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Definition Gesellschaft PDF Drucken E-Mail
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Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Dienstag, 13. März 2007

Aus den Diskussionen zum Modellansatz ist deutlich geworden, dass die Gesellschaft als umfassende Betrachtungsebene unverzichtbar ist, auch wenn sie als abgegrenztes System - wie z.B. der Staat - schwer fassbar ist. Siginifikante Maßnahmen können eigentlich immer erst dann zutreffend bewertet werden, wenn sie im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Hier wird deutlich, wie ungewohnt diese Sichtweise in der Realität noch heute ist - immer schon waren es vor allem die Mächtigen, die diese ebenso logische wie natürliche Sichtweise auf Fragen der menschlichen Gemeinschaft zu unterdrücken suchten. So kommt es auch nicht von Ungefähr, dass neoliberale Ideologie die Existenz der Gesellschaft am liebsten ganz negiert. Die Gesellschaft ist dabei nur deswegen als abgegrenztes System so schwer zu erfassen, weil sie in Wahrheit das umfassende Konstrukt ist - was eigentlich immer schon so war.

Dieser Erkenntnis scheint bei flüchtigem Hinsehen ein Hauch von Anarchie anzuhaften - denn "Vater" Staat und so manch andere überkommene Sichtweise sind auf einmal nicht mehr so wichtig, wie man Menschen jahrhundertelang bis heute eintrichtert. Die Mehrzahl der bis heute noch vorherrschenden Sichtweisen ist von Mächtigen geschaffen, die Menschen und deren Zustimmung für die Ausübung von Macht benötigen. Dies gelang stets am besten, wenn man Menschen im eigenen Einflussbereich suggerierte, wie toll sie selbst und welche Ekelpakete die anderen sind.

Aus welchem Grunde sonst wohl sollten die Armen eines Landes hergehen und ihre Leidensgenossen eines anderen Landes umbringen wollen? Sicher - Menschen haben Aggressionen und sind zu Mord und allerlei anderem Unfug fähig - Krieg aber war zu allen Zeiten eine organisierte Veranstaltung und nicht unbedingt eine spontane natürliche Verhaltensweise von Menschen. Selbst heute noch bedarf es einer Art (faulen) "Zauber" um die Aufhebung des Tötungstabus gegenüber dem Kriegsgegner zu "rechtfertigen" - Propaganda, Lüge sowie das sonstige Arsenal des verdeckten Kampfes sind bis heute die üblichen Mittel, Menschen in - jede Vernunft eigentlich beleidigende - Konflikte und Kriege zu treiben.

Genial in diesem Zusammenhang der Schachzug der Bush-Administration und ihrer Hintermänner - undurchsichtige terroristische Attacken als Notwendigkeit für eigentlich zu Recht längst tabuisierte Angriffskriege zu deklarieren - dies passt so dermaßen gut ins Gesamtkonzept, dass die Fragen ob denn da auch alles mit rechten Dingen zuging, wohl zu recht nicht verstummen wollen. Betrachtet man den gegenwärtigen Zustand der politischen Welt und die Summe verlässlicher Erkenntnis darüber, schreit das geradezu nach Verbot und Auflösung sämtlicher Geheimdienste weltweit. Wer braucht diesen nicht-legitimierten Unsinn eigentlich noch? Die Gesellschaften jedenfalls können auf noch mehr Desinformation vollumfänglich verzichten - da leisten die Medien heute schon ganze Arbeit.

Wollte man die Kriegsgefahr in der Welt wirklich drastisch senken, wäre der wohl effektivste Schritt die Halbierung oder Drittelung der US-Rüstungsausgaben, die dann immer noch um ein vielfaches über denen jedes anderen Staates der Welt lägen. Hier wird zur Abwechslung beweisbar deutlich, wo jenes "alte Denken" in der heutigen Welt eher beheimatet scheint, als ausgerechnet in Europa.

