Unser
Wirtschaftsminister Michael Glos werkelte so mehr oder weniger
unauffällig vor sich hin. Offenbar muss ihm da jemand ins Ohr
geflüstert haben: "...Michael, Du musst auch mal was machen
- Du musst in die Schlagzeilen..." Und Michael machte. Heraus
kam eine gar fürchterlich neue Idee, die die Bartwickelmaschine
unter Höchstdrehzahl zum Glühen bringt... Glos nämlich
möchte eine gesetzliche Arbeitspflicht schaffen und verspricht
sich und uns davon 1,4 Mio neue Arbeitsplätze. Toll... Herr
Glos und seine Kollegen scheinen derart in der gängigen
Fehlwahrnehmung "Arbeit ist schon genug da, nur arbeiten will
niemand" gefangen, dass er sich offenbar tatsächlich etwas
von diesem Ansatz verspricht. Wobei die Interpretation nur als
Dummheit indes noch die allergünstigste Interpretation des
Trauerspiels ist...
Zunächst
einmal ist klar, dass eine Fehlwahrnehmung auch bei noch so häufiger
Wiederholung in Medien und sonstwo nicht plötzlich zu einer
zutreffenden Wahrnehmung wird. Es ist eine seit Jahr und Tag
alltäglich bewiesene Tatsache, dass unsere gegenwärtige
Wirtschaft derzeit auf die Mitwirkung von rund 4-6 Millionen Menschen
schlicht verzichtet. Diesen Trend gibt es bereits seit Jahrzehnten
und er ist eine unweigerliche Folge der unverändert wachsenden
Produktivität in den Prozessen der Wirtschaft.
Grundsätzlich
bestehen in einer Gesellschaft nur zwei Beschäftigungmöglichkeiten
für Menschen: erstens - und das ist die Regel: sie bringen ihre
Arbeitskraft in die Wirtschaft ein und beziehen von dort ihr
Einkommen; zweitens - sie nehmen Aufgaben im Staatssystem wahr - und
erhalten dafür von jenem ihr Einkommen, dass dieser wiederum aus
seinem Steueraufkommen finanziert.
Wenn
nun zwischen 4 und 6 Millionen Menschen bei dem Ganzen keinen Job
abbekommen, stellen sich zwei Fragen: erstens - wie sollen die ihr
Leben bestreiten? Und zweitens - was macht die Gesellschaft mit deren
ungenutztem Arbeitspotential? Für das erste kam Hartz IV als
Lösung und für das zweite gibt es Vorschläge wie Sand
am Meer - der 1€ Job ist z.B. so ein Vorschlag. Hiermit kennen wir
uns ja ganz gut aus, da inzwischen einige Jahre Erfahrung
dazu vorliegen.
Die
Erkenntnis: 1€ Jobs schaffen keine Arbeitsplätze - vielmehr
kommen sie einer Art "Beschäftigungstherapie" gleich,
damit die unglücklichen Menschen das Arbeiten nicht ganz
"verlernen". Was sie mit Sicherheit zwar nach und nach
verlieren, ist ihre bisherige berufliche Qualifikation - und die
künftigen "Wald-und Parkfeger" werden weder von
Wirtschaft noch vom Staat wirklich gebraucht. Aber wen kümmert
sowas schon.
Öffentliche
Beschäftigungsprogramme dürften hier auch nicht zwingend zu
nachhaltiger Besserung führen - denn dies sind Einmalaktionen,
die der Staat auf Dauer nicht "durchhalten" kann. Hier
werden wertvolle öffentliche Mittel verbraten um Ziele zu
erreichen, die durch vernünftig gestaltete Gesetze genauso zum
Nulltarif erreicht werden können. Eine gesetzliche Begrenzung
der Höchstarbeitszeit auf 35 Stunden die Woche z.B. würde
auf Anhieb eine Unmenge von Arbeitsplätzen schaffen - und
kostete den Staat zunächst mal nichts - außer Oropax für
das hysterische Gezeter der Wirtschaft.
Das
eingangs festgestellte Dilemma indes bleibt: Wirtschaft und
Gesellschaft funktionieren bestens und 4 bis 6 Millionen Menschen
dürfen zugucken. Und obwohl die Wirtschaft brummt wie selten
ändert sich daran wenig. An mangelnden Geldern für
Investionen (wie es vor Jahrzehnten mal war) kann es auch nicht mehr
liegen, denn es wird allerprächtigst verdient; die Gewinne
besonders der Großkonzerne stoßen längst in nie
dagewesene Dimensionen vor - Eines allerdings findet nicht statt:
Neue Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl wollen einfach nicht
entstehen.
Im
Gegenteil - an den Börsen wird weiter jedes Unternehmen frenetisch
gefeiert, das möglichst viele Arbeitsplätze "einspart".
