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Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Freitag, 23. Februar 2007

Bereits zum zweiten Male innerhalb weniger Wochen konnte man in Deutschland Zeuge eines merkwürdigen Schauspiels werden - neben allgemein zunehmender Beeinflussungsversuche von überwiegend höheren Vertretern beider "Amtskirchen" in Richtung Politik scheinen vor allem katholische Würdenträger nunmehr zum offenen Angriff überzugehen. War es vor einigen Tagen der Erzbischof von Köln Joachim Kardinal Meisner, der es für nötig hielt, den sich auf den CSU-Vorsitz bewerbenden Seehofer wegen seiner Affaire öffentlich zu demontieren, so hat es diesmal Kollege Walter Mixa, Bischof von Augsburg, gleich richtig krachen lassen. Die Pläne der Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Punkto Kinderbetreuung degradiere die Frau zur "Gebärmaschine" und - das sollte jeden Langzeitarbeitslosen mehr als erstaunen - in ihrem Ministerium herrschten "sozialistische" Verhältnisse.

Starker Tobak - gegen den selbst Äußerungen des CSU-Hau-drauf Söder fast wie hohe Diplomatie wirken - und der Fragen aufkommen lässt. Wie weit sind wir denn eigentlich in Deutschland gekommen? Regieren hierzulande nach den Unternehmerverbänden etwa nun auch schon wieder die Kirchen mit? War der Papst-Ausrutscher vor einem halben Jahr etwa doch kein Ausrutscher, sondern eher ein Produkt subjektiv empfundenen Machtzuwachses?

Was das Mitregieren angeht, solllte man den Einfluss vor allem der katholischen Kirche keineswegs unterschätzen - eine beträchtliche Anzahl deutscher Spitzenpolitiker gehörte mindestens zu ihren Studienzeiten einer Studentenverbindung aus dem Dunstkreis des stramm konservativ ausgerichteten Katholischen Cartell-Verbandes nahe. Bei der Union - und ganz besonders bei der CSU - scheint sich dieses Phänomen besonders zu konzentrieren.

Dies ist nicht unbedingt ein Fall für die leichte Schulter - denn die Wurzeln des Cartellverbandes reichen zurück bis in die Zeiten des Kulturkampf im 19. Jahrhunderts, als Bismarck und der preußische Staat versuchten, den Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen. Immerhin vollbrachte diese auf ihrem 1.Vatikanischen Konzil 1870 etwas derart Sinnvolles, wie das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in die Welt zu setzen. Zuvor schon hatte die Katholische Kirche begonnen, sich vermehrt um die Eliten des Landes zu bemühen - durch Förderung jener Studenten-Korporationen, die sich gegen eher republikanisch-revolutionäre Studentenverbindungen zur Erhaltung und Pflege katholischer Weltsicht formierten. Heute ist CV ist der bei weitem größte interdisziplinäre Akademikerverband Europas - ihm gehören 127 Verbindungen mit zusammen rund 30.000 Mitglieder an, davon etwa 6.000 Studenten.

Das ist bei weitem mehr als nichts - es könnte ganz nebenbei auch eine recht plausible Erklärung für die auffallende Tendenz der EU zur Entdemokratisierung liefern. (Wär ja nicht das erste mal...). Sicher dürfte jedenfalls heute wohl sein, dass im bayrischen Wahlkampf 2008 auch im 21. Jahrhundert noch die Kanzel wieder eine Rolle spielen wird. Ein Umstand, der schon mit zu den Ursachen der schwäbischen Bauernaufstände 1529 zählte (die Menschen verlangen dort, dass von der Kanzel nur noch Gottes Wort - und sonst nichts - gepredigt werde...).

Sowohl Joachim Meisner wie auch Walter Mixa entspringen dem irrational strenggläubigen Kulturkreis Schlesiens - und dementsprechend schaut auch ihre Haltung aus. Besonders Mixa fällt da auf - da er in seinen jüngsten Büchern und Predigten immer wieder die Frage aufwirft, was noch von der These des angeblich aufgeklärten 20. Jahrhunderts übrigbleibt (im Gegensatz zum finsteren katholischen Mittelalter), angesichts der geschätzten 125 Mio. Toten von Kriegen und Greuelherrschaft des letzten Jahrhunderts. Diese Frage grenzt an blanken Zynismus, wenn sie von einer Organisation kommt, die man seit jeher überall und immer in intimer Nähe zur Macht fand.

Vielleicht sollte Kollege Meisner seinen Schizophrenie-Verdacht mal eher in diese Richtung lenken - denn Mixa ist nämlich nebenbei auch noch eines: deutscher katholischer Militärbischof! Vermutlich wird er Bundeswehrgerät besonders gerne segnen, wenigstens solang es für den islamischen Raum bestimmt ist. Meisner's Moral-Gardinenpredigt gegenüber Seehofer jedenfalls kann angesichts der Praxis der katholischen Kirche in Punkto sexueller Missbrauch ohnehin nicht gerade überzeugende Glaubwürdigkeit eingeräumt werden.

Die Amtskirchen haben genau betrachtet nicht unbedingt so sehr viel Recht, Greuelherrschaft zu beklagen - denn auch Stukas mit dem Hakenkreuz auf dem Leitwerk flogen keineswegs "ungesegnet" in ihre Schlachten. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, regte sich derart wenig Widerstand in den Kirchen, dass der Frage nach den genauen Ursachen für diese offensichtliche Lethargie gar nicht eindringlich genug nachgegangen werden kann. Der seinerzeit absehbare Umstand, dass vor allem Juden (und ein paar Sozialisten, um die es ja eh nie schade ist) die Hauptleidtragenden des aufziehenden perversen Ungeist sein würden, wird es doch wohl nicht gewesen sein - oder etwa doch?