Der Vorteil unserer Gesellschaftskonzeption ist, dass sie sämtlichen Ballastes aus nationalen oder völkischen Utopien entledigt ist. Unsere Gesellschaft ist einfach die Gesamtheit der Individuen, die in einem bestimmten Rechts- und zumeist auch Kulturraum miteinander leben. Das Verhältnis mehrerer so gebildeter Gesellschaften untereinander wird nach Abschluss der Modellierung genauestens zu untersuchen sein - denn dies ist ein wichtiges Thema unserer Zeit und der Zukunft.

Die Gesellschaft an sich ist stets unteilbar und aus ihrer Sicht sind alle Individuen gleich - für alle gilt das gleiche Regelsystem, das ihre Freiräume und auch ihr Leben strukturiert. Die Gesellschaft ist der Vertragspartner in den Gesellschaftsverträgen der Individuen - im Austausch für die von den Individuen eingebrachte Anerkennung (Legitimation) und deren Leistung gewährt die moderne Gesellschaft Teilhabe, Unterhalt und Schutz vor existenzieller Bedrohung. Auch dieser Gesellschaftsvertrag wie der Lebensentwurf hat für alle Individuen gleich auszusehen. Darüberhinaus schafft und unterhält die Gesellschaft eine Reihe notwendiger Systeme zur Erfüllung ihrer Funktionen und um eine möglichst hohe kollektive Leistung zu schaffen, wobei die Systeme zur Kommunikation und Wissensweitergabe eine ganz besonders wichtige Rolle spielen.

Als Träger aller Organisation jedoch kann die Gesellschaft als Ganzes schlecht handeln - hierzu braucht es eines speziellen Systems, dass wir als Staat definieren. Speziell ist dieser, da sich in diesem System alle Aufgaben sammeln, die mit Macht zu tun haben. Der Staat ist das handelnde Organ der Gesellschaft - und er übt Macht aus, indem er Regeln schafft und durchsetzt. In Notfällen gar ist er oft das einzige überhaupt noch handlungsfähige Organ. Das zu seiner Rolle gehörende Recht dazu entspringt direkt jener Legitimation, die die Inviduen ihrer Gesellschaft geben. Mithin wird die reale Umsetzung des Gesellschaftsvertrages unter allen Umständen Ziel aller staatlichen Aktivität. Viele Aufgaben nimmt der Staat mit eigenen Strukturen direkt wahr wie Rechtspflege, Verwaltung, Polizei, Sozialwesen, Bildung, Notfalleinrichtungen und Militär - andere Aufgaben überwacht er, vor allem im Bereich der Wirtschaft.

Seit sich herausgestellt hat, dass moderne Gesellschaften bei hinreichend vernünftiger Verfassung im Frieden, und nicht - wie immer wieder so gern verklärend behauptet - im Krieg ein enormes Leistungspotential entfalten, ist der notwendige Staatsanteil an der arbeitsteiligen Gesamtorganisation der Gesellschaft stetig gesunken. Heute erfüllen moderne Gesellschaften ihre Gesellschaftsverträge bereits mit einem nur kleinen Teil ihrer Individuen.

Den großen Rest der arbeitsteiligen Organisation überlässt man einem anderen System - dem Wirtschaftssystem. Dieses soll die Ressourcen sammeln und optimal bündeln, um ein insgesamt hohes Leistungsniveau zu ermöglichen. Anders als in neoliberaler Vision kann dies aber nicht darüber hinweg täuschen, dass auch das Wirtschaftssystem nichts weiter als nur ein gesellschaftliches System ist. In kommunistischen Staaten ging man einen anderen Weg - hier organisierte der Staat via Planwirtschaft die kollektive Leistung der Gesellschaft vollständig.

