Wer
kennt ihn nicht - den Hit der Spider Murphy Gang aus den 80er-Jahren
- jener Zeit, wo die Welt begann, sich hinter den Kulissen
entscheidend zu verändern. Die Neuauflage gut 20 Jahre später
spielte gestern ebenfalls in München, wo Polizei und
Sicherheitskräfte turnusmäßig einen vorübergehenden
Sperrbezirk um das Hotel Bayrischer Hof schufen - denn es ist mal
wieder NATO-Sicherheitskonferenz - die 43. inzwischen. Doch anders
als im Song stahl diesmal ein Mann unserer ersten Frau die Show. Der
russische Präsident Wladimir Putin, erstmals Gast auf dieser
Konferenz, sparte so gar nicht mit deutlichen Worten - und mischte
damit das vampirballartig erstarrte Ritual der längst schwer in
die Jahre gekommenen NATO mächtig auf... Anscheinend verträgt
die nach simplen Mustern ziselierte Feinstruktur der US-dominierten
NATO-Diplomatie derart offene Worte nicht mehr. Ein offenbar
geschockter NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer brachte
als Kommentar zustande, Putins Rede sei "...nicht hilfreich..."
gewesen... Ein Hauch von Büttenrede haftete indes der
Stellungnahme des US-Republikaner-Prommis McCain an, der meinte, es
dürfe „kein Platz mehr für sinnlose Konfrontationen sein“
und dabei scheinheilig seine Sorge um die "Demokratie" in
Russland bekundete (...wie war das doch gleich mit dem Patriot
Act - hier zum Vergleich in englisch - und präventiver Kriegführung im Rahmen der Bush Doktrin ?... )
Eines
kann man sicher festhalten: Und ob diese Rede hilfreich war! Allein
schon die Reaktion unserer Politik zeigt so viel Interessantes, was
man sonst derart schön nicht zu sehen bekommt. Wie hier
zu lesen, stellt es für das außenpolitische CDU-Talent
Friedbert Pflüger nicht das geringste Problem dar, gleich
sämtliche Tatsachen auf den Kopf zu stellen, indem er Putins
Rede "Verletzung über die verlorene Weltmachtrolle"
als Motiv unterstellt. Er scheint bei seiner Teilnahme an den
berüchtigten Bilderberg-Konferenz 2006 doch einiges über
Desinformation gelernt zu haben...
Was
also nun hat Putin an Schlimmem verbrochen? Er warnte vor einem
Streben der USA nach monopolarer Weltherrschaft und die NATO vor
einer Politik der "ungezügelten Militäranwendung"
und befand sich mit dieser Diagnose in guter Übereinstimmung mit
jenen einigen tausend Demonstranten, die an den Sperrbezirksgrenzen
mit einem zahlenmäßig überlegenen Polizeiaufgebot
rangelten. Und der Mann hat Recht...
Wenn
Jahr für Jahr mehr als die Hälfte aller Rüstungsausgaben
weltweit auf ein einziges Land entfallen - nämlich die USA -
dann ist Putins Interpretation nun mal faktisch unterlegt, ganz im
Gegensatz zum Partnerschafts-Gesülze einer Angela Merkel, der
man noch kurz vor der Konferenz Schlichtungs- oder gar
Führungskompentenzen andichtete, die sie dort erstmals
demonstrieren sollte. Doch dass Putin ihr da nun erneut die Show
verdarb, dürfte die "Partnerschaft" zwischen beiden
sicher nicht vertiefen...
Ein
offenes Zugehen auf Russland scheint ohnehin nicht wirklich auf
Merkels Agenda gestanden zu haben - oder wie es sonst ist es zu
erklären, dass nur 2 Tage vor der Konferenz ausgerechnet
2.Garde-Politiker der Union in unseren Medien (Link)
eine Menge Blödsinn
über die hinter den Kulissen offenbar längst abgesprochene
Ausdehnung des US-amerikanischen Raketenabwehr-Schirms nach Polen und
Tschechien absondern dürfen? Vielleicht wäre es ratsam,
dass Frau Merkel - bevor sie die Welt zu führen gedenkt - es
zunächst einmal mit Führung in ihrer eigenen Partei
probiert.
