Marktversagen
Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Montag, 6. August 2007

Vermutlich von nur Wenigen beachtet ging vor einigen Tagen eine Meldung durch den Medienwald - und zwar diese hier. Inhalt: Ein Mitbürger verfiel auf die asozial-zynische Idee, Arbeitslose bei von ihm gegründeten Scheinfirmen zu "scheinbeschäftigen", um sich daran dann dumm und dämlich zu verdienen. Denn es gibt sehr wohl ein Füllhorn, welches auch hierzulande über Arbeitslose ausgeschüttet wird - wohlgemerkt: Über sie hinweg und an ihnen vorbei. Also stets genau so, dass es ihnen nichts nutzt. Bemerkenswert das Verteidiger-Plädoyer dieses asozialen Subjektes: Hier hätte sozusagen "Geld auf der Straße" gelegen und der Angeklagte habe es halt "aufgehoben". Wenigstens beeindruckte dieses Gewäsch den Richter wenig - der Angeklägte wird für immerhin knapp 6 Jahre gesiebte Luft atmen. Eine gerecht harte Strafe, die leider vielen - vor allem den ganz großen - ähnlich operierenden Indivduen zumeist erspart bliebt. Die Welt wäre fast ein winziges Stück mehr in Ordnung - blieben nicht Ungereimtheiten zurück. Die wichtigste und zugleich am wenigsten durch die Medien kommentierte ist diese: Arbeitslose wurden von Amts wegen per Zwang in die üblen Machenschaften des Angeklagten hinein "gedrückt" oder "vermittelt", wie es auf Behörden-Neudeutsch heißt - und zwar selbst auch dann noch, als längst deutliche Hinweise vorlagen, dass es beim "kleinen Jobwunder" des Angeklagten nicht so ganz mit rechten Dingen zugehen konnte. Dies ist eigentlich als noch skandalöser als die Straftat des Angeklagten selbst zu werten.

Szenenwechsel: Am 26.7.2007 fand sich bei Maybritt Illner eine illustere Runde üblicher Show-Talk-Verdächtiger zusammen - darunter Michael Fuchs (CDU), Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung und wackerer Propagandist absurdistanischen Blödsinns und irgendeine vielleicht sogar ganz liebe Frau aus der Zeitarbeitsszene. Die Illner-Show - neben Frontal an guten Tagen eines der letzten Refugien von halbwegs vernunftorientierten Journalismus beim absurdistanischen Prachtsender ZDF - bügelte über das "Das deutsche Jobwunder" hinweg und bewies: selbst absurdistanischer Journalismus kann es bisweilen nicht vermeiden, noch Verwerfungen aufzudecken. Dass dies überwiegend dem Image und der Popularität der hübschen Moderatorin zu verdanken ist, ist selbsterklärend - doch anscheinend wird im Illner-Team noch gedacht...

In der Sendung jedenfalls wurden Beispiele präsentiert, die selbst für unsensible Beobachter jeglichen Argumenten von Michael Fuchs (CDU) und Frank Jürgen Weise (Bundesagentur für Arbeit) direkt ins Gesicht schlugen. Die Beiden beeilten sich nach ausgiebigem gegenseitigen Schulterklopfen denn auch, die durch Einspielungen vorgestellten Fälle als mehr oder weniger "krasse Einzelfälle" oder "Illegal" abzuwiegeln. Tatsache aber ist, dass diese Fälle keineswegs Ausnahmen sind sondern sicher eher auf nahezu ungebremstem Vormarsch befinden.

Als neben Gregor Gysi noch beitragsfähigen in der Runde konnte man den bekannten Ex-Kaberettisten Schneyder einordnen (...die n+1-ste Wiederholung absurder Wirtschaftspropaganda braucht niemand wirklich...). Doch weder dieser noch Gregor Gysi mochten zu ihrer individuellen Höchstform finden. Gysi hat halt gelernt - wer zu viel Stunk macht, wird nicht mehr "eingeladen" und Schneyder muss offenbar noch ein wenig nachdenken, bevor es ihm gelingt, Ursachen und Wirkungen zu verbinden - was an seinem brauchbaren Grundansatz indes wenig ändert.

Auf jeden Fall sind die in der Sendung als "illegale Ausnahmen" abgewiegelten Verhältnisse keineswegs Ausnahmen sondern besonders im Niedriglohnbereich so etwas wie die Regel in Absurdistan. Die schiere Zahl an Beispielen für Minijobs ohne Urlaub, Urlaubs- und Krankengeld, jede nur vorstellbare Form von Abartigkeit im Rahmen von Zeit- und Leiharbeit sowie der konsequente Ausschluss von Langzeitarbeitslosen von ordentlicher Arbeit sprechen hier in Bänden Beweis.

Verdienen an Arbeitslosen

Fakt ist nun mal: An Arbeitslosen lässt sich prächtig "verdienen" - wie die Mehrzahl der Zeitarbeitsfirmen tagtäglich unter Beweis stellt. Noch vor der Zeitarbeit kommen da die "Vermittler" - die sahnen zwar nur einmal, aber dafür dank des Füllhorns kräftig, ab. Die für viele Menschen im Lande längst realen Verhältnisse lassen nur eine Feststellung zu: Die Legalisierung von Zeitarbeit in Deutschland war und ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung. Die These, es seien durch Zeitarbeit hunderttausende von Arbeitsplätzen "geschaffen" worden, ist grandioser Unsinn. Was wäre denn - würde es sie nicht geben? Firmen müssten ihr Personal wieder auf üblichen Wegen beschaffen und beschäftigen - und das wars dann auch schon. Keine einzige Firma in Deutschland würde ein "gutes Geschäft" sausen lassen, nur um die Einstellung von Mitarbeitern zu vermeiden. Absurderweise zahlen Firmen für Zeitarbeiter in der Regel sogar der Stammbelegschaft vergleichbare Beträge.

Geradezu verbittern muss hier jeden Betroffenen die arrogante Ignoranz vor allem der politisch Verantwortlichen. Da wird mit abenteuerlichster Argumentation das Bild einer Arbeitswelt aufrecht erhalten, die auf freier Wildbahn immer weniger gesichtet wird. Niemand - selbst Gysi nicht - mochte das in Wahrheit vorherrschende Thema so wirklich beim Namen nennen. Es gibt derzeit schlicht nicht genug Arbeitsplätze in Deutschland - dies ist ein unumstößliches Faktum. All den Blödsinn von Millionen von Stellenangeboten und angeblichen Fachkräftemangel kann man getrost in die Tonne hauen - hieran stimmt praktisch nichts. Überhaupt steht der angeblich so heftige "Boom" in Frage - denn ein Boom, von dem nun schon seit Längerem nichts Nennenswertes auf dem Binnenmarkt ankommt, könnte auch gut ein "Scheinboom" sein - ganz gleich welche bestellten Ergebnisse Umfrageakrobaten wie Schönbohm und Konsorten produzieren.

Nun zur Bundesagentur für Arbeit. Worauf auch immer sich die "Monsteragentur" - denn dies ist sie nun mal mit ihrer großen Beschäftigtenzahl - verlegt haben mag: Es scheint nicht sonderlich wirkungsvoll. Die so sehr gefeierten Vermittlungserfolge im ersten Arbeitsmarkt fallen nicht zum unbeträchtlichen Teil in die - wie wir noch zeigen werden bedenkliche - Zeitarbeit. Zwar wird auch ein deutlicher Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit behauptet - etwa 300.000 weniger als noch vor Jahresfrist sollten es nach destatis sein. Allerdings: Allein in Dortmund wurden im Verlauf von 2007 nicht weniger als 14 "Arbeitsfabriken" geschaffen - sie wissen schon - dass sind jene Veranstaltungen, deren Hauptzweck zu sein scheint, Langzeitarbeitslose "unsichtbar" zu machen. Effekt: in Dortmund muss es auf einen Schlag gut 600 Langzeitarbeitslose weniger geben. Wohlbehütet fristen sie für gut 400 € pro Nase und Monat ihr Dasein in einer raffinierten Beschäftigungstherapie, allerdings ohne auch nur 1 Cent zu sehen - denn dieses Geld landet bei den Betreibern BFZ und FAW, Ableger bayrischer Unternehmerverbände.

Praktisch sind diese Menschen natürlich ebenso weiter Hartzler wie sie sich fortan statistisch in Luft auflösen. Findet einer der Betroffenen aus Versehen doch mal einen Job, rückt natürlich sofort ein anderer nach. Dieser kleine Statistik-Gag kostet summa-summarum grade mal lumpige 400.000 € pro 1.000 verschwundene Langzeitarbeitslose im Monat und ist damit noch billiger als der altbekannte 1€-Job, wenn man hier die Anbietervergütung mitrechnet. Also für eine halbe Milliarde kann man so locker schon mal ein kleines "Jobwunder" - z.B. ein Rückgang von 100.000 - für ein Ganzes Jahr "produzieren". Das dann noch garniert mit ein paar "Förder- und Qualifikationsmaßnahmen" sowie noch etlichen 1€-Jobs - und schon ist der 300.000er "Erfolg" frisch fertig gebacken.