Diese Gesellschaften vollbrachten durchaus beachtliche Leistungen - und waren eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die hiesigen Systemstrukturen. Sie fielen erst mit längerem Bestehen der kommunistischen Gesellschaft zurück, wofür die Ursache nicht zwingend allein darin liegen muss, dass Planwirtschaft etwas grundsätzlich Falsches ist. Denn all diese Staaten wiesen und weisen schwere Defizite in ihren Machtstrukturen auf - und diese mussten sich natürlich auch auf die vom Staat direkt gelenkte Wirtschaft übertragen und sie deformieren. Dass auch Demokratie und freie Marktwirtschaft nicht von Geburt an immun gegen Deformation sind, erleben wir ja grade in diesen Zeiten nicht zuletzt auch in unserem Lande.

Für diese Definition hier halten wir fest: die Gesellschaft gibt sich ein Wirtschaftssystem, in dem der Großteil der kollektiven Leistung organisiert werden soll. Art und Details des Wirtschaftssystems sind im Prinzip frei - hier gibt es nichts Gottgegebenes - wichtig ist allein, dass es seine Aufgaben erfüllt. In der Regel hat ein solches System Voraussetzungen, die es zu seiner Funktion benötigt - diese werden Bestandteil des gesellschaftlichen Regelwerks und finden so Eingung in Gesellschaftsvertrag und Lebensentwurf. Der Staat ist Garant für deren Funktionsvoraussetzungen - und er überträgt dem Wirtschaftssystem zumeist auch einen Teil seiner legitimierten Aufgaben, wie z.B. die Grundversorgung der Bevölkerung, die man außerhalb von Krisenzeiten sinnvollerweise auch dort und nicht etwa separat organisiert.

Die Gesellschaft und ihre Entwicklung bleibt bei allem letztlich der einzig legitimierte Bewertungsmaßstab. Staat und Wirtschaft sind, wenn man so will, ausführende Systeme der Gesellschaft - woraus allein sich schon ableitet, dass es auf Dauer nicht gut gehen kann, wenn in diesen Systemen "gegen" die Gesellschaft agiert wird. Im Zweifelsfall ist es dem Staat sogar aufgegeben, solchen Phänomenen entgegen zu treten. Leistet der Staat diese Funktion aus irgendwelchen Gründen nicht mehr, so muss die Gesellschaft selbst aktiv werden - diese Grundzusammenhänge finden sich in den meisten Verfassungen niedergelegt, die insofern auch ein Abbild des Gesellschaftsvertrages sind.

Letztlich bleiben Gesellschaften der Rahmen aller kollektiven Organisation - diese erlaubt den in der Gesellschaft versammelten Menschen insgesamt ein um ein Vielfaches höheres Leistungspotential, als es eine Ansammlung von Einzelkämpfern oder konkurrierender Gruppen je hervorbringen könnte. Mit diesem Potential lassen sich nicht zuletzt auch existenzielle Bedrohungen aller Art weit effektiver abwehren.

Als Folge unseres gewachsenen Wissens sehen wir heute vermehrt auch natürlichen Bedrohungen ins Auge - sie entstammen Prozessen, auf die die Menschheit keinen Einfluss hat - tektonische Katastrophen wie Supervulkane, natürliche Mutation von Krankheitserregern oder durch globale Veränderungen in Nahrung oder Wasser. Es gibt Bedrohungen, die nicht einmal diesem Planeten entspringen - wie Meteoriten, Kometen oder auch andere kosmische Phänomene.

Der Übergang von natürlichen zu menschgemachten Bedrohungen ist fließend - wie am Beispiel Klimakatastrophe ersichtlich. Folgen menschlicher Existenz greifen in komplexe und zumeist unverstandene Zusammenhänge ein und können unter Umständen Prozesse in Gang setzen, die unseren Lebensraum einestages auf lange Zeit unbewohnbar machen. Ein weltweiter Nuklearkrieg wäre eine andere Form einer solchen Bedrohung - abgesehen von der direkten Wirkung wären hier ebenfalls unvorsehbare Wechselwirkungen mit dem Klima, der Biomasse und der Tektonik zu erwarten. Neben solchen sehr spektakulären gibt es auch eine Reihe von durchaus substanziellen Bedrohungen - die weltweite Ausbreitung von gentechnisch verändertem Kunstleben könnte einiges auf diesem Planeten durcheinander bringen. Inzwischen zeichnet sich auch die munter weiter wachsende Verseuchung des Planeten mit Chemikalien aller Art als durchaus ernst zu nehmendes Problem ab.

