Nicht zu fassen...
Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Dienstag, 24. April 2007

 

Offensichtlich befinden sich die "Experten" des Deutsche-Bank-Thinktanks "DB Research" im Dauerrausch - wenn man diesen Spiegel-Online-Artikel genau liest. Die Frage nach dem Zustand der Autorin Susanne Amann scheint auch gerechtfertigt - denn sie hält ihre Ansicht, dass die Denkakrobaten "einfallsreiche" Szenarionamen fanden, für immerhin erwähnenswert. Mit anderen Worten: die Verpackung scheint dieser Journalistin offenbar wichtiger als der Inhalt. Hätte die Autorin sich mehr und vor allem kritisch mit dem Inhalt statt mit der Verpackung auseinander gesetzt, hätte zumindest noch der Hauch einer Chance bestanden, dass etwas von irgendeinem Restwert zustande kommen hätte können. Nun - machen wir halt bei CogitoSum mal wieder das, was wir eigentlich längst mit 100 Leuten 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche tun müssten, um dem derzeitigen Propagandafeuerwerk der Unvernunft etwas entgegen zu setzen. Wir versuchen also, die Ergebnisse des Thinktanks der Deutschen Bank für Sie, verehrte Leserinnen und Leser, zu "übersetzen".

Vorab: Sehen Sie uns bitte nach, dass wir uns mit dem Originaltext erst gar nicht auseinander setzten. Unsere Zeit ist knapp und wir können uns nicht fortwährend mit jedem Blödsinn beschäftigen. Dieser offenbar mit hochkarätigen Brillanten der Experten-Elite besetzte Thinktank fiel kürzlich schon einmal mächtig auf - nämlich hier.

Zunächst daher ein kurzes Wort zu der an sich schon höchst bemerkenswerten Methodik, die angewendet wurde. Die "Denker" der deutschen Bank taten also Folgendes: sie packten all die Wünsche "ihres Hauses" in ein Szenario zusammen - und häkelten sich noch willkürlich drei weitere "Szenarien" zurecht - reine Phantasiegebilde fern jeder Realität, Plausibilität und Vollständigkeit, auf die man dann die gegenwärtig bereits reichlich vorhandenen Missstände wahllos verteilte. Und welch Wunder - was uns die Autorin verräterischerweise auch noch als angeblich "gute Nachricht" anpreist - das Wunschszenario der Deutschen Bank ist doch tatsächlich das "Plausibelste" - WER HÄTTE DAS GEDACHT! Welch eine Überraschung - etwa genauso eine wie der seit Februar in Deutschland tobende "Binnenmarktkaufrausch" oder der "Beschäftigungsboom" auf dem Arbeitsmarkt.

Implizit wird natürlich die Botschaft transportiert, dass die "Plausibilität" dieses Szenarios im Vergleich zu den dreien aus Grimms Märchenbuch schon so etwas sei, wie ein Beweis dafür, dass dieses Szenario gut, richtig und vor allem um jeden Preis erstrebenswert sei - denn es würde ja schier das Paradies ausbrechen in Deutschland. Natürlich nur, wenn der Michel die im Szenario verwursteten Kröten schluckt - Kurze Erläuterung:

  1. "Kooperationsprojekte spezialisierter Anbieter" - Sie wissen nicht, was das ist? Nun - wir auch nicht. Etwas weiter unten aber erfahren wir: damit gemeint ist die "Projektwirtschaft" und darunter hat man wiederum "...meist zeitweilige, kooperative und oft globale Wirtschaftsprozesse..." zu verstehen. Also - keine festen Arbeitsplätze und schon gar nicht hier - sondern weltweit werden für ein Projekt internationale Gangs zusammen schanghait. Projekt fertig - Job fertig!.

  2. Nun erfahren wir, dass Deutschland mit dem Ansteigen dieser Arbeitsform von 2% auf 15% Boden in Spitzentechnologien und wissensintensiven Dienstleistungen gutmachen wird. Nur warum und wie das genau geschehen soll oder genauer angesichts der Umstände überhaupt kann - verschweigen uns die scheinbar berauschten Denker. Vermutlich meinen sie die Einnahmen der Vorstände und Aktionäre - für den Arbeitswilligen hierzulande bleibt da eher: für 2,50€ pro Stunde die Marmorböden auf SAP-Fluren wienern - denn programmiert wird z.B. in Indien oder wo es sonst grade am billigsten auf dem Planeten ist. Dies aber stabilisiert gemäß unseren DB-Denkern nun unsere "Mittelschicht" - Unsummen des beim Wienern Verdienten investiert diese in ihre eigene Bildung - denn die Arbeitsplätze sind ja unbeständig.