Was hier herrscht ist nicht Aufschwung, sondern Realitätsverlust - und hier leiten wir nun einfach aus Wesen und Kompetenz des Häuptlings der "Bundesagentur für Arbeit", Frank Jürgen Weise, ab: Das kann es auch gar nicht sein, wenn schon der Chef des Ladens mit der Realität derart auf Kriegsfuß steht, wie es in der Sendung deutlich wurde: Erstens suggerierte er, die heutigen Langzeitarbeitslosen stammen vor allem aus den Kreisen ehemaliger "Sozialhilfeempfänger". Dies ist ein höchst gravierender Irrtum, der vielleicht irgendeinem Opa oder irgendeiner Oma auf dem Lande zustoßen kann - aber doch Einem auf gar keinen Fall: nämlich dem Häuptling jener staatlichen "Monsteragentur". Zweitens zeigte Wiese auffällig viel Verständnis dafür, dass Firmen am liebsten gar keine Arbeitslosen einstellen - sondern lieber passende Kräfte von der Konkurrenz abwerben.

Woher kommen die BA-Überschüsse?

Diese Realtitätsferne aber klärt zugleich jenen Umstand auf, zu dessen Aufklärung der in der Sendung versammelte - und offenbar überaus beschränkte - Sachverstand nicht in der Lage schien oder sein wollte: Woher denn bloß mögen die gewaltigen "Überschüsse" der Arbeitslosenversicherung kommen? Großes Fragezeichen mit einfacher Antwort: Die Überschüsse sind nicht etwa der so schrecklich guten Politik zu verdanken - sie stammen auch nicht aus der angeblich so fürchterlich brummenden Konjunktur - sie sind ALLEIN einer einzigen Tatsache zu verdanken - dieser nämlich: "Langzeitarbeitslose" wurden aus der Versicherung ausgegliedert - Betroffen sind hier in der Mehrheit ganz normale Arbeitnehmer, die früher bei einer etwas längeren Arbeitslosigkeitsphase "Arbeitslosenhilfe" bezogen hätten und so wenigstens noch ein wenig auf Tuchfühlung mit dem "ersten" Arbeitsmarkt geblieben wären. Heute aber werden sie nach ein paar Monaten gleich zu den "hoffnungslosen" Fällen in ARGE's und Jobcenter abgeschoben. Ein zutiefst menschenverachtendes System: die Mehrheit dieser häufig älteren Menschen haben in vielen Fällen über Jahrzehnte lang brav ihre Beiträge zur "sogenannten" Arbeitslosenversicherung eingezahlt.

Zur Lachnummer musste so dann auch die in der Sendung folgende Diskussion über mögliche Verwendungen der fast schon peinlichen "Überschüsse" geraten. Geradezu zynisch Michael Fuchs mit der wohlbekannten CDU-Forderung: "Die Überschüsse seien über eine Beitragssenkung an die Versicherten zurückzugeben". Wie immer - nicht alles was logisch klingt, ist dies auch - ganz besonders nicht, wenn es von der Union kommt: Erstens - die Überschüsse sind primär auf die Ausgliederung von Langzeitsarbeitslosen zurückzuführen, die man kurzerhand mal per Gesetz um ihre Leistungsansprüche betrog (Zumindest wenn man die sonst verwendete CDU-Philosophie in punkto Sozialversicherung zugrunde legt...). Das nun peinlicherweiser in erheblichen Mengen überzählige Geld also könnte man, wenn schon wem, dann bestenfalls denen "zurück" geben, die heute dafür bluten müssen. Union wäre aber nicht Union, wenn sie es nicht immer noch ein bischen absurder hinbekäme. Halbwegs vernünftig wäre ja vielleicht noch, die Überschüsse öffentlichen Haushalten zuzuschlagen - denn diese müssen ja nun für die Langzeitsarbeitslosen "aufkommen". Eine Senkung der Beiträge indes ist das denkbar Unvernünftigste überhaupt. Denn hier werden angesichts eines drückenden Arbeitslosigkeitsproblems vor allem diejenigen, die hiervon so gar nicht betroffen sind, "entlastet". Darunter - welch ein glücklicher "Zufall" - auch jene Arbeitgeber, deren Großkonzerne und Verbandspolitk in erheblichem Ausmaß für die Misere verantwortlich sind und ohnehin schon mit Steuergeschenken verwöhnt werden.

Wir wollen die Betrachtung dieser Sendung mit der Hervorhebung einer Feststellung des Agenturpräsidenten Weise abschließen, die man sich ob ihrer Konsequenzen gut merken muss. Weise meinte, man könne Arbeitsgeber doch verstehen, wenn sie keine Arbeitslosen einstellen wollten... Was bitte soll denn dieser Unsinn bedeuten? Wenn denn schon Mehrbedarf an Arbeitskräften besteht, wer - wenn nicht der Chef der Arbeitsagentur müsste doch geradezu darauf drängen, dass vermehrt Arbeitslose und besonders Langzeitarbeitslos wieder in Lohn und Brot kommen? Hier wird wie selten klar und deutlich, wie sehr die Arbeitsagentur in Wahrheit längst die Politk Kohl'scher Zweidrittelgesesellschaft verinnerlich hat. Denn die BA-Herrschaften, allen voran Weise, fühlen sich für die Vermittlung Langzeitarbeitsloser offenbar nicht zuständig. Und von selbst stellen Firmen sie auch nicht ein - wie in der Sendung an einem Fall demonstriert wurde. Natürlich - wieder ein "Illegaler Einzelfall"... was die Frage aber nicht beantwortet: Was bitte unternimmt der Staat, um solche Entgleisungen auf dem Arbeitsmarkt zu bekämpfen?

Gerechter Arbeitsmarkt?

Selbst ein streng gehandhabtes (wovon keine Rede sein kann) Anti-Diskrimnierungsgesetz bleibt nichts als Augenwischerei, denn es trifft immer nur die - die blöde genug sind, Diskriminierung beweisbar zu formulieren. Wenn ich als Arbeitgeber aber behaupte - die Qualifikation eines Bewerbers sei nicht ausreichend - bin stets fein raus. Dass ich aber realiter eine 100%-Quote an Disqualifizierten unter allen Gruppen habe, die mir persönlich irgendwie nicht genehm (z.B. Bartträger, Schwaben, Ältere, Große, Kleine oder was auch immer...) sind, ist praktisch nicht nachweisbar. Dieses von der EU gepuschte Gesetz ist so denn auch mehr ein "Alibi-Gesetz" denn eines, dessen Umsetzung je beabsichtigt gewesen wäre.

Die weltbeste Anti-Diskriminierungsmaßnahme im Arbeitsmarkt ist schlicht ein ordentlicher Umgang mit Arbeitslosen - Wenn diese nämlich frei entscheiden können, wo sie welchen Job annehmen, können Arbeitgeber so viel diskriminieren wie sie wollen - zumindest schaden sie keinem Menschen damit. Wenn man dann noch die Mehrkosten dieser Maßnahme vollständig auf die Arbeitgeber abwälzt, wäre man einen guten Schritt in Richtung eines freien Arbeitsmarktes vorangekommen - dann erst kostete es Arbeitgeber nämlich richtig Geld, all das zu veranstalten, was derzeit allgegenwärtig geschieht: Job-Aufteilung auf Minijobs, Arbeitsverlängerung, etc. In Absurdistan aber ist eben alles irgendwie "anders" - jeder Arbeitsgeber-Schlag ins Gesicht von Gesellschaft und Sozialsystemen zahlt sich hier sofort in barer Münze aus. Nicht wirklich ein Wunder, dass wir derzeit eine solche Ansammlung von lauter "illegalen Einzelfällen" beobachten dürfen...

Durch das Weise-Statement jedenfalls erhält das angebliche "Stellenangebot" von 1,4 Mio angeblichen (N-fach Nennungen nicht herausgerechnet) Jobangeboten eine besondere Qualität - man könnte es eigentlich zum größten Teil vernachlässigen - denn diese Stellenangebote suchen Leute, die rar geworden sind. Jene 25-jährigen mit zwei Einser-Abschlüssen, die über 15 Jahre Berufs- und Auslandserfahrung in der Branche verfügen und ganz begierig darauf sind, 3 Jahre Praktikum zum Nulltarif zu machen. Okay - das war etwas übertrieben, aber die gegenwärtige Lage hat durchaus Einiges davon... Heutige Stellenangebote erwecken oftmals den Eindruck, hier könnte das eine oder andere Unternehmen in Wahrheit dabei sein, etwas "Verbandspolitk" zu machen. Zudem: Wer zuvor nicht bereit ist, hochqualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter heranzubilden, der kann solche doch später nicht wirklich vom "Arbeitsmarkt" fordern - oder? Ist der Inder oder Ukrainer wirklich soviel "billiger", dass es sich nicht mehr lohnt, einen hiesigen Arbeitslosen in vielleicht ein paar Wochen auf Stand zu bringen? Worauf wir hier stoßen, sind Strukturen im Arbeitsmarkt, die sich verselbstständigt haben - und hier schließt sich dann auch der Kreis zu unserem Aufmacher für diesen Artikel.