Das sich abzeichnende Format der Wechselwirkung eines milliardenfachen konsumorientierten Lebenstils mit unserem Lebensraum könnte einestages das kollektive Leistungsvermögen der Gesellschaften vollständig in Anspruch nehmen. Hier lauern eine Reihe soziale Gefahren - deformierte Machtstrukturen, geringe Breitenbildung und Massenelend schaffen keine widerstandsfähigen sondern schwache Gesellschaften. Entwicklungen wie das Intelligent Design oder sonstiger religiöser Fanatismus richten sich direkt gegen die Hauptressource des Menschen für das Bestehen kommender Herausforderungen: das Wissen.

Für die Überlieferung von Wissen ist die Gesellschaft ohnehin das geeignete Konstrukt - wir können davon ausgehen, dass bis heute bereits unvorstellbare Wissensmengen verschüttet wurden, weil frühere Gesellschaften weder über eine geeignete Systematik noch die Methoden verfügten, Wissen über Generationen zu erhalten, auszubauen und zu verbreiten.

Hier passt ein Zitat von Georg Christoph Lichtenberg sehr gut: "...Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verändert, und mehr als das Blei in der Flinte jenes im Setzkasten der Drucker..." Dieser Schritt dürfte der wahre Auslöser den Ausbruch der Menschheit aus der Enge und Starre des klerikalen Zeitalters verantwortlich sein und man brach auf zu jener Informations- und Wissengesellschaft, die wir heute vorfinden. Ruhe ist damit nicht, denn heute stoßen die Leistungen von Maschinen in nie gekannte Dimensionen vor - und die Gesellschaften müssen ihre Strukturen fortwährend darauf einstellen, um auch in Zukunft die Balance halten zu können.

Das Ausmaß und die Reichweite menschlicher Handlungsmöglichkeiten haben Dimensionen erreicht, in denen sich Gesellschaften Unvernunft immer weniger "leisten" können. Das Bekämpfen von Unvernunft jedoch setzt zunächst ihre Erkenntnis voraus - diese wiederum erfordert zuverlässiges und richtiges Wissen. Es ist keineswegs egal, was unsere Jugend heute über Natur, Welt und Gesellschaft lernt und "erfährt" - ein Blick auf das gängige Fernsehprogramm in den USA allein lehrt einen da schon eher das Fürchten. Die hemmungslos voranschreitende Kommerzialisierung der Medien und darüberhinaus des Informationssektors birgt langfristig ein enormes Gefährdungspotential in sich - zumal die Grenze zur Massenbeeinflussung fliessend ist. Die wichtige Ressource Information wieder unter gesellschaftliche Kontrolle zu bringen, dürfte eine der großen Herausforderungen der näheren Zukunft werden.

Einfach wird das keineswegs - denn moderne Manipulations- und Suggestionsmethoden sind kaum juristisch verwertbar nachzuweisen und mithin praktisch unangreifbar. Es wird wohl instutioneller Schritte bedürfen, um ihnen entgegen zu treten. Ohnehin mehren sich die Anzeichen, dass der für das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft notwendige freie Markt mehr und mehr unter die Räder kommt - und dies wirkt sich natürlich auch auf die Freiheit einer immer mehr zur Ware werdenden Information aus. Eine veränderte Form des Wirtschaftens indes könnte eine wieder bessere Basis für die Rückgewinnung der gesellschaftichen Hoheit in diesem Bereich mit sich bringen.

