in
den vergangenen Jahrzehnten dramatisch angewachsen sein dürfte.
Inzwischen aber nehmen selbst kommerzielle Interessen immer weniger
den Weg über die offizielle "Werbung" - denn diese
wird vom Informationsempfänger, wenn überhaupt, quasi
"unter Vorbehalt" wahr genommen. Nein - ganz offen
konzentriert man sich zunehmend auf die Platzierung im
Redaktionellen, da hier die höhere Wahrscheinlichkeit besteht,
dass der Konsument die gewollte Botschaft auch verinnerlicht.
Bei
gesunder Struktur im Medienbereich wäre derartiges kaum möglich
- dem Konsumenten würde der Abfall der Informations- oder
Unterhaltungsqualität bewusst und das entsprechende Medium
müsste um Marktanteile fürchten. Die heutigen
oligopolartigen Strukturen aber verhindern dies - und somit setzt
sich die "Entwertung" der Medien ungehemmt fort. Dieser
Sachverhalt ist lange schon auch von den Partialinteressen erkannt -
und sie entdeckten diesen Weg als die "Goldmine" des 21.
Jahrhunderts schlechthin.
Seitdem
produzieren "Think-Tanks" Kommunikations-Strategien -
knallharte Partialinteressen werden in eine - zumeist dürftige -
Theorie gegossen, die dann mit einem ganzen Arsenal dazu passender
Teilinformationen und vor allem auch "Unterhaltung" in die
Medienmaschinerie gedrückt, um den Boden für beabsichtigte
Denk- und Verhaltensweisen gezielt zu bereiten.
Ist
dies dann geschafft - profitiert natürlich derjenige am meisten
davon, für den diese Entwicklung "absehbar" gewesen
ist. Wer dies bezweifelt, der erinnere sich einmal daran, zu welchen
teilweise grotesken Folgen die WM-Kampagne hierzulande stellenweise
geführt hat... Noch schlimmer als nur der wirtschaftliche Aspekt
an dem Ganzen ist, dass auf diesem Weg inzwischen längst massiv
Einfluss auf die Politik genommen werden kann - Politiker sind von
ihrem öffentlichen Image abhängig - d.h. wer nicht spurt,
muss kurz über lang mit öffentlicher "Demontage"
rechnen.
Nicht
wenig spricht dafür, dass dies nicht etwa neu ist - schon zu
Kohls Zeiten wurden ambitionierte parteiinterne Gegenspieler via
lancierter Mini-Skandälchen reihenweise aus dem Weg geräumt
und diese Mittel dürften seitdem weit mächtiger geworden
und zudem perfektioniert sein. Mit dem Herrn Horx und seinen Thesen
schließt sich dann der Kreis vollends - in dem man neben der
Gegenwart auch noch beginnt, die Zukunft (genauer:die
Zukunftserwartung) zu manipulieren - und die immer tieferen Eingriffe
in das Bildungswesen (Drittmittelforschung, Elitenbildung) könnten
dann bald auch dafür sorgen, dass selbst die Nutzung der
Vergangenheit für eine objektive Analyse immer weiter zurück
gedrängt wird.
Mit
diesem beunruhigendem Ergebnis stehen heutige Gesellschaften vor
nicht weniger, als der höchst konkreten Versagensgefahr ihrer
Gewaltenteilung und des Marktprinzips. Wichtig dabei ist mir, zu
betonen, dass es nicht das Prinzip selbst ist, was hier versagt.
Vielmehr versagt seine Realisierungsform gesellschaftlich und
politisch. Und dies, weil mächtige Partialinteressen sich immer
ungehemmter durchsetzen können.
Anders
als Herr Horx komme ich da zu dem Schluss, dass die westliche Kultur
bei Fortbeschreiten dieses Weges langfristig kaum Chance haben
dürfte, sich gegenüber anderen durchzusetzen, sondern am
Ende sich selbst zerstören wird. Nun - das hat Marx auch schon
behauptet - und daher seinen Gegenentwurf der Kommunistischen
Gesellschaft geschaffen. Diese mag ja theoretisch wunderbar sein -
nur kommt sie eben mit den Menschen und ihren leider nun mal
vorhandenen Eigenschaften nicht zu recht. Und so schufen sämtliche
Realisierungsversuche da im Eiltempo vor allem eines: Oligarchien.