Das
Argument der oben erwähnten Hinterbänkler nämlich -
diese Aufrüstung sei notwendig, um Langstrecken-Raketen aus Iran
und Nordkorea abzufangen, gehört ja nun eindeutig direkt in die
Bütt (gut - dass Karnevalszeit ist...). Weder verfügen
Nordkorea oder Iran über derartige Raketen noch werden sie dies
auf absehbare Zeit tun. Eine Installation der US-Raketenabwehr in
Polen und Tschechien ist damit eindeutig nichts weiter, als ein
unfreundlicher Akt vom Format der Kuba-Krise gegenüber der
einzigen außer den USA noch nennenswerten Nuklearmacht auf
dieser Welt: Russland.
Wer
Russland ernsthaft in eine gemeinsame Sicherheitsstrategie und
Friedenspolitik einbinden will, kann nicht wirklich erwarten, das
dieses Land eine derartige Entwertung seines Nuklearpotentials auch
noch mit artigen Worten auf Sicherheitskonferenzen goutiert -
zumindest solange er noch bei Verstand ist.
Will
man unserer immer jugendlicher und dynamischer werdenden
Politikerkaste nicht wirklich den Verstand absprechen, bleibt allein
die bewusste Lüge als Erklärung. So oder so wird der Eklat
zu München nicht zu einem wirklich zufälligen Ereignis,
sondern man kann ihn durchaus auch als gezielt provoziert angesehen.
Und hierfür wird es Gründe geben - und bei diesen Gründen
spielt der militärische Zwerg Deutschland samt seiner um Profil
bemühten Kanzlerin nicht wirklich eine Rolle.
Russland
mag Demokratie-Defizite und Probleme mit dem postkommunistischen
Chaos im Land haben - aber Russland ist nach wie vor die weltweit
einzige Macht, die ein halbwegs ernst zu nehmendes atomares
Gegengewicht zu den USA bilden. Der Aufbau einer wirksamen
Raketenabwehr praktisch direkt vor der russischen Haustür zielt
präzise darauf, diesen Umstand zugunsten der USA abzuändern.
Wie allgemein bekannt, ist nämlich die Startphase von
Interkontinental-Raketen die verwundbarste Phase ihres
Missionsprofils. Vor allem hier kann eine Raketenabwehr
wirksam agieren wenn sie sich genügend nah am Startort befindet - während die Erfolgsaussichten für
eine Abwehr von Mehrfachsprengköpfen in der Endanflugphase eher
hypothetischer Natur sind. Und schließlich wollen wir auch nicht
ganz vergessen, dass es die USA waren, die am 13. Juni 2002 einseitig von ihrem
Vertrag mit Russland über die Begrenzung der Raketenabwehr
zurücktraten.
Dies
ist alles nicht neu, sondern aus den Tagen des kalten Kriegs noch
allerbestens bekannt - und auch nach dem proklamierten Abtritt
Russlands von der Bühne der Weltmächte hat sich an der Lage
wenig geändert. Inzwischen aber ist wohl festzustellen, dass der
Versuch einer stillen Übernahme der russischen Volkswirtschaft
durch das internationale Finanzkapital am nicht ungeschickten
Widerstand Putins gescheitert ist. Sie erinnern sich ja vielleicht
noch an den Fall Chodorkowskij - dieser bemühte sich seinerzeit
nämlich nicht nur um politische Macht in Russland, sondern vor
allem auch um einen Einstieg des amerikanischen Ölmultis Exxon
Mobile bei seinem Konzern Yukos, womit Yukos zu einem internationalen
Ölkonzern geworden wäre, der vom Kreml weit schwieriger
hätte unter Druck gesetzt werden können.