Auch das Rechtssystem steht vor ähnlichen Herausforderungen - und es scheinen einige Weiterentwicklungen nötig, um der ordnenden Funktion des Rechts innerhalb der Gesellschaft wieder zu mehr Geltung zu verhelfen. Schon heute können arme Menschen in Deutschland und anderswo ihr Recht kaum noch durchsetzen - diese Asymmetrie ist wenig thematisiert und doch eine höchst schwerwiegende Fehlentwicklung. Recht ist überhaupt ein sensibles Feld, da es untrennbar mit der Verteilung gesellschaftlicher Macht verbunden ist. Vor allem das Recht selbst muss gerecht sein, alles andere generiert auf Dauer Sprengstoff für die gesamte Gesellschaft.

Die Rechtssprechung unseres Verfassungsgerichtes in jüngerer Zeit wirft da einige ernste Fragen und Sorgen auf - Verfassungsrechtsfragen sind weder dem Plebiszit noch der Staatsräson und schon gar nicht der Wirtschaftsräson zu unterwerfen, weil dies die wichtigste Grundlage von Demokratie - nämlich die Gewaltenteilung - unterläuft. Sehr wohl aber stehen sie unter dem Gebot der Vernunft und sind dem Nutzen für die Gesellschaft verpflichtet. Wenn ein Berliner Verfassungsrichter irgendeinen Firlefanz privater Krankenversicherungsunternehmen in den Rang einer Verfassungsdiskussion erheben zu müssen glaubt, ist dies ein überaus deutlicher Hinweis darauf, dass hier etwas schief läuft. Die Verfassung ist nicht für private Krankenversicherungen geschrieben, sondern unveräußerbarer Besitzstand der gesamten Gesellschaft.

Schließlich ist auch unser gewohntes Bewertungssystem auf den Prüfstand zu stellen - der heutige Stand diesbezüglich kann als eindeutig nicht mehr zukunftsweisend eingeordnet werden. Es gibt wohl gleich eine ganze Reihe gravierender Fehler im heutigen System, von denen das Zinssystem und der internationale Finanzaustausch wohl als die strukturell gravierendsten auffallen. Möglicherweise könnten vernünftige Änderungen hier auch so manche Fehlentwicklung im Wirtschaftssystem beheben.

Bei der Definition der Definition der Gesellschaft bietet es sich an, auch gleich ihre wesentlichen Leistungskriterien zu erörtern. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen haben durch den zunehmende Anteile aus der längst deformierten Finanzwirtschaft an Aussagekraft eingebüßt - und könnten unter der Annahme, dass der Wachstumswahn dabei ist, sich zu überleben, noch weiter an Bedeutung verlieren. Das durchschnittliche Bildungsniveau der Gesellschaft indes wird einem der wichtigsten Indikatoren werden. Arbeitslosigkeit, Armutsquote und Kriminalität geben tiefen Aufschluss über die Effizienz der Gesellschaft, und eine eingehende Beurteilung der Nachhaltigkeit ihres Wirtschaftens rundet die Beurteilung in Punkto Widerstandsfähigkeit ab. Man kann heute schon behaupten, dass Menschen in einer Gesellschaft, die in den vorgenannten Kriterien vorne liegt, selbst dann wenn sie ein nicht so hohes BIP erwirtschaftet, besser dran sind, als in einer, die zwar ein höheres BIP schafft, aber in diesen Kriterien schlechter abschneidet.

Nach dieser umfangreichen Diskussion, die - der aktuellen Zeit entsprechend - vorwiegend in Abgrenzung zum Neoliberalismus geführt werden musste, kommen wir nun zu den näheren Festlegungen für unser Modell.

DEFINITION Gesellschaft

  1. Die Gesellschaft wird durch alle Individuen gebildet, die in ihrem Rechtsraum leben..

  2. Alle Individuen unterhalten mit der Gesellschaft einen Gesellschaftsvertrag der den Austausch zwischen Individuum und Kollektiv regelt. Das Individuum tritt einen Teil seiner Handlungsmöglichkeiten an die Gesellschaft und Ihre Systeme ab, anerkennt die Regeln dieser Gesellschaft und ist bereit, einen Großteil seiner Schaffenskraft nach den Vorgaben des Lebensentwurfs in die arbeiteilige Gesamtorganisation der Gesellschaft einzubringen.

