Die
Realität zeichnet ein bedenkliches Bild von den vorläufigen
Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Wie in diesem Spiegelartikel
zur Abwechslung mal sehr deutlich nachzulesen, entpuppen sich viele
Versprechungen und Verheißungen der herrschenden Politiklinie
im harmlosesten Fall als naive Luftschlösser, im schlimmeren als
vorsätzliche Täuschungen, mit denen den Bürgern
weitere Zustimmung zu ihrer Politik des Kotaus vor Wirtschaft und
Wirtschaftsverbänden entlockt werden soll. Die Politik scheint
sich in weiten Teilen geradezu vehement der Erkenntnis zu verweigern,
dass den Forderungen und Kampagnen der Wirtschaft längst nicht
mehr gesamtgesellschaftliches Anliegen innewohnt, sondern vielmehr
die rücksichtslose Umsetzung der eigenen Interessen.
Ich
will hier nun nicht mit aller Gewalt einer wirtschaftsfeindlichen
Politik das Wort reden - ganz offensichtlich kann es einer
Gesellschaft ebenfalls nicht viel Gutes bringen, ihre Wirtschaft aus
Prinzip zu malträtieren - etwa in der Art, wie es dem linken
politischen Flügel so gerne unterstellt wird. Und doch tut
Änderung immer dringender not - einige Jahrzehnte fuhren ganze
Generationen von Politikern gut damit, der Wirtschaft die Hand zu
reichen, ihr im Austausch für bei Wahlen Verwertbares den einen
oder anderen Liebesdienst zu erweisen. Doch inzwischen lässt
sich immer weniger verbergen, dass es wohl das falsche Gen gewesen
ist, welches sich da über die Politikergenerationen der letzten
Jahrzehnte vererbt hat.
Auch
angesichts nie da gewesener Traumgewinne bleibt das Job-Saldo bei den
20 größten DAX-Unternehmen weiterhin von tief roten Zahlen
geprägt - 12.000 neu geschaffenen stünden 55.000 abgebaute
Stellen gegenüber, wird im o.a. Artikel geklagt und auch mit
Recht beklagen dort Gewerkschaften die sich rapide verschlechternde
Position von Arbeitnehmern in Betrieben. Die zitierte Antwort des
Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin
Kannegiesser, erfolgt genauso zu recht: "...Kannegiesser
verteidigte das Vorgehen hingegen als notwendig. Ein guter Gewinn
allein reiche nicht aus, strukturelle Probleme in Unternehmen zu
überwinden, wozu auch überzähliges Personal gehören
könne, sagte er der ARD. Eine Firma könne auch bei
günstiger Ertragslage nicht Mitarbeiter behalten, die sie nicht
brauche." Hier erhebt sich doch die Frage, wieso sich unsere
Gesellschaft mehr noch als andere krumm legt, ebensolche Gewinne zu
ermöglichen.
Wow
- die Realität ist für einen kurzen, und leider viel zu
seltenen, Moment sogar bis in unsere Medien vorgedrungen.
Kannegiesser hat doch durchaus Recht: Unternehmen sind keine
Wohlfahrtsverbände, sie müssen auf den Märkten um ihre
Marktanteile kämpfen. Und dies werden sie auch in Zukunft und
das vermutlich deutlich härter als in der Vergangenheit tun
müssen - zumal uns mit dem Klimawandel und der
Ressourcenverknappung mittelfristig alles andere als entgegenkommende
Randbedingungen ins Haus stehen.
Dass
die Wirtschaft ausschließlich nach ihren Kriterien agiert war,
ist und muss zulässig sein - ja von der systematischen
Einordnung der Wirtschaft in die Gesellschaft geradezu gewollt. Somit
ist die gegenwärtige Verwerfung im Gesellschaftsgefüge
nicht unbedingt der Wirtschaft anzulasten, sondern eher jenem System,
das diese zugelassen hat: die Politische Führung. Anders als die
Wirtschaft ist die nämlich dazu aufgerufen, die Interessen der
Menschen im Lande auch unter sich wandelnden Bedingungen immer wieder
Geltung zu verschaffen und innerhalb der Gesellschaft für ein
ausgewogenes Spiel der Kräfte zu sorgen. Der Job des
Angeordneten ist mit dem Eingang der Diäten auf seinem Konto
keineswegs getan - wie heutige Abgeordnete vom Typus Merz zu glauben
scheinen.
Besonders
die Union befindet sich diesbezüglich in einer Sackgasse, die am
oben geschilderten Szenario mehr als deutlich wird. Ihre und
Schröders Politik des Kungelns mit der Wirtschaft hat sich
überlebt und muss sich inzwischen eine Unmenge
gesellschaftlichen Flurschadens zurechnen lassen. Sinnlose
Steuersenkungen und Ausverkauf von Gemeinschaftseigentum haben den
Staat verarmt, der Binnenmarkt wurde an den Rand der Rezession
geführt und die Arbeitnehmer zu Geiseln von sich rapide aus
Deutschland verabschiedenden Großkonzernen gemacht.
Dies
sind keine Zukunftsvisionen, sondern bereits in diesem Moment
bestehende Realität im Land. Auf den Dank für diese Politik
in Form von bei Wahlen verwendbaren Erfolgen indes wird man wie schon
seit Zeiten Kohls weiter vergeblich warten - denn wie Kannegiesser
sehr deutlich sagt, die Wirtschaft muss sich eben um ihre Belange und
nicht die des Staates oder der Gesellschaft kümmern.
