Bereits
zum zweiten Male innerhalb weniger Wochen konnte man in Deutschland
Zeuge eines merkwürdigen Schauspiels werden - neben allgemein
zunehmender Beeinflussungsversuche von überwiegend höheren
Vertretern beider "Amtskirchen" in Richtung Politik
scheinen vor allem katholische Würdenträger nunmehr zum
offenen Angriff überzugehen. War es vor einigen Tagen der
Erzbischof von Köln Joachim
Kardinal Meisner, der es für nötig hielt, den sich auf
den CSU-Vorsitz bewerbenden Seehofer wegen seiner Affaire öffentlich
zu demontieren,
so hat es diesmal Kollege Walter
Mixa, Bischof von Augsburg, gleich richtig krachen
lassen. Die Pläne der Familienministerin Ursula von der Leyen
(CDU) in Punkto Kinderbetreuung degradiere die Frau zur
"Gebärmaschine" und - das sollte jeden
Langzeitarbeitslosen mehr als erstaunen - in ihrem Ministerium
herrschten "sozialistische" Verhältnisse.
Starker
Tobak - gegen den selbst Äußerungen des CSU-Hau-drauf
Söder fast wie hohe Diplomatie wirken - und der Fragen aufkommen
lässt. Wie weit sind wir denn eigentlich in Deutschland gekommen?
Regieren hierzulande nach den Unternehmerverbänden etwa nun auch
schon wieder die Kirchen mit? War der Papst-Ausrutscher
vor einem halben Jahr etwa doch kein Ausrutscher, sondern eher ein
Produkt subjektiv empfundenen Machtzuwachses?
Was
das Mitregieren angeht, solllte man den Einfluss vor allem der
katholischen Kirche keineswegs unterschätzen - eine
beträchtliche Anzahl deutscher Spitzenpolitiker gehörte
mindestens zu ihren Studienzeiten einer Studentenverbindung aus dem
Dunstkreis des stramm konservativ ausgerichteten Katholischen
Cartell-Verbandes
nahe. Bei der Union - und ganz besonders bei der CSU - scheint sich
dieses Phänomen besonders zu konzentrieren.
Dies
ist nicht unbedingt ein Fall für die leichte Schulter - denn die
Wurzeln des Cartellverbandes reichen zurück bis in die Zeiten
des Kulturkampf im 19. Jahrhunderts, als Bismarck und der
preußische Staat versuchten, den Einfluss der katholischen
Kirche zurückzudrängen. Immerhin vollbrachte diese auf
ihrem 1.Vatikanischen Konzil 1870 etwas derart Sinnvolles, wie das
Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in die Welt zu setzen. Zuvor
schon hatte die Katholische Kirche begonnen, sich vermehrt um die
Eliten des Landes zu bemühen - durch Förderung jener
Studenten-Korporationen, die sich gegen eher
republikanisch-revolutionäre Studentenverbindungen zur Erhaltung
und Pflege katholischer Weltsicht formierten. Heute ist CV ist der
bei weitem größte interdisziplinäre Akademikerverband
Europas - ihm gehören 127 Verbindungen mit zusammen rund 30.000
Mitglieder an, davon etwa 6.000 Studenten.
Das
ist bei weitem mehr als nichts - es könnte ganz nebenbei auch
eine recht plausible Erklärung für die auffallende Tendenz
der EU zur Entdemokratisierung liefern. (Wär ja nicht das erste
mal...). Sicher dürfte jedenfalls heute wohl sein, dass im
bayrischen Wahlkampf 2008 auch im 21. Jahrhundert noch die Kanzel
wieder eine Rolle spielen wird. Ein Umstand, der schon mit zu den
Ursachen der schwäbischen Bauernaufstände 1529 zählte
(die Menschen verlangen dort, dass von der Kanzel nur noch Gottes
Wort - und sonst nichts - gepredigt werde...).