  3. Der Gesellschaftsvertrag hat für alle Individuen gleiche Form und Struktur. Es besteht ein Diskriminierungsverbot - d.h. niemand darf wegen seiner Herkunft oder anderer ihm anhaftender Merkmale in seinen Rechten oder in seinem Gesellschaftsvertrag diskriminiert werden.

  4. Die Gesellschaft schuldet auf der anderen Seite dem Individuum die Gegenstücke zu seiner Anerkenntnis und Verpflichtung: ein gerechtes Recht, Bildung, Einbeziehung in und angemessene Teilhabe an der kollektiv Leistung, politische Mitwirkung, soziale Absicherung (Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter) und Schutz vor Bedrohungen aller Art.

  5. Das Anerkenntnis dieses Vertrages ist Legitimation, alle Maßnahmen, die die Gesellschaft zu seiner Erfüllung ergreift sind legitimiert.

  6. In dieser Definition unterliegen Gesellschaften einem Mindestgebot - dies bedeutet, es soll stets nur so viel wie unumgänglich nötig geregelt werden - alles andere ist im Freiraum der Individuen zu belassen, damit diese in ihm ihre Persönlichkeit und Kreativität bestmöglich entfalten können. Allein für die Verteilung von Macht kann es keine Freiheit geben - diese ist vollständtig und in jeder Hinsicht durch die Gesellschaft zu kontrollieren und nach ihren Erfordernissen zu steuern.

  7. Der Gesellschaftszweck folgt direkt aus dem Gesellschaftsvertrag, der auch das Regelwerk und das Handeln der Gesellschaft und aller ihrer Systeme legitimiert und die Regelungskompetenz der Gesellschaft auf das zur Erfüllung ihres Zweckes Notwendige begrenzt. Alle vorgenannten Anforderungen übertragen sich auch auf die Systeme der Gesellschaft - d.h. unlegitimiertes Handeln in den Systemen ist zu verwehren.

  8. Die Gesellschaft unterhält als ihr wichtigstes Handlungsorgan den Staat - dieser untersteht politischer (und damit demokratischer) Kontrolle, und ist besonders zu ausschießlich legitimierter Handlungsweise verpflichtet. Der Staat ist nicht Herrscher über die Gesellschaft, sondern ihr erster Diener. Für das Rechtssystem gilt in etwa das gleiche - es ist organisatorisch dicht beim Staat angesiedelt, untersteht ihm funktional aber nicht, sondern bildet eine unabhängige Säule in der Gewaltenteilung.

  9. Gesellschaften generieren ihr Potential aus Leistungsaustausch und arbeitsteiliger Organisation ihrer Mitgleider. Hierzu bedarf es eines anerkannten Bewertungssystems - das in seiner Struktur frei ist, aber an Gesellschaftszweck und funktionale Aspekte nachgeordneter Systeme gebunden ist. Auf diesem System setzt dann die Organisation des Wirtschaftssystems auf, dass seine funktionalen Regeln in den Gesellschaftsvertrag mit einbringt und von dort legitimiert bekommt. Der freie Markt ist eine wichtige Grundregel - da nur so die optimale Allokation gesellschaftlicher Ressourcen gewährleistet ist. Freie Märkte stellen sich nicht natürlich ein - sondern müssen vor allem durch den Abzug von Macht aus ihnen geschaffen und erhalten werden. Eine besondere Leistung der Gesellschaft gegenüber dem Wirtschaftssystem ist, dass sie aussschließlich produktive Individuen in die Organisationsaufgabe einblendet, womit sich die Wirtschaft voll auf diese Aufgabe konzentrieren kann.