  3. Private Bildungsdienstleister (etwas ganz fürchterlich Neues....) ergänzen die staatlichen effizienter gewordenen Bildungseinrichtungen. Was die Elite-Denker unter effizienter verstehen wird darauf deutlich: nämlich den Geringverdienern fehlt der Zugang zum "Lehrmarkt". Für ihre Sozialleistungen, die dann folglich erhalten müssen, ist allerdings eine Gegenleistung zu erbringen - worunter man alles mögliche verstehen darf, nur natürlich auf gar keinen Fall zukunftsorientierte Arbeit - denn die ist ja nach Indien ausgelagert - weil es sich z.B. für die Programmierer-Stundenlöhne (noch) lohnt. (Siehe unseren Artikel: Dunkle Wolken) Eine Chance sich wieder für richtige Arbeit zu qualifizieren, scheint in diesen offenbar vom Verzehr von zu viel rohem Rindfleisch betroffenen Denkerhirnen nicht mehr vorgesehen. Nun - wieso eigentlich nicht: Wie wär's mit Kämpfen in Afghanistan, Irak, Iran und wo es sonst noch weltweit gebraucht wird? Das entlastet nebenbei noch die Sozialkassen...
    Aber es kommt noch dicker - unter Auslassung eines wichtigen Schrittes, nämlich weiter grassierender längst widersinniger Steuersenkung bei denen, die noch etwas zum Staat beitragen könnten - ist der Staat natürlich gezwungen, weitere Aufgaben "auszulagern". Er ist es vor allem auch, weil anscheinend weiter munter Arbeitsplätze hier in großem Stil vernichtet werden sollen, was vor allem die Sozialkassen in Bredouille bringt - und bereits dann geschieht, wenn Arbeitnehmer von gut bezahlter zu mies bezahlter Arbeit wechseln müssen.
    Damit ist auch klar welche Aufgaben da ausgelagert werden sollen:
    Kranken- und Rentenversicherung. CDU-Ministerpräsident Althaus fing damit über seinen nichts als zynischen Vorschlag zum Grundeinkommen gleich schon mal an - doch selbst damit noch nicht genug - denn: der Staat bezieht Bürger und Unternehmen gleichzeitig aber mehr in die Politikgestaltung mit ein. Irgendwie ich dachte immer, in einer Demokratie seien die Bürger - im Gegensatz zu internationalen Konzernen - bereits in die Politikgestaltung einbezogen? Zudem: Unternehmen haben dort von vornherein und definitiv gar nichts verloren. Die Beschreibung unserer DB-Research-Denker lässt sich somit mit einem kurzen Namen belegen: WIRTSCHAFTSDIKTATUR - und mithin eigentlich ein Fall für den den Verfassungsschutz.

Ob Sie es nun glauben oder nicht - DIES ist das in den Augen von Deutscher Bank und Spiegel angeblich so fürchterlich plausible Szenario. Wobei das Wort "fürchterlich" vermutlich das einzig zutreffende ist. In der Folge werden nun die "Segnungen" dieses Szenarios ausgewälzt - und in rosa Farben werden irgendwelche nicht selten frisch behaupteten Folgen beschrieben - die auffällige Nähe zur den Visionen von LSD-Konsumenten aufweisen. Einmal auf dem Trip scheuen die Denker dann im vorletzten Abschnitt nicht davor zurück - offen das Auseinanderbrechen der hiesigen Gesellschaft zu orakeln - es heißt dort: Es bilde sich eine neue Mitte - während der untere Rand unter stärkeren Druck gerate und den Anschluss verliere. Niedrigverdiener hätten kaum Zugang zu den neuen Lernmärkten und stünden deshalb, egal ob alt oder jung, unter oft existenziellem Druck.

Das letzte Kapitel scheint gleich komplett einem BATMAN-Film entsprungen - und sogar ein veritabler Lacher verbirgt sich darin - dort nämlich, wo es heißt: "...Gleichzeitig reduziert der Staat seine Einmischung und gibt bestimmte Aufgaben ab. Das sei die Folge von Legitimationsproblemen..."