Sowohl
Joachim Meisner wie auch Walter Mixa entspringen dem irrational
strenggläubigen Kulturkreis Schlesiens - und dementsprechend
schaut auch ihre Haltung aus. Besonders Mixa fällt da auf - da
er in seinen jüngsten Büchern und Predigten immer wieder
die Frage aufwirft, was noch von der These des angeblich aufgeklärten
20. Jahrhunderts übrigbleibt (im Gegensatz zum finsteren
katholischen Mittelalter), angesichts der geschätzten 125 Mio.
Toten von Kriegen und Greuelherrschaft des letzten Jahrhunderts.
Diese Frage grenzt an blanken Zynismus, wenn sie von einer
Organisation kommt, die man seit jeher überall und immer in intimer
Nähe zur Macht fand.
Vielleicht
sollte Kollege Meisner seinen Schizophrenie-Verdacht mal eher in
diese Richtung lenken - denn Mixa ist nämlich nebenbei auch noch
eines: deutscher katholischer Militärbischof! Vermutlich wird er
Bundeswehrgerät besonders gerne segnen, wenigstens solang es für
den islamischen Raum bestimmt ist. Meisner's Moral-Gardinenpredigt
gegenüber Seehofer jedenfalls kann angesichts der Praxis der
katholischen Kirche in Punkto sexueller Missbrauch ohnehin nicht
gerade überzeugende Glaubwürdigkeit eingeräumt werden.
Die
Amtskirchen haben genau betrachtet nicht unbedingt so sehr viel
Recht, Greuelherrschaft zu beklagen - denn auch Stukas mit dem
Hakenkreuz auf dem Leitwerk flogen keineswegs "ungesegnet"
in ihre Schlachten. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, regte
sich derart wenig Widerstand in den Kirchen, dass der Frage nach den
genauen Ursachen für diese offensichtliche Lethargie gar nicht
eindringlich genug nachgegangen werden kann. Der seinerzeit absehbare
Umstand, dass vor allem Juden (und ein paar Sozialisten, um die es ja
eh nie schade ist) die Hauptleidtragenden des aufziehenden perversen
Ungeist sein würden, wird es doch wohl nicht gewesen sein - oder
etwa doch?
Nun
- bleiben wir im Heute. Was ist so falsch an einer Ausweitung der
Kinderbetreuung? Es muss an den Gralshütern katholischer
Unvernunft wohl vorüber gegangen sein, dass wir heute in einer
völlig anderen Geselllschaft leben als noch vor 500 Jahren. Auch
Frauen haben heute ein Recht auf Selbstverwirklichung und Berufsleben
- mehr als die Hälfte aller Ehen wird geschieden. Die Ehe als
lebenslanges Versorgungs- oder auch Unterdrückungsinstitut für
Frauen hat längst ausgedient. So ist es heute für Frau
vernünftiger denn je, ihre eigene berufliche Basis und ihre
eigenen Rentenansprüche zu schaffen. Daran ist a priori nichts
Falsches und darunter leiden auch keine Kinder.
Eine
Frau ist ein vollwertiges Gesellschaftmitglied genau wie ein Mann -
und auch unsere vorübergehend noch gültige Verfassung
stellt sie diesem gleich - ob es der katholischen Kirche nun in den
Kram passt oder nicht. Junge Eltern gehen mit der Erziehung ihrer
Kinder heute keineswegs weniger verantwortungvoll um, als zu
erzkatholischen Zeiten - wo Klöster als Ausbeutungsinstitute für
viele Frauen die letzte Zuflucht waren (nicht wenige des Restes
brannten auf Scheiterhaufen).
Heute
entscheiden sich viele junge Paare gegen Kinder - nicht dies nicht
nur aber auch, weil es nicht genügend Angebote gibt,
Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen. Von
alleinerziehenden Frauen ganz zu schweigen, die selbst bei
bestehenden Angeboten oft nicht das Geld für Kinderbetreuung
haben. Was Mixa uns da aber verkaufen will, ist und bleibt eine
Mogelpackung - hier soll in Wahrheit der Status der Frau um einige
100 Jahre zurück gebeamt werden, und das auch noch staatlich
gefördert. Und alles natürlich für all die armen
Kinderchen, die ja so arg unter einer selbstbewussten und unabhänigen
Mutter leiden...