Hinsichtlich sämtlicher Statistik gelten zwei Grundsätze - ohne eine drakonische Überwachung des statistischen Basis werden wir noch in 100 Jahren über die Anzahl der wirklich offenen Stellen Absurdistans diskutieren. Hier kann heute jeder nach Gutdünken erzählen und manipulieren wie es ihm grad in den Kram passt. Völlig wurscht, welche internationalen Bestimmungen dieses oder jenes vorgeben - Arbeitslose sind staatlich, und das korrekt und ohne jegliche "Kosmetik" zu erfassen und der Blödsinn mit n+1 Arbeitsmärkten hat ebenfalls schleunigst beendet zu werden. All dieser zu nichts Anderem als zur Verschleierung der Realität bestehende Kram ist längst selbst zu einem milliardenschweren Bürokratiemonster gewuchert.

Wie eigentlich kann man Stellenangebote mit Langzeitarbeitslosen "verrechnen", wenn diese von vornherein KEINE CHANCE auf Einstellung haben, wie Millionen von ihnen anlässlich unzähliger Bewerbungen tagtäglich immer wieder aufs Neue erfahren? Die gängige Schutzbehauptung der unheiligen Allianz, die für das ganze Desaster verantwortlich ist, lautet: Die seien eben nicht ausreichend qualifiziert. In dieser Allgemeingültigkeit ist das eine glatte Lüge - es mag vielleicht einen kleineren Teil geben, für den dies zutrifft - die Behauptung indes, jemand, der länger als 12 Monate arbeitslos ist, könne plötzlich nicht mehr richtig arbeiten, ist klar erkennbarer Zynismus übelster Sorte, der an Menschenverachtung kaum noch zu überbieten ist.

Einstweilen ist es vor allem die formelle Lapalie "Dauer von Arbeitslosigkeit", die einen bis dahin vergleichsweise gehätschelten "Leistungsträger" zu einem - aus Clement-Perspektive gesehen - nichtnutzigen Sozialschmarotzer stempeln kann. Das hier mitschwingende "Eigenverantwortungsprinzip" - gemeint ist: diese Menschen selbst seien Schuld, ist heute nicht weniger blödsinnig als es schon zu den Anfangszeiten der "Sonderwirtschaftszone" im Osten war. Was bitte hat der Aufkauf des langjährigen Arbeitgebers durch eine Heuschrecke mit der persönlichen Leistung von dann üblicherweise gefeuerten Mitarbeitern zu tun?

Und so trifft es besonders Ältere im Turbokapitalismus schnell - sie werden "langzeitarbeitslos". Im spießigen Absurdistan (angemerkt: und nur dort...) eine Sackgasse, aus der es für sie derzeit kaum noch ein Entrinnen gibt. Diesen Menschen gibt man so eben das, was sie zum Leben brauchen und schikaniert sie noch dazu bis aufs Blut. Hier werden Selbstwert, Selbstvertrauen und oft ganze Existenzen systematisch zerstört - und all dies legal per Gesetz.

Und dann weisen diese - nicht anders als widerlich zu nennenden - Strukturen unserer Gesellschaft den ohnehin geplagten Menschen auch noch die Schuld für ihr Schicksal zu. In diesem Zusammenhang kann man an CDU-General Pofalla nicht vorbei - dieser wurde kürzlich befragt, was er denn von einer Aufstockung des ALG2 halte, angesichts der auf breiter Front einsetzenden Preissteigerungsorgie bei Lebensmitteln. Seine Antwort: "Daran ist nicht zu denken, es ist doch absurd, ALG2 zu erhöhen, nur weil vereinzelt Lebensmittel ein wenig teurer geworden sind..." Was bitte - glaubt Pofalla wohl - kaufen sich Menschen von ihrem ALG2? Hedgefond-Papiere etwa? Wer hier absurd argumentiert, sollte klar sein...

Pofalla spricht wieder einmal - wie eigentlich ständig - die Unwahrheit. Seit der Einführung von Hartz IV haben sich Strom, viele Gebühren sowie nicht wenige Billigprodukte bereits auf breiter Front verteuert. (Wir berichteten hierzu schon 2006...). Solche Art der Teuerung muss sich nicht notwendigerweise in der auf Basis repräsentativer Warenkörbe ermittelten "allgemeinen" Preissteigerung auswirken, die zudem viele Markenartikeln enthalten (die Arme sich nicht kaufen können...). Nicht wenige von genau diesen Markenartikeln aber wurden in letzter Zeit billiger - was man als Folge der Schrumpfung von Markenimage - oder eben auch anders erklären kann. Unterm Strich bliebe so ein gemischter Warenkorb durchaus konstant - auch wenn Billigprodukte im Preis deutlich zulegten.

Angesichts der realen Situation jedenfalls sind die 2 Euro Erhöhung dieses Jahr angesichts dessen nichts als eine Unverfrorenheit. Wohlgemerkt - das IST bereits länger schon so. Nach kürzlichen Meldungen werden sich nunmehr Lebensmittel auf breiter Front nochmals spürbar verteuern - durchweg sind Zahlen um 20% und bisweilen noch deutlich mehr im Gespräch. Wir lernen: auch auf diese Weise kann man Hartz und Kleinrenten kräftig absenken - und das ohne dass ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit geht. Wer gute Nerven hat, mag sich hierzu bei Focus gern die Kommentare der leider nicht aussterbenden Spezies tumberer Zeitgenossen hierzu antun.

Die Preislawine jedenfalls rollt - Besonders für Arbeitslose und Kleinrentner wird es hiermit eng - sehr eng, denn das Geld langte schon vor der Lawine mal gerade noch so zum Leben auf ALDI-Niveau. Was Pofalla angeht: Wer Menschen mit derart verschobener Wahrnehmung ins Parlament wählt, der ist selber schuld - bleibt die zynische Wertung dieses nur noch schwer erträglichen Politikers. Wer als halbwegs intelligenter Mensch derart mit der Dummheit kleinbürgerlichen Spießertums kokettiert, sollte nicht wirklich eine derart exponierte Position in der Politik bekleiden.

Der deformierte Arbeitsmarkt

Nun - was geht hier in Wahrheit eigentlich vor? Beginnen wir beim sogenannten "Arbeitsmarkt". Sogenannt deswegen, weil dies von Natur aus nicht wirklich ein "Freier Markt" sein kann, denn ein solcher setzt eines IMMER voraus: die Freiheit seiner Teilnehmer. In modernen Gesellschaften aber sind Arbeitnehmer keineswegs frei - vielmehr müssen sie ihren Lebensunterhalt "erarbeiten". Letztes Jahrhundert funktionierte das über lange Zeit halbwegs ordentlich in den Wirtschaftssystemen - es gab auch vorwiegend eine Produktwirtschaft. Leute mit Geld und/oder Ideen schufen Produkte, für deren Herstellung, Vertrieb und Pflege man Arbeit brauchte - was Arbeitende wiederum in die Lage versetzte, solche Produkte zu kaufen. Wenn gewisse Spielregeln eingehalten werden, entstehen dynamische Gütermärkte und - wenn man so will - auch ein Arbeitsmarkt. Schnell entwickelte sich eine florierende Wirtschaft und in der Folge breiter Wohlstand.

Wichtig für die Funktion von Märkten ist der freie Ausgleich von Angebot und Nachfrage - konkret: wenn beispielsweise ein Arbeitsangebot gar zu jämmerlich bezahlt wird, ist es absolut marktkonform, dass der Markt diesen Teil der Arbeitsnachfrage nicht befriedigt. Dies MUSS sogar so sein - andernfalls würde kein Druck auf die Wirtschaft entstehen, höherwertige Produkte und Arbeitsplätze zu schaffen. Wir fühlen uns an das asoziale Subjekt eingangs des Beitrags erinnert - dieser schuf teilweise völlig sinnlose Arbeit, allein um Zuschüsse einzustreichen. Wir erkennen: Solche Zuschüsse - gleich welche - deformieren Arbeitsmärkte, denn sie behindern den freien Marktausgleich. In Absurdistan gibt es aber noch mehr Deformation - z.B. die bis in die Irrationalität vermurksten Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose. Hier wird unwiderlegbar Zwang auf Arbeitnehmer ausgeübt, jeden noch so beschissenen Job anzunehmen - sowas hat gewöhnlich einen präzisen Namen: Zwangsarbeit (nach dem Grundgesetz in Absurdistan verboten...). In absurdistanischen Amtsstuben aber jagt inzwischen diesbezüglich ein Krimi den anderen - Fahrzeiten bis zu 3 Stunden pro Tag, perforierte Arbeitszeiten: 12 Std am Arbeitsplatz für 6 Std. bezahlte Arbeitszeit, Job in halbseidenen Branchen (Outbound-Callcenter) - ja, dem Vernehmen sogar Arbeit in der Erotik-Industrie...

Je nach "Sachbearbeiter" kann all dies flott mal als "zumutbar" angesehen werden. Hierbei können Sachbearbeiter durchaus unverkrampft vorgehen - denn: einem Arbeitslosen nutzt ein Aufbegehren gegen eine gar zu heftige "Zumutung" zunächst einmal wenig - sein vielleicht höchst berechtigter Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung! Er muss trotzdem - sonst setzt es Abzüge, die ihm bei dem "üppigen" ALG2, das schon in voller Höhe kaum zum Leben reicht, es fast verunmöglichen, sich zu wehren. Toll haben sie das hinbekommen, die Creme de la Creme in Absurdistan. Angemerkt sei: nicht alle Sachbearbeiter gehen so vor - andere wieder schwimmen nur mit, wenn sie müssen - und generell ist DIES nicht wirklich ihre Schuld. Die Schuld liegt hier zu allererst beim Gesetzgeber, der solche aberwitzigen Verhältnisse überhaupt erst schuf...