  10. Der Aktionsraum der Wirtschaft unterliegt ebenfalls einem Mindestgebot - die Gesellschaft soll nur das für ihre Zwecke unumgänglich Notwendige regeln, damit eben alle möglichen Kräfte bestmöglich entfaltet werden können. Mithin aber muss der Wirtschaft jeglicher Anspruch auf eigene Macht aberkannt werden. Diese setzte komplexe Mechanismen der Gewaltenkontrolle und -teilung voraus, die der Effizienz der freien Marktwirtschaft entgegen wirken würde. Wie das Individuum verfügt die Wirtschaft somit über einen Freiraum, der aber stets dort seine Grenzen findet, wo legitime Rechte von Individuen oder der Gesellschaft Schaden nehmen.

  11. Das Wirtschaftssystem ist in vielen Aspekten auf eine funktionierende Gesellschaft und ihre sonstigen Merkmale angewiesen. Vor allem der gewährte Freiraum erlegt dem Wirtschaftssystem die Verpflichtung zu legimiertem Handeln auf. Da die Wirtschaft den größten Teil des Waren- und Dienstleistungsverkehrs in der Gesellschaft organisiert, wird zumeist auch die Grundversorgung der Bevölkerung dort angesiedelt.

  12. Die Gesellschaft muss des Weiteren Vorkehrungen für Notfälle, Katastrophen und sonstige Bedrohungen treffen - hierzu kann und muss sie Gebrauch von allen ihren Ressourcen sowohl bei den Individuen wie auch in ihren Systemen machen. Notlagen können mit vorübergehenden Einschränkungen für alle verbunden sein.

  13. Die Hoheit über Wissen und Information ist weitgehend unter gesellschaftlicher Kontrolle zu halten - da dies einerseits indirekt mit Macht verbunden ist und andererseits eine möglichst ungehemmte Verbreitung von Wissen und Information ureigenstes Anliegen der Gesellschaft sein muss - dies ist unabdingbare Voraussetzung für jene Vernunft in Entscheidung und Verhalten von Individuen, auf die die Gesellschaft als Ganzes angewiesen ist.



Eine hiernach verfasste Gesellschaft hat durchaus ein beachtliches Potential, auf Dauer enorm leistungsfähig und widerstandfähig zu sein. Ein weitgehend freies Wirtschaftssystem schafft ein hohes Leistungsniveau, und dank hoher Durchlässigkeit wird von Talenten und Kreativität der Individuen bestmöglicher Gebrauch gemacht.

Man sollte endlich mal verstehen, dass Konzepte wie Dynastiebildung, Machtdeformation oder gar realtitätsferner Religionswahn in der Geschichte allesamt ihre Untauglichkeit längst eindeutig bewiesen haben. Die Gesellschaft profitiert von der Lebensleistung ihrer Mitglieder in jenen Strukturen, die sie ihnen bietet. Für die Vererbung riesiger Vermögen z.B. gibt es ebensowenig Indizien irgendeines gesellschaftlichen Nutzens, wie für leistungslose Einkommen. Ein Wirtschaftssystem, das Menschen am Arbeiten hindert, weil es irgendwo auf der Welt "billiger" gehe, hat den Bogen seines Nutzen für die es tragenden Gesellschaften weit überspannt.

Zum Thema Information bewies das klerikale Zeitalter, das Europa über viele Jahrhunderte im "Dornröschenschlaf" hielt, eindrucksvoll, dass die Beschränkung von Zugang zu Wissen definitiv der falsche Weg in die Zukunft ist. Auch jede Form von Stände-Organisation ist widerlegt. Im Gegenteil, eine Gesellschaft muss enorm durchlässig sein, um den sich immer schneller verändernden Randbedinungen folgen zu können. Ein Fehler des Kommunismus war, das Eigentum als Ausdruck der Persönlichkeit und persönlicher Leistung zu negieren. Eine Gesellschaft muss besonders leistungsfähige Individuen schon zur Einbringung ihres Potentials motivieren - dies aber nicht in Form von Dynastien mit Pfrundvererbung sondern für jede Generation von Neuem.