Die
westliche Demokratie indes brauchte wesentlich länger bis zu
diesem Stadium, dessen Schwelle wir gerade überschreiten. Der
Grund hierfür ist meiner Ansicht nach darin zu suchen, dass
diese Demokratien gewaltengeteilt verfasst sind - d.h. die
Realisierungsform ist so gewählt, dass Machtasymmetrien gezielt
entgegen gewirkt wird - und das war es, was man den damaligen
sozialistischen Systemen voraus hatte.
Nach dieser Analyse
erscheint es denn heute auch keineswegs mehr als Zufall, dass die
Aushöhlung der Demokratie über den Medienbereich um sich
greift - denn die klassische Gewaltenteilung ignoriert die
Medienmacht weitgehend, da sie zu Zeiten der Entstehung der
Gewaltenteilung nicht einmal ansatzweise die heutige Bedeutung hatte.
Das Credo der Aufklärung dazu ist - Presse und Wissenschaft habe
frei zu sein. Doch dies bedeutet heute mehr denn je auch: frei von
wirtschaftlichen oder sonstigen Partialinteressen - denn sonst sind
diese wichtigen Güter in Wahrheit nicht nur nicht frei, sondern
werden zu einem höchst mächtigen Mittel für das
Unterlaufen von Demokratie und legitimierter Gesellschaft.
Nach
so viel Theorie bliebt nur noch die Frage offen - was kann da
praktisch getan werden? Die kritische Phase scheint längst
erreicht - denn NOCH können sie, verehrte LeserInnen, zum Beispiel
CogitoSum wenigstens im Internet lesen. Wenn man so will - eines von
ganz vielen kleinen Lichtern - einzeln unbedeutend aber in der
Gesamtheit ein letzter Rest eines wirklich freien Marktes auf dem
Informationssektor. Dies ist den heute bereits sehr Mächtigen
ein Dorn im Auge - und sie scheinen finster entschlossen, das
anarchische Internet nicht länger an der Effizienz ihrer
millionenschweren Manipulationskampagnen nagen zu lassen.
Daher
möchte man dem ungeliebten Medium "Internet" auch
unbedingt zu Leibe rücken - aus allerlei verschiedenen
Richtungen. Andauernd wird man mit Nachrichten über die
"angebliche" Kriminalisierung des Internets bombardiert -
Bombenbaupläne und Kinderpornographie seien schlimme
Auswüchse... Ja - derartiges ist schlimm - doch die geeignete
Gegenmaßnahme besteht nicht in breit angelegter Beschnüffelung
und Kriminalisierung von großen Teilen der Internetnutzer
sondern in massivem Druck auf jene Länder, in denen solche
Angebote entstehen können. Hier tut sich wenig bis nichts -
stattdessen schickt man lieber "Bundestrojaner" durch die
Netze.
Ein
weiterer Angriff kommt aus oft übersehener Ecke - Windows als
Betriebssystem dominiert den Markt und bei Microsoft lässt man
seit Jahren nichts unversucht, den Interessen der Mächtigen auch
Macht im Internet zu verschaffen. Das digitale Rechtemanagement (DRM)
ist so ein Beispiel dafür - hier soll das Betriebssystem
verhindern, dass auf Computern Informationen unberechtigt genutzt
werden. Dies ist nicht Aufgabe eines Betriebssystems - oder würde
ihnen ein Auto etwa gefallen, dass überall und zu jeder Zeit
sämtliche geltenden Verkehrsregeln automatisch einhält,
ohne Ihnen eine Wahl zu lassen? Nun - selbst wenn das neue Windows
Vista vermutlich einige heftige Schritte in diese Richtung vorangeht,
erst einmal muss es gekauft werden... und zudem stünde im
Notfall immer noch Linux bereit.
Daher
versuchen die Medienkonzerne auch schon lange - und das vor allem auf
EU-Ebene - Softwarepatente durchzusetzen. Ein geradezu geniales
Mittel, missliebige Betriebssysteme sowie das freie Programmieren
überhaupt zu bekämpfen. Finanzstarke Konzerne können
sich jeden möglichen Unsinn patentieren lassen und dann
rechtlich gegen die finanzschwache aber zumeist wesentlich kreativere
Konkurrenz vorgehen.