Wenn
Mixa sich wirklich so viel Sorgen um eine ungestörte Jugend von
Kindern macht, dann läge eine Auseinandersetzung mit der
katholischen Umgangspraxis im Falle von sexuellem Missbrauch
Jugendlicher ja wohl wesentlich näher, als eine Einmischung der
hierzu nicht berechtigten Kirche in Fragen, die allein den Staat und
den Souverän angehen.
Auch
In Punkto soziale Misstände beweisen die Amtskirchen generell
nicht unbedingt jene Sensibilität in sozialen Fragen, die bei
solchen Vorstößen immer so gerne geheuchelt wird - die
Caritas jedenfalls spricht ihren eigenen Grundsätzen hohn, wenn
sie tausende von Menschen durch Entlassung um ihr Brot bringt - und
durch billige 1€-Zwangsarbeiter ersetzt. Offenbar steht da der Tanz
um das goldene Kalb doch weit mehr im Vordergrund, als man zuzugeben
bereit ist.
In
der modernen Gesellschaft brauchen Menschen eine auskömmlich
bezahlte Arbeit - Frau wie Mann - und keine Herumschubserei im Sinne
aller möglichen, nur nie der eigenen, Interessen. Die
katholische Kirche ist politisch nichts mehr als nur ein
Interessenverband - ein Partikularinteresse - an dessen Spitze ein
für unfehlbar gehaltener Mensch steht. Die Protestanten sind
zwar mancher alten Erblast ledig - doch leben letztlich auch ihre
Vertreter nicht wirklich schlecht auf Kosten der Gesellschaft - und
damit ergibt sich eine bisweilen auch real zu beobachtende
Übereinstimmmung vor Partikularinteressen.
Man
sollte sich für immer merken - Zuwachs für ein
Partikularinteresse vollzieht sich niemals kostenlos. Wo immer einem
Partikularinteresse mehr Raum eingeräumt wird, zahlt irgendwo in
der Gesellschaft jemand dafür. So ist es heute mit den von
Steuer entlasteten Reichen, mit der Diktatur der Arbeitgeber auf dem
Arbeitsmarkt und nicht zuletzt auch mit den Machtgelüsten der
für eine demokratische, vernunftorientierte Gesellschaft völlig
ungeeigneten Kirchen. Wer die "guten alten Zeiten" für
wirklich gut hält, soltle sich zunächst einmal informieren,
wie diese denn wirklich ausgesehen haben. In kaum einem Land Europas
hat da die verklärende irreale Sichtweise der Romantik mehr
Schaden angerichtet als in Deutschland.
Es
wäre schön, wenn sich die Kirchen an einen Ausspruch von
Jesus erinnern würden... "Gebt dem König, was des
Königs ist...". Der König, der Souverän - das
ist heute das Volk (zu dem neben Christen aller Schattierungen auch
Moslems, Buddhisten, Gnostiker u.v.m. zählen) - und hoffentlich
nie wieder die katholische oder eine sonstige Kirche. Die
privilegierten "Amtskirchen" sollte sich - gerade im Wissen
um ihren jahrhundertelangen Intensiv-Beischlaf mit der Macht - aus
der Politik ganz heraushalten. Was wir brauchen, ist keine auf das
Christentum verengte, sondern eine für alle Menschen geeignete,
zukunftsorientierte Gesellschaft.
Diese
Vorstöße und die generell wachsende Medienpropaganda für
rückwärtsgewandte Religions-Romantik indes lässt
fraglich erscheinen, welche Motivation dem Ganzen in Wahrheit
zugrunde liegen könnte. Allzu viel riskieren die Kirchenoberen
ja nicht - dazu sitzt das Ganze zu sehr im Sattel. Wohl aber könnte
es der Union nutzen - plötzlich als scheinbare Kämpfer für
den Fortschritt da zu stehen - die sie in Wahrheit heute noch weniger
als jemals zuvor sind.
ARTIKELENDE
CogitoSum
- Beitragskritik:
Religion
- Grundlagen:
Gesellschaft -
Randbereiche:
|