Das einzige was hier - neben den bereits vorhandenen Verhältnissen in unserem Absurdistan - unter Legitimationsproblemen steht, ist dieses rauschhafte Szenario. Daran ist nämlich gar nichts mehr legitimiert. Sodann heißt es: Der Staat im Jahr 2020 verlasse sich deshalb immer mehr auf die Ideen und Anregungen, die von Bürgern oder aus der Wirtschaft kommen. Liebe Leserinnen und Leser - stellen Sie sich vor: Sie machen dem Staat einen Vorschlag und die Deutsche Bank, Siemens oder Daimler - was glauben sie wohl, welcher Vorschlag sich auf Anhieb durchsetzt? (eine entsprechende Umfrage erspare ich mir...)

Offenbar waren die "beflügelten" Denker und die Spiegelautorin Susanne Amann gleich mit beim Verfassen des Artikels noch zusätzlich derart in "Machtrausch" geraten, dass sie sich am Ende eine nur mühsam kaschierte Drohung nicht wirklich verkneifen konnten: Denn wie einst die Loreley locke angeblich doch tatsächlich auf diesem Weg ein gigantisches Wachstum von 1,5% pro Jahr - Allerdings nur, wenn die Unternehmen adäquat reagieren. Mit anderen Worten: Sieh her Politik - schön artig sein, und weiter Reiche entlasten und Arme treten, die Politik durch die Wirtschaft noch mehr infiltrieren lassen und vor allem Globalisierung voran treiben - denn sonst setzt es Hiebe!

Nun - liebe Leserinnen und Leser - was tatsächlich geschehen wird oder zumindest aus Sicht des Unternehmens von Geringverdiener Josef Ackermann geschehen soll, liegt von Woche zu Woche der aktuellen Propagandakampagne immer eindeutiger und deutlich auf der Hand. Das Wachstum für die politische Artigkeit unserer "Volksvertreter" landet wie schon seit vielen Jahren allein in den Schatullen der Superreichen und Reichen. Die Mittelschicht ackert bis zum Umfallen und die Niedrigverdiener/-qualifizierten werden - oder besser bleiben, denn sie sind es heute schon - noch weiter an den Rand ihrer Existenz gedrängt. Damit das alles auch prima so klappt, brauchen wir logischerweise den totalen Überwachungsstaat und nicht zuletzt die Bundeswehr im Inneren (Nicht wahr, Herr Schäuble...?)

Glauben sie mir - diese Diagnose fällt mir alles andere als leicht. Wenn aber ein früher einmal hoch angesehenes Medium es sich überhaupt wagt, einen derartigen Artikel mit offen verfassungsfeindlichen Inhalten zu publizieren, der aus der Feder eines früher einmal hoch angesehenen Geldinstituts stammt, stellt sich die Frage, ob uns hier nicht so langsam der kalte Wind von 1933 ins Gesicht weht - so gesehen wäre dann auch die Oettinger-Rede wohl eher alles andere als ein Zufall. Unsere Eliten indes scheinen unserer Zeit bereits ein gutes Stück voraus... Von hier aus allerdings muss man wohl inzwischen die Bürger unseres Landes mahnen, sich einmal unsere Verfassung (bitte das Original und keine Bertelsmann-Interpretation) zur Hand zu nehmen, und dort nachzulesen, was da z.B. über Menschenrechte und die Verteilung von Macht geschrieben steht - NOCH gilt sie!!!

Darin heißt es unter anderem auch noch:

Art. 14: ...(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen...

Art. 15: ...Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden...

und nicht zuletzt:

Art. 20: (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Alles, was Sie nun noch überlegen müssen, ist: Wie wichtig ist Ihnen ein sattes 1,5% Wachstum, dass ausschließlich in den Schatullen der Superreichen stattfindet, wie sehr sehnen Sie sich nach 2€-Stundenlöhnen und 80 Std Arbeitswochen, wie gerne sehen sie endlich wieder Elend in unseren Straßen und vor allem: wie sehr vertrauen sie einer Wirtschaft (die obiges absondert) darin, ehedem mal mit gutem Grund staatliche - und damit kollektiver Kontrolle unterstellte - Aufgaben im Sozial- und Bildungsbereich einigermaßen menschenwürdig und gesellschaftsdienlich wahr zu nehmen?

Auch wenn die Verlockung dann nicht mehr allzu groß sein dürfte - bedenken Sie dann schließlich, was mit den Schiffen geschah, die der Sage nach die Loreley einst lockte... Das obige Kampfprogramm jedenfalls wird unsere Gesellschaft und den sozialen Frieden hierzulande im Eiltempo in Luft auflösen - und unser Land und die Masse seiner Menschen noch mehr ruinieren...


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