Der Grund hierfür ist klar: Weniger Arbeitsplätze = Mehr
Gewinn = Mehr Kohle für Aktionäre. Die haben zwar nichts
getan und vor allem auch nicht gearbeitet - werden aber belohnt.
Nebenbei schneidet sich das Management natürlich auch noch eine
dicke Scheibe vom Gewinn ab. In der Summe entstehen leistungslose
Einkommen - zumindest bei jenen, die bereits in der Vergangenheit
genug Geld hatten, sich in dieses Casino "hineinzukaufen".
Bei
den freigesetzten Arbeitskräften indes entsteht kein - oder kein
nennenswertes Einkommen mehr und ansonsten funktioniert alles weiter
wie zuvor. Umwälzende Prozesse setzten ein - der öffentliche
Bereich wurde mit einer Privatisierungorgie ohne gleichen zusammen
geschrumpft. Arbeitsplätze in Millionenzahl gingen zusätzlich
verloren. Auf dem Arbeitsmarkt entstand ein noch nie dagewesener
Druck - unter den noch Arbeitenden grassiert längst die nackte
Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes.
Die
Folge - im Ringen um die Verteilung der Früchte des
Produktivitätszuwachs bekamen die Gewerkschaften keine Schnitte
mehr - Arbeitnehmer waren im Gegenteil eher bereit, Einschnitte
hinzunehmen - in der irrigen Hoffnung, sie sicherten sich hiermit
ihre Arbeitsplätze. Seit Jahren wandert damit der
Produktivitätszuwachs vollständig in Richtung
leistungsloser Einkommen und noch mehr Rationalisierung. Folge: Immer
mehr produktive Arbeitsplätze verschwinden.
Zu
allem Übel stieg auch die Zahl der Erwerbspersonen noch an - das
Millionenheer der Arbeitslosen verfestigte sich weiter, ansonsten
aber funktionierte alles weiter wunderbar - zumindest für die,
die Arbeit hatten oder von leistungslosen Einkommen lebten. Wer indes
dabei unter Druck geriet, war die Politik - das erkannte auch die
Wirtschaft und begann nun, ihren verstaubten Katalog
urkapitalistischer Forderungen hervorzukramen und die Politik zu
erpressen: entweder ihr richtet alles so ein, wie wir das wollen -
oder wir machen weiter so...
Heraus
kam beides: Die Politik richtete ein UND die Wirtschaft machte unter
Absonderung schnell wechselnder Ausflüchte weiter so. Nunja -
schöner Mist! DAS kann man nun doch den Leuten draußen so
nicht als politischen Erfolg verkaufen. Die Folge davon: es musste
eine enorme Menge Märchen her, um dieses epochale Versagen der
Politik zu verbergen. Inzwischen dürfte man sogar so weit sein,
dass die Wirtschaft für die jeweils neueste Sau, die da durchs
Dorf getrieben werden soll, die dazugehörigen Märchen
gleich freihaus mitliefert.
Bei
den Märchen selbst indes ist man nicht zimperlich - kein noch so
verstaubtes Motiv aus gewesenen Jahrhunderten ist derart überholt
und widerlegt, dass es sich nicht noch für eine tolles Märchen
der Bertelsmann-Stiftung eignete. Da ist dann munter von "Förderung
der Faulheit" die Rede, wenn man darüber diskutiert, ob
Hartzlinge heute noch genug erhalten, dass es überhaupt noch zum
Überleben reicht. Michael Glos drückte man nun auch ein
solches Märchen in die Hand und befahl: "Sprich Michael..."
Und Michael tat...
Unübersehbar
prangt über seinem angeblich so neuen "Reichsarbeitsdienst"
der schwäbische Grundsatz: "Hier kann gespart werden".
Denn sparen ist gut - alles was der Staat spart, kann er nämlich
als Steuererleichterung an die Wirtschaft weitergehen - und diese
macht das Ersparte wiederum zu noch mehr Gewinnen und noch mehr
leistungslosen Einkommen. Förmlich eine "Geldmaschine"
- diese Art des Sparens...
Der
"Reichsarbeitsdienst" indes hat natürlich Folgen -
aber nur für die, auf deren Kosten da die ganzen Jahre sowieso
schon gespart wurde: dieses faule Pack nämlich soll künftig
per Gewalt zur Arbeit getrieben werden. "Nur wer arbeitet soll
auch essen" textete vor nicht allzu ferner Zeit Franz
Müntefering - schön wenn Arbeits- und Wirtschaftsminister
derart harmonisch miteinander auskommen. Gradezu wunderbar auch diese
Anleihe bei den finstersten Phrasen der Frühindustrialisierung.