Dennoch - dem Arbeitnehmer wird hier die Hoheit abgesprochen, selbst zu entscheiden, ob ein Arbeitsangebot für ihn passend ist oder nicht. Es entstand zwar ein ideales Betätigungsfeld für das lang unterdrückte Spießertum im Lande, dies ändert aber nichts daran, dass hier regelmäßig massiv gegen das Grundrecht der freien Berufswahl verstoßen wird. In diesem Punkt ist unser armer Abgeordneter Friedrich Merz (CDU) ja so fürchterlich sensibel - zumindest wenn es um seine - man beachte: Nebeneinkünfte - geht, die er zu allem Überfluss auch noch unter Verfehlung des Themas hier einsortierte.

Es gibt im persönlichen Bereich eines Menschen unendlich viele Aspekte, die eine Jobwahl beeinflussen - keine Behörde der Welt kann dies letztlich beurteilen. In unserem Fall eingangs also lag nicht wirklich "Geld auf der Straße". Der inzwischen üblich gewordene behördliche Zwang erst macht diese Betrugsform überhaupt möglich - Jener Arbeitslose, der in die Fänge solchen Gesoxes gerät, muss bei seiner völlig gerechtfertigten Kündigung auch noch Sanktionen befürchten. Nicht sehr viel anders läuft es in der so gefeierten Zeitarbeitsbranche - Keiner der fortwährend laut krakehlenden wie unbetroffenen Spießer würde doch freiwillig für die Hälfte arbeiten, nur weil irgendein Unbeteiligter unverdient Geld von seinem Lohn abzockt? Tag für Tag aber werden in Absurdistan tausende von Menschen per Sanktionsandrohung gezwungen, sich in diese Mühle hinein zu begeben. Hier machen Gesetze nichts anderes als "Vertrieb" für eine Schmuddelbranche. Und dies sind keineswegs, wie Frank Jürgen Weise im ZDF abwiegelte, Ausnahmen.

Die system-immanente Unterstützung dieser "Beschäftigungsform" - nicht zuletzt auch unter Beteiligung von DGB-Gewerkschaften - wird schon aus folgendem Sachverhalt erkennbar: Viele Zeitarbeitsfirmen (so auch in der Sendung) brüsten sich, sie würden "nach Tarif" bezahlen. Das hört sich gut an - nur gibt es einen Haken. Hier sind nicht die Tarife der Berufsgruppen gemeint, in denen die Zeitarbeit verrichtet wird, sondern ein spezieller Tarif für Zeitarbeit (IGZ-Tarif). Dieser sieht im Osten folgende Staffelung vor: für eine einfache ungelernte Tätigkeit einen Stundenlohn von 6,26 € - bei abgeschlossener Berufsausbildung muss man sich mit 7,15€, als Meister mit 9,69€ - und als Vollakademiker mit 13,77 € zufrieden geben. Wohlgemerkt - dies richtet sich nicht nach der Qualifikation des Zeitarbeitenden, sondern nach der Tätigkeit, die er verrichtet. Das Monatsbrutto bewegt sich hier also zwischen 877 € über 1.350 € für die Meistertätigkeit bis immerhin 1.927 €. für die höchste Entgeltstufe.

Auch wenn hier teilweise bereits deutlich unter den Stammtarifen (mit welchem Grund eigentlich? Die verrichtete Arbeit jedenfalls ist vollwertig...) bezahlt wird, ist dies allein nicht der eigentliche Skandal. Dieser kommt anders und unter kräftigem Zutun gerade großer und namhafter Arbeitgeber des Landes zustande. Besonders brummende Großkonzerne besorgen sich ihre Mitarbeiter schon seit Längerem vermehrt über Zeitarbeitsfirmen. Für sie ist hier weniger die Lohnhöhe entscheidend, als der Umstand, dass man Zeitarbeiter genau so schnell wieder los wird, wie man sie bekam. Konzerne können so ihren Personalpool maßgeschneidert zu ihrer Auftragslage gestalten. Das ist praktisch, macht keine schlechte Presse und verursacht kaum Mehrkosten. Zudem werden hier Tarifverträge, Kündigungsschutz, Krankheitsrisiken etc. ersetzt durch die Verträge mit Zeitarbeitsfirmen. Unliebsames, kränkelndes oder widerborstiges Personal ist mit einem Anruf "ausgetauscht". Bei so massiven Vorteilen macht es anscheinend wenig aus, Zeitarbeit nicht schlechter zu bezahlen als die Stammbelegschaft. Im Gegenteil: so kann man sich hernach noch mit runden Kulleraugen hinstellen und beschwören, mit diesen Verwerfungen nichts am Hut zu haben...

Zeitarbeitsfirmen erhalten so für entsandte Mitarbeiter zumeist die ortsübliche Bezahlung eines Platzhirschunternehmens, die nicht selten übertariflich ist - der Arbeitende indes wird mit dem IGZ-Tarif abgespeist. Auch sonstige Schlechterstellungen im IGZ-Tarif würden mehr auffallen, wenn Zeitarbeiter lange Zeit bei einem Unternehmen blieben - denn dann würden u.a. miesere Urlaubs- und Sonderzahlungsregelungen herumsprechen. Dem setzt die Branche Rotation entgegen, d.h. zumeist ist ein Arbeitnehmer nicht viel mehr als 6 bis 9 Monate bei einem Unternehmen. Der Boom der Branche erklärt sich somit: Es ist besonders für große und prosperierende Arbeitgeber (Export-Industrie) mit guten Bedingungen für ihr Stammpersonal interessant, Zeitarbeiter zu beschäftigen - vermehrt wird daher in Aufschwungsphasen der sonst fällige Stellenaufbau über Zeitarbeit abgewickelt.

Aus Sicht von Arbeitnehmern aber bedeutet das - den "guten Job" beim großen ortansässigen Hersteller gibt es für ihn immer weniger. Bestenfalls über die deutlich schlechter bezahlte Zeitarbeit kann er - dazu mit dramatisch beeinträchtiger sozialer Sicherheit dorthin gelangen. Viel reden die Propagandisten der Zeitarbeit tagein, tagaus über die angeblich so tollen Chancen auf "Übernahme" - ich denke, die oben aufgezeigten Zusammenhänge machen klar, wieso dies im Gesamtzusammenhang immer ein Märchen war, ist und bleiben wird. Für Großunternehmen ging es hier klar immer nur um Eines: um die Minimierung ihrer unternehmerischen Risiken - und zwar auf dem Rücken von Arbeitnehmern. Ein anderes sich hartnäckig haltendes Märchen: Zeitarbeitsfirmen wurden Personal, welches sie gerade nicht unterbringen können, weiter in Beschäftigung halten. Auch hier belegen die alltäglichen Erfahrungen ungezählter Menschen längst das Gegenteil.

Unterschlagen wollen wir indes keineswegs zwei Entwickungen, die man zwar nicht der ganzen Branche - sehr wohl aber erheblichen Teilen davon vorwerfen muss. Erstens - bei der Einstufung in den IGZ-Tarif werden bisweilen merkwürdige Verrenkungen unternommen, ebenso wie in den Arbeitsbedingungen - da wird aus einer 35-Std. Woche schon flugs mal eine 40-Std-Woche - natürlich ohne Lohnausgleich. Eine andere Entwicklung ist: ganze Branchen - z.B. Elektronik-Fertigung - besetzen ihre Produktionslinien fast vollständig durch Zeitarbeit. Hier sind ehemals zwar nicht unbedingt hochbezahlte aber immerhin auskömmliche Jobs im Bereich einfacher Arbeit, die hier unwiederbringlich zerstört und durch prekäre Arbeitsformen ersetzt wurden. Ist es etwa dies - was Prof. Hans-Werner Sinn meinte, als er seinen denkwürdigen Ausspruch tätigte "Geringqualifizierte können sich ihren Lebensunterhalt auf dem freien Markt nicht mehr erwirtschaften..."?

Jede mittlere Stadt in Deutschland hat inzwischen dutzende Niederlassungen von Zeitarbeitsfirmen - nicht wirklich ein Wunder, denn hier lässt sich prima richtig viel Kohle machen - und zwar auf dem Rücken von Arbeitslosen. Zahlen tun die Zeche weder die großen Arbeitgeber, die sich über ihre zum Nulltarif verringerten Risiken freuen dürfen noch die Zeitarbeitsfirmen - hier zahlen allein die Arbeitnehmer und deren Familien über miese Löhne, miese Arbeitsbedingungen und einem dramatischen Verlust an sozialer Absicherung. Auch noch interessant: Gerade bei den nicht ganz so strahlenweißen Schafen der Branche häufen sich Klagen über ein - ich nenne es mal "kreatives" Cash-Management. Im Klartext: Zwar nimmt man pünktlich die Überweisungen des Kunden entgegen - der Zeitarbeiter indes darf hier und da schon gern mal bis Monatsmitte warten... Wer meckert fliegt, wer fliegt, wird sanktioniert - So einfach kann es sein in Absurdistan, während das Geld, welches einem nicht gehört, mal eben ein bischen "arbeitet" (was dieses bekanntlich nicht wirklich kann...). Der letzte Trend in Absurdistan: Dass manche Zeitarbeitsklitsche angesichts solcher Praktiken in Probleme gerät, Personal zu rekrutieren ist nachvollziehbar - inzwischen mehren sich Berichte, Mitarbeiter solcher Unternehmen drohten Arbeitslosen mit der "Meldung an die ARGE" für den Fall, dass sie wegen zu mieser Bedingungen ablehnen. Von hier zu unserem asozialen Subjekt anfangs ist es so kein wirklich großer Schritt mehr.