Dem
kam der Kreml eben zuvor - und Chodorkowskij verbüsst derzeit
seine 8-jährige Haftstrafe. Der Aktion wird seitens westlicher
Medien zwar der Nimbus eines Schauprozesses angedichtet, doch wird
etwas Wahres schon dran gewesen sein - durch artiges Befolgen von
Gesetzen jedenfalls wird man gerade in Russland gewiss nicht
innerhalb weniger Jahre zum reichsten Mann des Landes. Doch alle
Entrüstung hierzulande (interessanterweise besonders seitens
Politiker der FDP und Grünen) hat es nicht aufhalten können.
Die Zeiten haben sich gewandelt und arbeiten nunmehr für das
heute noch in Schwierigkeiten befindliche, aber eindeutig
aufstrebende Land. Mit seinen enormen Rohstoffreserven ist es wohl
das wirtschaftlich unabhängigste Land der Welt und seine
Reserven wird die Weltwirtschaft auf Dauer schlicht nicht
boykottieren können. Dies bekam auch Partnerschafts-Expertin
Merkel zu spüren als es kürzlich um eine
Energie-Partnerschaft zwischen EU und Russland ging.
Hört
man indes McCain aufmerksam zu, lässt sich schon ahnen, was die
republikanischen "Urdemokraten" der USA so alles in der
Planungs-Schublade haben könnten, um sich dann im
Post-Iran-Zeitalter auch noch an die Kontrolle der russischen
Rohstoff-Reserven zu bringen. Da wird dann hier mal das Einlochen
eines Wirtschafts-Ganoven hochstilisiert - dort ein zweifelhafter
Ex-Mehrfachagent ermordet - dazu als Garnitur noch ein paar (von wem
auch immer) ermordete Journalisten und schon ist in unseren gelenkten
Medien jene Achse des Bösen flugs verlängert, die es fortan
entschlossen und natürlich mit allen Mitteln - besonders den
präventiven - zu bekämpfen gilt.
Doch
im Falle Russlands hat die Sache einstweilen allerdings noch einen
Haken - denn das russische Nuklearpotential lässt sich eben
nicht, wie alles andere sonst, so einfach weglügen. Hierin liegt
unausweichlich ein unkalkulierbares Risiko für jede Art
verdeckter oder offener Aggression. Und dies ist den neuen Herren der
Welt in Washington ein Dorn im Auge und deswegen muss eine
Raketenabwehr in Polen und Tschechien her und nicht etwa wegen
hypothetischer Langstreckenraketen des Iran, die es noch gar nicht
gibt und noch auf längere Zeit nicht geben wird.
Zudem
- selbst wenn der Iran über solche Rakteten samt dazugehörigen
Atomsprengköpfe und Technik verfügen würde - jeder
iranischen Führung müsste klar sein, dass sie mit ihrem
"Erstschuss" gegen die westliche Welt ein Echo
heraufbeschwört, das weder Führung noch Land überleben
würde. Iranische Raketen spielen - wenn überhaupt irgendwo
- nur eine wichtige Rolle im Konfrontationsszenario mit Israel - wo
dann amerikanische Raketenabwehr in Polen und Tschechien wiederum
doch ziemlich deplaziert wirkt - womit die Sachlage dann endgütlig
und eindeutig klar ist.
Angesicht
dieser wahren Lage setzt der außenpolitische Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion, Eckart von Klaeden, der partnerschaftstrunkenen
Politik seiner Kanzlerin noch geradewegs die Narrenkappe auf - ein
Zitat von hier
als Kostprobe: "...Man sollte auch die Möglichkeit nicht
außer Acht lassen, die Russen einzubeziehen", so der
CDU-Politiker, der die Regierung in Moskau aufforderte, darzulegen,
wieso der Raketenschirm gegen die Interessen Russlands gerichtet sein
könnte...". Natürlich muss Russland ein grandioses
Interesse daran haben, in den Schutz eines Raketenschirms gegen seine
eigenen Raketen zu gelangen.... taa-taa, taa-taa...