Damit
jedoch nicht genug - der Zugang in das aufziehende Internet 2.0, dem
ultimativen Datenhighway zur Übertragung von HDTV-Film, soll
derart teuer werden, dass nur finanzstarke Anbieter dort publizieren
können. Die Rechnung der Protagonisten funktioniert in etwa so:
Die Masse der bisherigen Internetnutzer wird sich ein Bein ausreißen,
um via teuren und knowhow-intensiven Computerboliden (möglichst
exklusiv mit Windows "Vista") in jenen Genuss zu kommen,
den sie beim klassischen Fernseher durch simples Betätigen des
Einschaltknopfes auch bekommen.
Wie
bei vielen Übeln der Zeit, scheint der Net 2.0-Prozess jedenfalls
in USA wesentlich weiter fortgeschritten - und dort hat sich bereits
eine Bewegung zur Rettung des Internets ("Save The Internet")
gebildet - zur weiteren Information: Link.
Wer englisch versteht, der möge sich bitte diesen kurzen
Beitrag auf YouTube mal ansehen - hier wird recht gut deutlich,
wie demnächst auch hierzulande gegen das konventionelle Internet
vorgegangen werden könnte. Zumal die großen
Content-Anbieter nicht mehr um Einbußen fürchten müssten,
weil sie ihren Content künftig über das exklusiv von ihnen
beherrschte Net 2.0 anbieten können.
Die
großen Netzanbieter werden ihre Investitionen vermehrt ins Net
2.0 umlenken (so ist es auch hierzulande zumindest mal angekündigt)
- und dabei könnte es, natürlich rein "zufällig",
geschehen, dass das bestehende Netz mehr und mehr der Verwahrlosung
überlassen wird. Die Folge: es verliert an Funktionalität
für seine Nutzer, die dann früher oder später in das
anbieter-kontrollierte Net 2.0 wechseln (müssen) - Letztlich
gilt nun mal: ohne User auf Dauer kein Net...
Nun
- liebe LeserInnen - in diesem Beitrag haben wir einen weiten Weg
zurückgelegt und manche(r) mag sich fragen, wieso der Autor
gerade diesen Matthias Horx als "Aufhänger" ausgewählt
hat... Ich denke den meisten wird es im Verlauf des Beitrags
deutlich geworden sein - wer noch Zweifel hat, kann sich über
diesen Link
über die Ansichten und Prognosen dieses Herren zu unserem obigen
Thema - dem Web 2.0 - informieren....
Ganz
unten finden sie dort klare Worte dazu, aus denen unzweifelhaft
hervor geht, welchen Interessen gedient wird. Noch eines zur Wortwahl
- dort ist von "Social Web" und von "Social Commerce"
die Rede - lassen sie sich nicht hinter das Licht führen - hier
geht es nicht um Soziales sondern eher um das glatte Gegenteil davon
- denn Herr Horx unterschlägt schlicht die vorhersehbaren
Randbedingungen des Internet 2.0, wenn die Neutralität des
Netzes (d.h. seine Anbieter-Unabhängigkeit) aufgegeben wird -
was ohne scharfe gesetzliche Auflagen (von denen hier bis heute
nichts in Sicht ist...) wohl kaum zu verhindern sein wird.
Man
wird den Verdacht nicht los, hier und eigentlich weltweit soll die
letzte große Bastion der freien Meinungsäußerung
gestürmt werden - doch noch kann was getan werden. Niemand kann
Menschen zwingen, sich in die schöne neue Welt einzukaufen. Zu
welchem Zweck eigentlich? Bereits heute lassen sich Videosequenzen
auch im alten Internet ansehen - und Einheitsbrei haben wir schon zur
Genüge in den anderen Medien. Was nutzt den Menschen eigentlich
ein noch so schönes HDTV-Net - wenn dort nur noch einmal mehr
das auftaucht, was man tagtäglich ohnehin über Radio,
Fernsehen und Zeitung um die Ohren geschlagen bekommt?
ARTIKELENDE
CogitoSum
- Beitragskritik:
Gesellschaft - Information:
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- Hintergründe:
Politik
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