Die vorgestellten Details zeigen - Zeitarbeit ist ein Instrument, das sich unter raffinierter Umgehung von Gesetz und Tarif für nahezu jede vorstellbare Schweinerei auf dem Arbeitsmarkt eignet. Ich bin gewiss kein Fan von Einzelfall-Argumentation - wichtiger ist mir, die strukturellen Schwächen des Arbeitsmarktes in Absurdistan offen zu legen. Eine solche ist ohne jede Frage gegeben, wenn Behörden Arbeitslose ungestraft z.B. auch in solche Jobs wie beim anfänglichen Beispiel drücken können. Dabei gilt immer: Bei einer Deformation ist relativ unwichtig, was im Moment praktiziert wird, sondern es zählt allein was durch sie MÖGLICH ist. Zeitarbeit in der heutigen Form hat sowieso ein ganz grundlegendes Defizit: Absurderweise ackert ein dort beschäftigter Arbeitnehmer nicht nur zum Wohle eines - sondern zum Wohle von gleich zwei Arbeitgebern. Hierfür gibt es wirtschaftlich weder eine schlüssige Begründung und noch sonst irgendeine Notwendigkeit. Ziel dieser Arbeitsform scheint allein: Bereicherung und Brechstange für die hierzulande ehedem festgefügten Arbeitnehmerrechte - die Deformation des Arbeitsmarktes.

Auch Vermittlunggutscheine, Einstellungszuschüsse, 1€-Jobs, Minijob-Subvention - all dies sind deformierende Eingriffe in den Arbeitsmarkt und sie verschlingen im selben Ausmaß Milliarden, wie sie stets von windigen Geschäftemachern abgezockt werden und bei Arbeitslosen wie Arbeitnehmern kommt von diesem Geld praktisch nichts an. Dieses wird in ganz besonders krassem Ausmaß für das Kombilohn-Modell der Union gelten - denn was leistet dieses Modell in Wahrheit, welches mit der flachsinnigen Begründung gefordert wird: "Es sei besser Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren..."?

Ganz einfach - es reduziert künstlich den Preis für Arbeit und schafft so noch mehr Lohnkonkurrenz. Wie bereits bei Zeitarbeit und Minijobs werden windige Geschäftemacher ihre Strukturen im Handumdrehen auf die Abschöpfung des staatlichen Geldsegens optimieren und sich dann solange schadlos daran halten, wie es diesen Schwachsinn gibt. Fast schon naturgesetzlich, dass viele bisher ordentliche Arbeitsplätze dieser neuerlichen Verlockung zum Opfer fallen werden. Hier nun eine selten gestellte aber immens wichtige Frage: Nehmen wir einmal an es gäbe 5 Mio. Kombilohn-Arbeitsplätze - WIE eigentlich will der Staat aus dieser Nummer wieder heraus kommen? Zum Beispiel - weil das Steueraufkommen die dann fälligen horrenden Subventionen nicht mehr so locker her gibt? Kippt er die Subvention, wird er postwendend etliche Mio. Arbeitslose mehr zu finanzieren haben - toll - eine sich selbst verstetigende Deformation.

Genau betrachtet ist dies nichts anderes als eine besonders zynische neue Form von Reichen-Sozialismus - denn der Staat bezahlt hier teilweise die Arbeit von Menschen - mit einem nicht ganz unwichtigen Unterschied: denn die Früchte dieser Arbeit kommen keineswegs der Allgemeinheit zu Gute sondern landen eben bei sowieso schon unvernünftig Reichen. Und dieses fordert in Absurdistan ausgerechnet jene Partei, die stets für sich in Anspruch nimmt, den freien Markt hoch zu halten. Was auch immer die Union hochhält - eines ist dies gewiss nicht: einen freien Arbeitsmarkt.

Wir stehen also vor einer ganzen Kollektion von Indizien, dass mit unserem "Arbeitsmarkt" so Etliches nicht mehr zu stimmen scheint. Betrachten wir ihn doch mal grundsätzlich: wir haben rund 42,5 Mio. Erwerbspersonen in Deutschland. Abgesehen von ca. 4 Mio öffentlich Bediensteten, ca. 4 Mio Selbstständigen und 2 Mio Studenten sollten also rund 32,5 Mio. von ihnen eigentlich im Arbeitsmarkt irgendwie ihr Auskommen finden - destatis weist rund 27 Mio sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus - 4,5 Mio davon in Teilzeit. Der Rest? Schaut den anderen beim Arbeiten zu, könnte man sagen. Würde man die Arbeitszeit vom derzeitigen statistischen Durchschnitt 40 Wochenstunden auf 35 Wochenstunden senken - müsste sich die Arbeitslosigkeit deutlich reduzieren lassen. Natürlich bedeutet dies Einkommenseinbußen für die betroffenen Arbeitnehmer - aber: Diese haben sie ja inzwischen durch die Deformation des Arbeitsmarktes auch so bekommen - z.B. durch Arbeitszeitverlängerung, die sie aus der nicht unbegründeten Angst arbeitslos zu werden, schlucken mussten.

Wie hirnverbrannt muss man eigentlich überhaupt sein, bei diesem Szenario Arbeitszeitverlängerung um zu setzen? Sie wissen ja hoffentlich noch, wem wir diesen Schwachsinn zu verdanken haben oder? Das prophetische Wort vom "Freizeitpark Deutschland" des dicken Kanzlers lässt grüßen. In der Illner-Sendung sprach Gregor Gysi (Die Linke) dann auch zu Recht von dem großen naturwissenschaftlichen Experiment, welches in Deutschland schon seit 17 Jahren läuft - nämlich: Arbeitszeitverlängerung schafft mehr Arbeitsplätze. Das Ergebnis des Experimentes liegt indes klar auf der Hand - diejenigen die noch Arbeit haben, schuften bei mehr oder weniger stagnierenden Einkommen fast bis zum Umfallen - mit allen gesundheitlichen und sozialen Folgen für sie selbst und ihre Familien, die der Union angeblich ja auch so besonders am Herzen liegen. Und ein zunehmender Teil der Bevölkerung wird systematisch aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt - für sie ist keine ordentliche Arbeit da, es sei denn sie lassen sich noch kräftig mehr ausbeuten als die anderen es ohnehin schon tun.

Abschließend wäre noch eine weitere wenig so thematisierte Deformation unseres Arbeitsmarktes zu beleuchten: Gemeint sind die Grundstrukturen unserer Sozialsysteme, die hier bereits von Anbeginn an deformierend wirken. Ein Sozialsystem, welches Einkommen mit zunehmender Höhe immer mehr von Sozialabgaben entlastet, bietet zwangsläufig Anreize zu Deformation - und aufs Ganze gesehen sind es sogar recht massive Anreize. Deswegen auch entstanden in Deutschland ratzfatz über 8 Mio Minijobs: weil der relative Anteil der Sozialabgaben durch die Pauschalisierung hier geringer ist, als bei "normaler" Beschäftigung. Gleiches gilt für Arbeitszeit und Überstunden: wenn Einzelne mehr Stunden leisten, werden hierbei die widersinnigen Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherung eher übersprungen. Ab da aber sinkt die Sozialquote am Lohnumsatz rapide. Dass eine Wirtschaft ihre Strukturen hier selbst dann optimiert, wenn nur wenige Prozent Einsparungen im Raume stehen, ist verständlich: denn hier Gespartes ist sozusagen Reingewinn. Hiermit erhebt sich aber die Frage - wieso gelang es unserer Politik im Verlauf der letzten 20 Jahre nicht, das System wirklich zu reformieren? Reform kann hier nur bedeuten: Wenn ich Arbeit zur Finanzierung der Sozialsysteme heranziehe, muss ich dafür Sorge tragen, dass JEDE Arbeit gleich belastet wird. Andernfalls müssen Deformationen die zwangsläufige Folge sein.