Und
wieder grüßt Absurdistan unmissverständlich - mehr
als all das Oberflächliche muss indes die wachsende
Unverfrorenheit der Lügen als in höchstem Maße
besorgniserregend eingestuft werden, die u.a. von solchen Akteuren
besonders gerne verbreitet werden, die diesem ein wenig nach etwas
verspäteten Schüleraustausch anmutenden Verein
Atlantik-Brücke e.V nahe stehen. Von Klaeden sitzt hier
immerhin im Präsidium - und schauen sie doch mal hier,
wen wir da nicht noch alles haben - als "Ehrenvorsitzenden"
den vor allem für seine herausragende Rolle in der
CDU-Spenden-Affäre bekannten Walther Leisler Kiep und als als
Grußwortschreiber hier
den Vater des friedliebenden Vollblut-Christ-Demokraten George Walker
Bush.
Ich
denke - deutlicher können Hinweise kaum noch sein, dass es
unserer Kanzlerin alles andere als zusteht, merkwürdige Zustände
in Russland zu beklagen. Abgesehen davon, dass ein Auskehren im
eigenen Hause mehr als überfällig ist - scheint sie
grundsätzlich überfordert, auf der Sicherheitskonferenz
nach dem wahlbedingten Ausfall Frankreichs Akzente zu setzen, die den
tatsächlichen sicherheitspolitischen Interessen Europas auch
entsprechen. Doch dies scheint chronisch - denn bereits im Vorfeld
des Irak-Krieges bewies die heutige Kanzerlin erstaunlich wenig
Berührungsängste mit Krieg als Mittel von Politik.
Auf
die Tagesordnung der Konferenz hätte vor allem eines gehört
- die grandiosen Pleiten der militärischen Interventionspolitik
der NATO, wie sie im Kosovo und in Afghanistan zu konstatieren sind.
Auch hier hat Putin Recht, wenn er feststellt, das ungezügelte
Militäranwendung vorhandene Probleme regelmäßig
vergrößert statt sie zu lösen. Diese Lehre hätte
Präsident Bush aus seinem Privat-Krieg im Irak eigentlich längst
ziehen können - wenn er denn gewollt hätte. Doch dieser
Mensch bringt es fertig, das ganze öffentlich als Fehler zu
deklarieren und zugleich gegen alle Widerstände das
Truppenkontingent im Irak zu erhöhen.
Währenddessen
tischt der Untersuchungsbericht des Geheimdienstausschusses im
US-Senat (Link)
der Öffentlichkeit eine geradezu haarsträubende
Räuber-Pistole als angebliche Ursache für den Irak-Krieg
auf: Irgendein Abteilungsleiterchen soll nun Schuld gewesen sein an
dem Disaster - und der arme Präsident wusste von all dem nichts.
Die Äußerungen diverser Vertreter der Bush-Administration
zu Irak gleich zu Amtsantritt waren dann vermutlich wohl Versprecher.
Wie wir ja auch hierzulande wissen, können solche Black-Outs ja
schon mal vorkommen. Unsere Meinung: wer von all dem nichts weiß,
sollte einfach besser nicht Präsident der größten
Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt sein oder sonst irgendwie
deren Regierung angehören.
Das
Beklemmende an all dem ist nur, dass dies keine
Karnevalsveranstaltung ist, sondern blanker Ernst. Ein Ernst, der
sich bald erneut unvermittelt in jenen der blutigen Sorte verwandeln
könnte. Immerhin ist dem Vernehmen nach ein weiterer
Trägerverand der US-Marine schon auf seinem Weg in Richtung
persischer Golf und wir dürfen beunruhigt der großen
Frühjahrsoffensive der NATO in Afghanistan entgegen sehen.
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