Das
beantwortet allerdings nicht die Frage, was denn bitteschön
sollen die 1,4 Mio genau "arbeiten"? Gloses Konzept sieht
dafür höchst präzise formuliert "öffentlich
bereit gestellte Arbeit" vor. Das klingt wunderbar - und ist
auch sowas von neu - denn das entspricht exakt dem 1€ Job, den wir
schon kennen und der eben nicht wirklich Arbeit schuf. Der Zweck des
Ganzen hat denn auch mit Arbeit eigentlich gar nichts zu tun - da
bleibt es jene Beschäftigungstherapie, die es heute schon ist.
Das
eigentliche Ziel sind die neuen Rechtskonstrukte, die mit der
Schaffung eines "Reichsarbeitsdienstes" verbunden sind. Da
lässt sich schon so mancher Nagel einschlagen, bevor die
Öffentlichkeit Wind davon bekommt. Hier sollen nämlich
jenem Teil der Bevölkerung, der völlig schuldlos seinen
Arbeitsplatz verliert auch noch die allerletzten Rechte endgültig
geschliffen werden. Ein wunderbarer Hebel, diese fortan noch mehr von
politischer Auswirkung fernzuhalten und nach Belieben noch mehr zu
malträtieren - während eine bescheuerte Öffentlichkeit
auch noch applaudiert. So viel anders kann es zu Zeiten der
Reichskristallnacht auch nicht mehr gewesen sein... denn auch damals
fanden es nicht wenige ganz toll, wenn es eine Gruppe stigmatisierter
Menschen gibt, auf denen man ungestraft herumtrampeln darf. Danke,
Michael, für diesen tollen Vorschlag - der uns alle und gewiss
unsere Wirtschaft so richtig voran bringen wird.
Verehrte
Leserinnen und Leser - angesichts dieses neuerlichen Blackouts eines
Unions-Granden erhärtet sich eine Erkenntnis immer mehr: Als
normaler Mensch muss man nicht unbedingt völlig verblödet
sein, um weiter noch CDU zu wählen - aber es hilft ungemein.
Also weiter hübsch RTL und ZDF gucken - dann klappt das am Ende
doch noch mit dem Michael sein "Reichsarbeitsdienst".
Sicher
kann man mir in diesem Artikel vorwerfen, ich würde das so
wichtige Thema nicht mehr sachlich diskutieren. Aber wie bitteschön
soll man angesichts eines derartig vernunft- und sittenwidrigen
Gequatsches noch sachlich diskutieren? Da könnte man genau so
gut auch mit Christian Klar um Sinn und Zweck seiner revolutionären
Vorstellungen diskutieren - die Ergebnismenge wäre in beiden
Fällen etwa gleich groß: nämlilch Null.
Um
der Sachlichkeit nicht ganz zu entfliehen - was derzeit stattfindet
ist nichts weiter als eine absurde Privatisierung der Gewinne und die
nicht minder absurde Vergesellschaftung der Verluste. Ein
Reichsarbeitsdienst soll nun angeblich um die 20 Mrd auf der
Verlustseite einsparen - ohne dass sich hier noch jemand Illusionen
darüber machen sollte, wo diese Einsparung letztlich landen
wird. Die Summe jedenfalls entspricht in etwa jener Summe, die der
ehrenwerte Herr Landowsky in Berlin bei allein einem einzigen Coup
"verbraten" hat.
Wie
die Sendung "Monitor" vor kurzem aufdeckte, haben
inzwischen sogar die chronisch "klammen" Kommunen immerhin
genügend Geld, um ihrerseits an der Börse zu zocken - wobei
durchaus namhafte Institute wie die deutsche Bank die behäbigen
Amtsgemüter regelmäßig derart über den Tisch
ziehen, dass es in den Kassen nur so raucht. Aber - "gespart"
muss werden - koste es eben auch, was es wolle.
Wenn
man nun fragt, wie dieser Spuk denn einmal enden könnte - wird
der Bürger hierzuland wohl an einer Stelle beginnen müssen,
die ihm gar nicht so recht schmeckt: bei sich selber nämlich.
Über alle Partei- und Interessengrenzen hinweg bleibt wohl die
Feststellung: Wirklich so gewollt können die gegenwärtigen
Entwicklungen wohl nur von den wenigsten sein. Gemeckert wird ja
längst genügend - nur getan wird am Ende nichts. In einem
der nächsten Beiträge wird CogitoSum sich mal nur mit dem
Thema Aufbruch zu Neuem näher befassen.
Für
das Thema hier bleibt festzustellen: Michael Gloses
"Reicharbeitsdienst" ist eine kristallklare Absage zu
erteilen. Er bewirkt keine Lösung des Problems, schafft nichts
als nur noch mehr neues Unrecht und wird am Ende - ähnlich wie
Hartz IV - womöglich noch erhebliche Zusatzkosten mit sich
bringen. Von den Kollateralschäden für die Legitimierung
der Gesellschaft, ihres Rechtes und ihres Staates ganz zu schweigen.
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