Anders
ausgedrückt: jeder Handbreit Bodens, den es Wirtschaft bei der
längst überfälligen Restaurierung
gesamtgesellschaftlicher Vernunft abzuringen gilt, wird erbittert zu
erkämpfen sein. Was wenn nicht dies, wäre das Signal für
die Politik von Union, FDP, Grünen und auch der
Sozialdemokratie, ihre Konsens-Kungelei-Politik von gestern endlich
komplett in den Mülleimer zu treten und durch eine wieder
knallhart an gesellschaftlichen Interessen orientierte Politik zu
ersetzen?
Es
drängt sich massiv der Eindruck auf, dass in weiten Teilen der
Politik heute weiter an alten, inzwischen realitätsfernen
Konzepten deswegen so verzweifelt festgehalten wird, weil es dort
nichts anderes gibt als Leere - keine Vision, kein Plan, keine
Strategie. Und dazu eine Mannschaft, die fast komplett vom falsch
vererbten Gen geprägt ist. Hilfe zu erwarten ist auch von
Professoren und Instituten nicht - hierzu sei nur auf den Hamburger
Appell deutscher Wirtschaftsprofessoren verwiesen - der alles
mögliche anhaftet, nur nicht das Potential, Pfade zu
gesellschaftsverträglicher Zukunftspolitik aufzuzeigen. Das ist
zwar traurig aber nicht wichtig - denn nicht die Professoren stehen
in der politischen Verantwortung, sondern die Politik selbst.
Es
bleibt nur zu hoffen, dass auch das bequeme Wahlvolk hierzulande die
Zeichen der Zeit endlich begreift - die gegenwärtigen
Verwerfungen in Deutschland sind jahrzehntelanger Missachtung der
Vernunft in diesem Bereich und nicht etwa in der Wirtschaft
geschuldet. Die folgt wie immer ihrem Credo: "Nimm was Du
kriegen kannst". und hierfür trägt neben der Politik
vor allem der Wähler Verantwortung, denn er hat nach den Regeln
unserer Gesellschaft diese Entwicklung mehrheitlich gewollt. Dieser
ist es letztlich, der sich nicht mehr herausreden kann - er hätte
das nicht ahnen können oder er sei von Politikern oder Medien
hinter das Licht geführt worden. Denn auch dieser wird es sein,
der die Folgen auszubaden haben wird.
Die
Anklage der Wirtschaft, die Anklage der Politik wird indes wenig für
die Zukunft bringen - denn die längst geschaffenen Fakten werden
sich während der Klagerei weiter und weiter auswirken. Auch der
eine Schalter zum Umsteuern wird sich nicht finden lassen, weil es
ihn nicht gibt. Der Wähler wird neu erlernen müssen, seine
Verantwortung wieder oder vielleicht auch erstmals ernst zu nehmen -
Politik ist nicht die zweitschlechteste Show nach DSDS in
Deutschland, sondern sie ist der Bereich, in dem die Strukturen jener
Realität von morgen beeinflusst werden, die über uns alle
hereinbrechen wird.
Wenn
der Durchschnittsbürger sich heute ein Auto kauft, wird zu Recht
der Werbung misstraut, wird sich umgehört, Testberichte werden
gelesen, das Objekt der Begierde wird Probefahrten und skeptischer
Inaugenscheinnahme unterzogen, mit anderen ähnlichen Objekten
auf Herz und Nieren verglichen usw. - es wird also alles unternommen,
um die eigene Urteilsfähigkeit herzustellen, bevor man seine
Wahl trifft. Mehr als die simple Übertragung dieser
Verhaltensmuster auf die Wahlentscheidung braucht es nicht, um
endlich wieder für mehr Vernunft in der Politik zu sorgen.
Politikern indes ist ohnehin immer ab zu verlangen, dass sie mit
ihrer vom Volk erhaltenen Macht sowie mit dem gehorteten
gesellschaftlichen Tafelsilber verantwortungsvoll umgehen, während
sie die Gesellschaft in die Zukunft führen. Wer dies nicht
anerkennt, hat in der Politik nichts verloren - nicht einmal als
Ratgeber.
Platz
für Rückwärtsgewandtes oder Sentimentalitäten der
Machart: "... hat doch früher immer wunderbar
funktioniert..." ist hier nicht - Kannegiesser schreibt unserer
Gesellschaft hintergründig genau dies ins Stammbuch. Weltweit
stehen wir vor enormen Herausforderungen, von denen die
wirtschaftlichen sich einestages womöglich noch als die
geringsten herausstellen könnten. Als Ansammlung
eigenverantwortlicher und zugleich urteilsunfähiger
Einzelkämpfer wird unsere Gesellschaft diese Herausforderungen
jedenfalls vorhersehbar schlechter bewältigen als die meisten
anderen Gesellschaften. Es braucht Kreativität und wirklich neue
Ideen und Konzepte, um wieder frischen Wind in unsere mehr als
anderswo erstarrte Gesellschaft zu bringen. Derartiges pflegt sich in
Köpfen auf zu halten - womit klar wird, dass dies ohne neue
Köpfe in der Politik schwerlich zu erreichen sein wird, was aber
keineswegs bedeutet, dass jeder neue Kopf automatisch auch Neues
enthielte.
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