Nun - bleiben wir im Heute. Was ist so falsch an einer Ausweitung der Kinderbetreuung? Es muss an den Gralshütern katholischer Unvernunft wohl vorüber gegangen sein, dass wir heute in einer völlig anderen Geselllschaft leben als noch vor 500 Jahren. Auch Frauen haben heute ein Recht auf Selbstverwirklichung und Berufsleben - mehr als die Hälfte aller Ehen wird geschieden. Die Ehe als lebenslanges Versorgungs- oder auch Unterdrückungsinstitut für Frauen hat längst ausgedient. So ist es heute für Frau vernünftiger denn je, ihre eigene berufliche Basis und ihre eigenen Rentenansprüche zu schaffen. Daran ist a priori nichts Falsches und darunter leiden auch keine Kinder.

Eine Frau ist ein vollwertiges Gesellschaftmitglied genau wie ein Mann - und auch unsere vorübergehend noch gültige Verfassung stellt sie diesem gleich - ob es der katholischen Kirche nun in den Kram passt oder nicht. Junge Eltern gehen mit der Erziehung ihrer Kinder heute keineswegs weniger verantwortungvoll um, als zu erzkatholischen Zeiten - wo Klöster als Ausbeutungsinstitute für viele Frauen die letzte Zuflucht waren (nicht wenige des Restes brannten auf Scheiterhaufen).

Heute entscheiden sich viele junge Paare gegen Kinder - nicht dies nicht nur aber auch, weil es nicht genügend Angebote gibt, Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen. Von alleinerziehenden Frauen ganz zu schweigen, die selbst bei bestehenden Angeboten oft nicht das Geld für Kinderbetreuung haben. Was Mixa uns da aber verkaufen will, ist und bleibt eine Mogelpackung - hier soll in Wahrheit der Status der Frau um einige 100 Jahre zurück gebeamt werden, und das auch noch staatlich gefördert. Und alles natürlich für all die armen Kinderchen, die ja so arg unter einer selbstbewussten und unabhänigen Mutter leiden...

Wenn Mixa sich wirklich so viel Sorgen um eine ungestörte Jugend von Kindern macht, dann läge eine Auseinandersetzung mit der katholischen Umgangspraxis im Falle von sexuellem Missbrauch Jugendlicher ja wohl wesentlich näher, als eine Einmischung der hierzu nicht berechtigten Kirche in Fragen, die allein den Staat und den Souverän angehen.

Auch In Punkto soziale Misstände beweisen die Amtskirchen generell nicht unbedingt jene Sensibilität in sozialen Fragen, die bei solchen Vorstößen immer so gerne geheuchelt wird - die Caritas jedenfalls spricht ihren eigenen Grundsätzen hohn, wenn sie tausende von Menschen durch Entlassung um ihr Brot bringt - und durch billige 1€-Zwangsarbeiter ersetzt. Offenbar steht da der Tanz um das goldene Kalb doch weit mehr im Vordergrund, als man zuzugeben bereit ist.

In der modernen Gesellschaft brauchen Menschen eine auskömmlich bezahlte Arbeit - Frau wie Mann - und keine Herumschubserei im Sinne aller möglichen, nur nie der eigenen, Interessen. Die katholische Kirche ist politisch nichts mehr als nur ein Interessenverband - ein Partikularinteresse - an dessen Spitze ein für unfehlbar gehaltener Mensch steht. Die Protestanten sind zwar mancher alten Erblast ledig - doch leben letztlich auch ihre Vertreter nicht wirklich schlecht auf Kosten der Gesellschaft - und damit ergibt sich eine bisweilen auch real zu beobachtende Übereinstimmmung vor Partikularinteressen.

Man sollte sich für immer merken - Zuwachs für ein Partikularinteresse vollzieht sich niemals kostenlos. Wo immer einem Partikularinteresse mehr Raum eingeräumt wird, zahlt irgendwo in der Gesellschaft jemand dafür. So ist es heute mit den von Steuer entlasteten Reichen, mit der Diktatur der Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt auch mit den Machtgelüsten der für eine demokratische, vernunftorientierte Gesellschaft völlig ungeeigneten Kirchen. Wer die "guten alten Zeiten" für wirklich gut hält, soltle sich zunächst einmal informieren, wie diese denn wirklich ausgesehen haben. In kaum einem Land Europas hat da die verklärende irreale Sichtweise der Romantik mehr Schaden angerichtet als in Deutschland.

Es wäre schön, wenn sich die Kirchen an einen Ausspruch von Jesus erinnern würden... "Gebt dem König, was des Königs ist...". Der König, der Souverän - das ist heute das Volk (zu dem neben Christen aller Schattierungen auch Moslems, Buddhisten, Gnostiker u.v.m. zählen) - und hoffentlich nie wieder die katholische oder eine sonstige Kirche. Die privilegierten "Amtskirchen" sollte sich - gerade im Wissen um ihren jahrhundertelangen Intensiv-Beischlaf mit der Macht - aus der Politik ganz heraushalten. Was wir brauchen, ist keine auf das Christentum verengte, sondern eine für alle Menschen geeignete, zukunftsorientierte Gesellschaft.

Diese Vorstöße und die generell wachsende Medienpropaganda für rückwärtsgewandte Religions-Romantik indes lässt fraglich erscheinen, welche Motivation dem Ganzen in Wahrheit zugrunde liegen könnte. Allzu viel riskieren die Kirchenoberen ja nicht - dazu sitzt das Ganze zu sehr im Sattel. Wohl aber könnte es der Union nutzen - plötzlich als scheinbare Kämpfer für den Fortschritt da zu stehen - die sie in Wahrheit heute noch weniger als jemals zuvor sind.


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