Ursachen und Zusammenhänge

Weil das in Absurdistan so wunderbar funktioniert - noch nie wurden die Reichen hierzulande so schnell um so viel reicher wie in den letzten Jahren - steht den Franzosen demnächst ein vergleichbares Experiment bevor. Schließlich sei Europa ja fit zu machen für Weltmarkt und Globalisierung. Wieder so eine grandiose These zur Täuschung über die wahren Verhältnisse - denn wo ist der Weltmarkt? Wenn Chinesen unsere Produkte nicht kaufen, weil sie zu teuer sind, dann werden die eben woanders gekauft oder aber - sie werden gar nicht erst produziert. Die Befürchtung, Chinesen könnten unseren Binnenmarkt "übernehmen" ist indes ungefähr so begründet, wie die These, dass Arbeitszeitverlängerung mehr Arbeitsplätze schaffe. Mit unserem Arbeitsmarkt hat dies in erster Näherung praktisch nichts zu tun - Wir haben hier unsere Gesellschaft, unseren Staat, unsere Wirtschaft und unser Geld. Zudem: Sind die Chinesen denn blöde - investieren sie etwa ihr knappes Kapital, um dann ihre oft nicht zeitgemäßen Produkte nach einer halben Weltreise auf unseren verwöhnten und gesättigten Märkten zu verramschen? Wo eigentlich genau in China oder Indien gibt es denn da so fürchterlich viel zu "verdienen"? Milliarden-Völker, die umgerechnet auf ihre Größe praktisch nichts haben, und die zudem in den kommenden Jahrzehnten vor nie gesehenen sozialen Herausforderungen stehen.

Verdient wird heute zunehmend an Einem: an der systematischen Zerstörung von Strukturen und gesellschaftlichen Fundamenten hierzulande - denn es sind die westlichen Industrienationen, wo der Großteil des Welt-Geldvermögens konzentriert ist. Und dieses wird aus den hiesigen Gesellschaften mit allen feinen und unfeinen Mitteln herausgequetscht, weil sich unter abwesenden Sozialstrukturen und Ausbeutungsverhältnissen in Indien und China damit wesentlich besser schnelle Geschäfte als hierzulande machen lassen. Wohlgemerkt - Hier geht es nicht etwa um den Aufbau in diesen Ländern - sondern allein nur noch um schnelle Geschäfte. Sollten sich dort einmal eine moderne Gesellschaft formieren - ist der Spuk ebenso schnell zu Ende wie er begann und die Kapitaltroika zieht weiter in das nächste "Schwellenland".

Wenn in China oder Indien die Wirtschaften derzeit wachsen, dann also nicht etwa primär für deren Binnenwirtschaft - sondern zunächst einmal dafür, hier sämtliche vernünftigen Sozial- und Marktstrukturen weiter zu zermürben und zu demontieren. Auf diese Form der Globalisierung könnte die Masse der Menschen hier wie dort eigentlich komplett und folgenlos verzichten. Wirtschaftlich gilt: die Wirtschaftssysteme aller Staaten der Welt leben im wesentlichen von ihren Binnenmärkten. Indien und China wären vermutlich auf Jahrzehnte hinaus damit beschäftigt, moderne Waren- und Gütermärkte in ihren Grenzen zu entwickeln. Und es wären zwar gewaltige Märkte, die dort entstünden - nur gibt es ein Problem: solch mühseliger Aufbau rechnet sich nicht für die heute üblichen "Turbo-Kurzeit"-Gewinne. Da ist einstweilen an der Strukturzerstörung hier wesentlich schneller und mehr "verdient" - und genau darum und um nichts anderes dreht es sich bei der angeblich so "unausweichlichen" Globalisierung.

Weltweit wird über die Finanzsysteme breiten Schichten der hiesigen Bevölkerungen (und keineswegs nur den Armen...) Vermögen und soziale Absicherung abgezockt, damit Megakonzerne und Megareiche immer noch mehr Mittel in die Finger bekommen für noch mehr Marktmacht und noch mehr Marktdeformation. Müssten die Herrschaften ihr Unterfangen wirklich "selbst" bezahlen, könnte man dem Ganzen relativ beruhigt zu sehen - ein Markt von 400 Mio EU-Bürgern bleibt nämlich auch weiter ein Markt von 400 Mio EU-Bürgern, auch wenn in Indien und China Milliarden-Märkte hinzukommen. Es sind in Wahrheit keineswegs Marktgesetze, die hier Einfluss nehmen - Beweis: würde es den behaupteten globalen Markt wirklich geben, dann müsste in ihm der Lebensunterhalt in Indien oder China in etwa ähnlich teuer sein wie hier... Wir aber wissen - es liegt heute der Faktor 10 dazwischen.

Diese Deformation entspringt direkt dem Finanzsystem - und ist keineswegs Zufall. Verständlich wird sie, wenn man sich deutlich macht, dass Kapital mausetot ist. Es lebt nicht... und kann sich folglich auch nicht von selbst vermehren. Allerdings: man kann sich u.a. "Arbeit" dafür kaufen. Arbeit allein schafft im wesentlichen alle Mehrwerte. Da unsere Wirtschaften aber ununterbrochen gigantische Mengen von Gütern produzieren, muss irgendwer diese Güter schließlich auch kaufen. Zum ganz überwiegenden Teil erfolgt dies in Binnenmärkten ergänzt durch ein bischen Außenhandel. Wer kennt nicht das Wort der Vorsitzenden der großen Absurditätspartei: "Wir müssen um so viel besser sein, wie wir teurer sind..." Soll hier etwa eine gesamte Volkswirtschaft nach nicht einmal 20% der Wirtschaftsumsätze verunstaltet werden? Strukturen und Sozialsysteme abgebaut - Öffentliches Eigentum zum Spottpreis verschleudert? Und die allerwichtigste Frage: Werden wir dann etwa BESSER sein?

Natürlich nicht - wir werden genau das sein, was wir bereits heute schon sind: Schlechter. Gesamtgesellschaftlich betrachtet jedenfalls und das nicht zu knapp. Das Geheimnis: es geht hier gar nicht um das BESSER sein - zumindest im Ganzen nicht. Es geht um etwas sehr viel Naheliegenderes - nämlich genau das, was wir seit Langem präzise auch verzeichnen - Reiche werden von Jahr zu Jahr beschleunigt immer noch reicher. Und das wars auch schon...

Und nun aufgepasst! Es ist für einen westlichen Investor ausgesprochen attraktiv, sein Kapital in Indien oder China einzusetzen - bei weitem attraktiver als dies hier zu tun. Warum? Nun - er bekommt in Indien oder China nach derzeitiger Lage 10 mal so viel Arbeit für seinen Einsatz. Und Arbeit ist - wir erinnern uns - das einzige was Mehrwert schafft. Auf ein uns alltäglich bekanntes Element müssen wir hier noch eingehen - Geld! Richtig - Geld ist nur ein durchlaufender Posten bei diesem Spiel. Jeder Euro landet kurz über lang wieder genau dort, wo er her kam - nämlich bei den Banken. Hinter jedem Euro steht nur eines: das Versprechen altehrwürdiger staatlicher Hoheit, dass Menschen für dieses wertlose Stück Metall oder Papier bereit sein werden, Leistungen zu vollbringen oder Wertgegenstände herzugeben. Jede der stets so sehr auf ihre Seriösität bedachten Banken der Welt indes würde exakt in dem Moment insolvent, wo ihre sämtlichen Kunden plötzlich die Auszahlung ihrer Guthaben in Werten verlangen würden.

Das so bedauernswert schwer "arbeitende" Kapital indes zappelt zudem längst in der Zinsfalle - ein immer höherer Anteil von Finanzgeschäften am BIP suggiert Wachstum, obwohl Heuschrecken ein ordentlich funktionierendes Unternehmen nach dem anderen zerfleddern. Sie erinnern sich: Mehrwert entsteht durch Arbeit. Somit bleibt nur eine Konsequenz: Wenn bei gleicher Arbeit die Löhne gedrückt und Gesellschaften um ihre angesammelten Vermögen betrogen werden, kann man zumindest formell die irren Renditen der Finanzgeschäfte noch mit "Leben" zu füllen. Beweis: eigentlich müsste in Anbetracht des seit vielen Jahrzehnten angeschwollenen weltweiten Kapitalvolumens Zinsen und Renditen längst sinken - auf den Finanzmärkten aber steigen sie eher beschleunigt ins Uferlose - und erreichen inzwischen 30% und mehr.

Nun sieht man auch deutlich die Ursache für die 10:1 Deformation - die gesamte Scheinglobalisierung könnte sonst nicht funktionieren. Noch etwas spricht für die These der zuschnappende Zinsfalle - anscheinend müssen Geschäfte immer gigantischer werden. Mit ein bischen Produktion und dem Gewinn daraus ist es hier lange schon nicht mehr getan - immer irrere Milliarden-Summen kreisen immer schneller um den Globus: ganze Konzerne wechseln munter die Besitzer und auch die enormen Werte öffentlichen Eigentums müssen "eingeschossen" werden, damit dieses System nicht ins Trudeln gerät. Auf Absurdistanisch geht das so: Die Bundesbahn geht demnähst bei einem Schätzwert von 180 Mrd.€ für den Vorzugspreis von 9 Mrd.€ an die Privatwirtschaft. Toll - Nicht wahr? Danach stehen als nächstes auf dem Speisezettel: die gigantischen Volumina der Sozialversicherungen - also der existenziellen Lebenssicherung von Menschen für Krankheit und Alter. In solcher Irrsinnswirtschaft aber spielt alles Mögliche eine Rolle - nur eines nicht: Arbeit und Leistung von Menschen. Gleichwohl aber wird sie auf Arbeit nie verzichten können um die Bevölkerungen zu versorgen sowie das Casino mit Jetons zu befeuern... Nur der Anteil von Arbeit am Buchumsatz der Wirtschaft indes ist im freien Fall. Wirklich dumm gelaufen, dass so viele Millionen Menschen Arbeit zu ihrem Leben brauchen...