Die weitaus größte Schwäche des kommunistischen Gesellschaftssystems aber war seine Blindheit gegenüber der Machtverteilung. Macht ist die wesentliche Größe, deren Verteilung gesellschaftlich stets kontrolliert bleiben muss - nur so können alle sonstigen Parameter in ein Gleichgewicht kommen und bleiben. Da unkontrollierte Macht automatisch Deformation nach sich zieht, hebelt dies eben auch an sich funktionierende Regelungsmechanismen aus. Ein der Grundpfeiler heutiger Wirtschaftslehre - Adam Smith mit seiner Idee von der unsichtbaren Hand des Marktes, die schon alles regeln werde - ist nicht prinzipiell unbedingt falsch; nur sie ist genauso blind gegenüber der Macht - denn vor allem Macht kann sich der unsichtbaren Hand widersetzen. Auf deformierten Märkten funktioniert auch die unsichtbare Hand nicht mehr.

Wenn Menschen heute bisweilen ratlos da stehen und glauben, man habe schon alles "probiert", irren sie.... unsere heutigen Gesellschaften entwickelten sich aus völlig unbrauchbaren Feudalsystemen. Das ist für sich schon ein enormer Fortschritt, den die Menschheit nie zuvor in ihrer Geschichte in solch kurzer Zeit vollzog. Die Tatsache, dass erst der Kommunismus scheiterte - und ihm derzeit der Kapitalismus auf diesem Weg anscheinend mit aller Gewalt folgen will, besagt nicht, dass es keine Lösungen mehr geben könnte. Es gibt noch eine ganzes Meer an Ansätzen und Ideen für die Gestaltung innerhalb von Gesellschaften - und in Zukunft auch zwischen Gesellschaften. Nötig aber wäre wohl die Erkenntnis, dass selbst die wunderbarste neue Lösung auch nicht ewig von Bestand sein wird. Hier Neuem gegenüber aufgeschlossen zu werden, bedeutet allerdings auch, sich mit der klaren Unterscheidung von notwendigen und variablen Strukturen in Gesellschaften zu befassen - etwas wozu dieses Modell letztlich beitragen soll.

Dass Menschen menschengemäße Gesellschaften schaffen können, ist indes bewiesen. Bewiesen ist auch, dass unterschiedliche Nationen und Kulturräume zusammenwachsen können. Bewiesen ist aber auch, dass vor allem das Letztere locker mal einige Generationen Zeit in Anspruch nehmen kann. Bis dahin kann es keine noch so angeblich wichtige wirtschaftliche Notwendigkeit geben, bereits bestehende moderne Gesellschaften zu zerschlagen oder rückzuentwickeln. Dies erfolgt nicht im Sinne von irgendetwas Brauchbarem, sondern derzeit allein im Machtinteresse einiger weniger globaler Akteure. Diese neue (oder vielleicht auch nicht so neue) Aristokratie ist beiseite zu schieben, denn - wie immer schon - behindert sie den weiteren Fortschritt.

Der Internationalisierung werden wir dann eingehender zu Leibe rücken, wenn die Modellierung abgeschlossen und hinreichend konkretisiert ist, dass man mehrere solcher Modelle in Beziehung zueinander setzen kann. Die obigen Festlegungen für die Gesellschaft mögen für manchen konservativ denkenden Menschen ein rotes Tuch sein - in diesem Fall sei jenen jedoch zur Abwechslung mal intensiveres Nachdenken angeraten. Wer dies ablehnt, möge einen Vorschlag bringen, wie er denn ein System schaffen wolle - das die übergroße Mehrheit von Menschen einer Gesellschaft auf Dauer hinter sich versammeln kann. Dass Sklaven- und Feudalgesellschaften hier keine Lösung sein werden, ist von Logik und geschichtlicher Erfahrung bereits hinreichend untermautert...


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