Unser Geld- und Finanzsystem ist schon eine besondere Konstruktion, ausgetüffelt und seit Jahrhunderten optimiert von höchst pfiffigen Scharlatanen. Denn was bedeutet denn die Deformation mal grundlegend betrachtet? Sie bedeutet nichts anderes, als dass ein europäischer Anleger, der in ein Chinageschäft investiert, den aus dem daraus folgenden Umsatzzyklus sprudelnden Mehrwert fast vollständig wieder ein kassiert. Für den schuftenden Chinesen bleibt kaum mehr als ein karges minimales Almosen. Die einzige Randbedingung hierzu: der Mehrwert muss hier abgesetzt werden - dort wo es eben reichlich von dem überbewerteten Geld gibt.

Übrigens lässt sich der Mehrwert nicht nur über Produktabsatz realisieren. Nein - man baut im fernen China eine Klitsche auf und verscherbelt diese hierzulande gleich am Stück. Die Vorteile liegen auf der Hand: der wahre wirtschaftliche Wert der Klitsche ist hier schwer zu beurteilen (wo noch nicht einmal unsere eigenen Belange sauber analysiert werden...) und Chinesen meckern weniger, wenn sich Investoren die Klinke in die Hand geben.

So ist es kein Wunder mehr, dass China und Indien sich zu angeblichen Boomländern des Exports mausern und von Typen wie Siegloch und Kleber fast zu Paradiesen hochstilisiert werden - während dieser angeblich so fürchterliche Wirtschaftsboom an den Gesellschaften dort genau so wirkungslos vorüber zieht, wie hierzulande unsere fragwürdige Noch-Position als Export-Weltmeister. Wir alle aber - wenn wir genauer hinsehen - wissen eigentlich sehr exakt, wo aller Mehrwert schließlich landet: bei irrsinnigen Milliarden-Gehältern von Heuschrecken-Kommodores, Großkonzernen, den Megareichen und schließlich vielleicht noch dem Spitzenmanagement, welches man ob seines Einblicks ruhig stellen muss.

Die Kunst der (Volks-)wirtschaftslehre, Makro-Ökonomie und großer Teile der Politik ist die, dem einfachen Volk weiß zu machen, wir lebten alle immer noch im Mittelalter, wo harte Feldarbeit, Tauschhandel, Pfründe und Goldwährung (doch auch dunnemals wurde dabei schon mächtig betrogen...) an der Tagesordnung waren - und "Arbeit" als Wirtschaftsfaktor weitgehend unbekannt war. Mit seinem ersten Pupser in die Windel erbte seinerzeit der Fürst das Recht, beliebig viele seiner Untertanen für beliebig geringen Gegenwert "arbeiten" zu lassen. Seitdem man den Wert der "Arbeit" erkannt hatte und zumindest vorübergehend sinnvoll zu nutzen begann, entwickelt sich die Menschheit nach den vorangegangenen vielen Jahrhunderten des Feudalismus im Turbo-Tempo. Doch inzwischen scheint da so Einiges vom Wege abgekommen. Immer aber verstand es eine kleine Gruppe von Menschen, die breite Masse weiter über den wahren Wert von Arbeit und manch Anderes im Unklaren zu lassen. Einen aus dem Dunstkreis dieser Gruppe kennen wir sehr gut - er verrät sich selbst an der Absurdität seiner These: "Menschen können ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst erwirtschaften..."

Unstrittig kann jeder Mensch natürlich seinen Lebensunterhalt "erwirtschaften" - sofern man ihm die Mittel dazu nicht wegnimmt. Wie längst bewiesen ist, erwirtschaftet er sogar noch sehr viel mehr als das, wäre da nicht ein raffiniertes System, das "natürliche" Märkte so deformiert, dass Menschen für ihre Schufterei selten mehr erhalten, als gerade mal zum Leben reicht. Dem Rest ihrer Leistung können die Menschen heute übrigens an den Schickeria-Orten der Welt dabei zusehen, wie er von Mega-Reichen sinn- und hirnlos verprasst wird. So sehr viel anders als seinerzeit im Mittelalter ist dies nun wirklich auch nicht mehr.

Die viel erzählte Fabel von der Marktwirtschaft trifft, wie gezeigt werden konnte, für den Arbeitsmarkt bereits nicht mehr zu. Echte Marktprozesse wurden hier zur Rarität - vielmehr züchtet die gegenwärtige Politik dort munter eine neue Sklaven-Klasse als Druckmittel zur Drangsalierung der restlichen Arbeitnehmerschaft. Derweil "sparen" sich die Hintermänner dabei kräftig reich, wie überall längst unübersehbar wurde. Inzwischen ist man dabei, demokratische Staatsstrukturen über gekaufte Politik und Minderung von legitimen Staatseinnahmen nach und nach zugunsten der eindeutig undemokratischen Wirtschaftstrukturen immer weiter zu "entmachten".

Prozesse der Konzentration von Wirtschafts- und Finanzmacht deformieren so jede Form von Markt und Macht und korrumpieren alles, was sich dem Prozess in den Weg stellen könnte. Dies gilt nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern für sämtliche Märkte. Denn die angeblichen Gesetze des Marktes und deren unsichtbare Hand regieren stets nur für freie Märkte, was schon ihr Entdecker, Adam Smith einräumte. Deformationen und die Instabilität des Zinssystems aber resultieren in einer verhängnisvollen Unumkehrbarkeit der Entwicklung - eine systemverträgliche Umkehr ist nicht möglich, ohne dass das Ganze wie ein Kartenhaus in sich zusammen bricht.

Solches hatten die Wirtschaften der entwickelten Industrienationen bereits mehrere Male zu verdauen. In den USA wurde der Dollar etliche Male "neu aufgelegt" - in Deutschland neben der Mark auch das staatliche Rentensystem, weil es zunächst auf Kapitaldeckung basierte. Hier ein Extra für all die vielen Fans von Kapitaldeckung: Neu aufgelegt werden musste das System jedesmal, weil es ZUSAMMENGEBROCHEN war. Doch trotz der Dollar-Blase, trotz sich mehrender Anzeichen für Instabilitäten im gegenwärtigen Finanzsystem herrscht noch verbreitet Vertrauen vor, weltweit vertrauen Menschen dem System ihr Vermögen - in vielen Ländern auch ihre Alterssicherung an. Dies sollte jedoch nicht mit Sicherheit verwechselt werden - kapitalgedeckte Systeme sind wegen der Kapitalmarktrisiken unter dem Aspekt Existenzsicherung im Alter unverantwortlich. Des weiteren dramatisieren sie Wirtschaftskrisen eigentlich unnötig - geht es hier dann nicht mehr nur den Verlust von überflüssigem Vermögen, sondern für manch Alten um das nackte Überleben. Aus Sicht der ewigen Gewinner allerdings muss gerade dies natürlich das ideale Druckmittel auf die Politik sein - und darüber hinaus ist es auch noch ein tolles Geschäft für die Versicherungswirtschaft - wie die Göttinger Gruppe eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Wirtschaftskrisen würden viel von ihrem Schrecken verlieren - wären überall die Sozialsysteme armutsfest und existenzsichernd organisiert. Hierzu sind im existenziellen Bereich Regulation und solidarische Umlagesysteme ohne Alternative, denn nur sie können erreichen, dass von jedem verdienten Euro ein gerechter Anteil zur Schulterung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben abgezweigt wird. Selbst wenn in demographischen Umbruchzeiten vorübergehend etwas höhere Soziallasten zu stande kommen - dies ist immer nur vorübergehend und zudem: jeder Euro der via Sozialleistungen "ausgegeben" wird, fließt sofort zurück in den Wirtschaftskreislauf. Dies verhält sich mit Vermögen und Steuerersparnissen von Mega-Reichen keineswegs so - der Großteil davon verschwindet derzeit in weltweiten und riskanten Heuschreckenabenteuern. Es bahnt sich eine Erkenntnis an: Schlimmes hat eine Wirtschaftskrise vor allem unter dem Aspekt von Markt- und Machtdeformation - denn in einer Krise reißen sich hier deren Begünstigte alles Greifbare an sich und stoßen damit Millionen Andere ins Elend. Die versammelte Leserschaft mag nun mal raten, wieso die Mehrheit der Heuschrecken weltweit so ausgesprochen gerne in Wohn-Immobilien "investieren".

In jüngerer Zeit sind die Vermögen der Megareichen explodiert wie nie - unsere Gesellschaften aber stehen, wie der auf den Finanzmärkten eingerissene Irrsinn im Kontrast zum Hartz-Wahn überdeutlich beweist, vor der neuerlichen Erkenntnis: es sind die Megareichen, die eine Gesellschaft so richtig teuer zu stehen kommen - viel teurer als jede beliebige Anzahl einfacher Arbeitnehmer. Hierfür gibt es einen einfachen Grund. Wir erinnern uns: Kapital ist tot - Mehrwerte müssen erarbeitet werden. Arbeitnehmer erarbeiten also neben dem was sie für sich selbst zum Leben brauchen immer auch all das, was Reichen zuwächst.

Somit wird das, was wir in Form heutiger Arbeitslosigkeit in Verbindung mit Hartz-Wahn vorfinden, nur zu Einem: eine bewusste gesteuerte Deformation - mit der interessierte Kreise einen Teil der Arbeitnehmer bewusst vom Arbeitsmarkt fern halten, um diesen noch mehr zu ihren Gunsten zu deformieren. Also wieder einmal die uralte Devise: "Teile und Herrsche..."

Es ist kein wirkliches Wunder, dass eine wirklich durchgesetzte 35 Std Woche das derzeitige Arbeitslosenproblem aus dem Stand nahezu lösen würde. Für die hier gegebenen Produktivitäts-Verhältnisse wäre das System dem Ausgleich näher. Daran, dass wieder mehr Menschem im Land arbeiten, und andere mehr Zeit für ihre persönliche Erholung, Entfaltung und ihre Familien haben, KANN nichts Nachteiliges sein. Wie auch der logisch unwiderlegbar notwendige Mindestlohn aber hat dies nur einen Fehler: Es passt nicht in das Kalkül jener, die so blendend an den seit Kohl massiv einsetzenden Fehlentwicklungen verdient haben. Den gleichen Fehler haben auch echte und zukunftsfeste Reformen in unseren Sozialssystemen, offene und hocheffiziente Bildungs- und Informationssysteme, eine konsequente Politik der Umwelt- und Ressourcenschonung, eine brauchbare Entwicklungspolitik, eine kriegsfeindliche Aussen- und Sicherheitspolitik - Und immer ist dies derselbe Fehler: für unsere längst wieder viel zu mächtig gewordenen "Deformatoren" ist an alledem wenig zu verdienen oder abzuzocken.

Da man dies in einer Noch-Demokratie nicht wirklich öffentlich diskutieren können darf, wurde in heutigen Gesellschaften der für Deformatoren übliche Weg: die breite Masse ist über diese Zusammenhänge fortwährend und bestmöglich hinters Licht zu führen. Hierzu braucht es simple und weitestmöglich an tradierte Vorstellungen anknüpfende Kommunikationsstrategien und scheinbar eingängige Slogans, ganz gleich wieviel Schwachsinn da transportiert wird und natürlich die totale Kontrolle über eine allgegenwärtige Medienmaschinerie - mit diesen Zutaten gibt es prinzipiell nur noch sehr wenig, was nicht kurz über lang erreichbar wäre. Thinktanks, Spindoktoren und PR-Berater machen da heute keinen schlechten Job. 75% der Deutschen hält Merkel angeblich für eine gute Kanzlerin und würden, so hieß es, sogar die große Koaltion wieder wählen - merkwürdig nur: Koalitionen kann man gar nicht wirklich wählen.

Längst ist nicht nur der Arbeitsmarkt deformiert - auch in sämtlichen Waren- und Gütermärkte wütet längst ein Struktur-Erdbeben. Allein die im Moment noch hohe Zahl von Franchise-Gebern suggeriert derweil noch Reste früherer Vielfalt in den Innenstädten. Franchise ist für Selbstständige in etwa das, was die Zeitarbeit für Arbeitnehmer ist - ein ideales Mittel zur Marktdeformation. Inzwischen dort üblich gewordene Knebelverträge stoßen Kleinselbstständige gleich reihenweise in die Hartz-Sackgasse. Überall immer mehr Menschen, die sich selbstständig oder in Lohnarbeit allein für ihr - im Gesamtzusammenhang betrachtet - lächerliches bischen Lebensunterhalt abschuften.

Die Kunst des Propagandisten

Die Kunst des Propagandisten ist hier relativ einfach zu beschreiben - er muss lediglich für willkürliche Unterteilungen sorgen und diese Teile dann gegeneinander aufhetzen. Dummheit, Neid und Besserwisserei indes sind menschliche Schwächen, auf die er hierbei jederzeit ungesehen bauen kann. Das Ganze ist dann ungemein praktisch - gerät hierbei doch ein Umstand völlig in Vergessenheit:

Wie wäre es denn, wenn man mal dort zu sparen begänne, wo es sich wirklich lohnt... Bei Promis, bei Multimilliardären, bei Irrsinnsgehältern, bei Nebeneinkünften für Politiker u.v.m. Diesem Gedanken wird heute mit fast religilöser Überhöhung von Individualität, Recht und Freiheit und freier Marktwirtschaft entgegen gearbeitet - die es allesamt in Wahrheit für den ärmeren und auf Arbeit angewiesenen Menschen immer weniger gibt. Wie stets wenn Religion ins Spiel kommt - insofern Augen auf bei den C-Parteien - wird’s es brenzlig. Wer glaubt, das Ende der Zumutungen sei absehbar, der irrt. Gerade erst (siehe hier) dokterte DIHK-Geschäftsführer Wansleben munter am Urlaub deutscher Arbeitnehmer herum: Arbeitnehmer sollen ihrem Unternehmen Urlaubstage für ihre Weiterbildung spendieren - weil die Deutschen ja Urlaubsweltmeister seien. Aha! Wir dachten zwar, Leistung soll sich lohnen - was hier aber kommt, ist ein uralter Hut aus der ganz staubigen Mottenkiste. Wir verstehen ihn ja - den armen Wansleben: Als Reichem würden mir dauernd überfüllte Flieger und Badeorte auch stinken, wenn man schon seinen Maybach auf der von LKW verstopften Autobahn nicht mehr ausfahren kann und der Nachwuchs in der Penne immer noch täglich neben einem pickeligen Hartzler-Kind sitzen muss.

Es ist doch so einfach - auf Märkten lässt sich ungeheuer viel Geld verdienen. Wenn aber Macht (ersatzweise viel, sehr viel Geld...) Märkte zu ihren Gunsten deformieren kann, was derzeit unstrittig so sein dürfte - dann wird so eben noch viel mehr Geld verdient, zumindest durch jene die Kontrolle über diese Macht haben. Was sie auf solche Weise mehr verdienen aber - und das ist leider logisch zwingend - MUSS zu Lasten anderer Marktteilnehmer gehen. Im Wettbewerb zwischen Multi-Millionär und Multi-Milliardär mag solches noch hinnehmbar sein - denn hier geht es nichts als um sowieso überflüssiges Geld. Der Kleinaktionär indes mag sich an diesem einfachen Zusammenhang schon mal seine aktuelle Chance auf Gründung einer Finanzdynastie ausmalen. Erst beim Börsencrash 2001 wurde bei ihm schwer abgeräumt. Spätestens aber, wenn es bereits an die Existenz und existenzielle Versorgung für Arme, Kranke und Alte geht, endet jeder sportliche Wettbewerb.

Wirtschaften in Gesellschaften ist eigentlich so gedacht, dass alle Menschen damit zurecht kommen können - schließlich müssen gesellschaftliche Regeln und nicht zuletzt das Geld auch durch alle anerkannt werden. Nur ein Wirtschaftssystem, dass dieses leistet kann so auf Dauer gesellschaftliche Legitimation erfahren. Tatsache über Marktwirtschaft aber ist, dass sie mit existenziellen Gütern und Gefahren noch nie besonders gut umgehen konnte. Die angebliche Effizienz der Marktwirtschaft in diesem Bereich war schon immer ein Märchen. Marktwirtschaft kommt mit existenziellen Abhängigkeiten prinzipiell nicht zurecht - denn der Preis für ein existenzielles Gut muss im Falle begrenzter Ressourcen unendlich hoch steigen. Unter bestimmten Randbedingungen zwar kann die Marktwirtschaft zwar auch existenziellen Bedarf erfüllen, jedoch nie bei freiem Spiel der Kräfte. Hierzu braucht es ausreichende Ressourcen und strenge Regulation, damit ein freier Markt sich erst überhaupt einstellen kann, denn der Abnehmer eines existenziellen Gutes ist keineswegs "frei", sondern vielmehr natürlich erpressbar. Marktwirtschaft ist also in existenziellen Belangen zu regulieren - d.h. Einschnitte in solche Belange sind ihr zu entziehen. Das passt natürlich nicht wirklich zur anhaltenden Privatisierungsorgie öffentlichen Eigentums - denn solches bildete sich meist in genau solchen Bereichen. Dennoch ist das eine Art "goldenes Gesetz" für Marktwirtschaften - und selbst wenn es nur 5% einer Gesellschaft sind, die eine bestimmte Form von Marktwirtschaft mit ihrem Elend bezahlen, stellt diese Form sich hiermit schon in Frage.

Ich denke, nach dieser langen Reise wird manchem Leser klar geworden sein, wie sehr und wieso wir bereits heute schon in Absurdistan leben. Dennoch: die ungute Entwicklung ist weltweit - globalisiert sozusagen - und sie ohne historisches Beispiel. Aus sozialen Demokratien gingen Medien- und Informationsgesellschaften hervor, die zwar formell noch gewaltengeteilte Staaten scheinen - realiter aber bestimmen längst Medien- und Informationskonzerne und deren Eigentümer aus der undemokratischen Wirtschaft das Weltbild in den Köpfen von Menschen. Sie wären keine Kapitalisten, würden sie nicht versuchen, aus dieser unverdienten "Freiheit" das meistmögliche Kapital zu schlagen. Die heute allgegenwärtige Absurdität ist dann nur noch eine unvermeidliche Folge dieser Verhältnisse - und ein unübersehbares Zeichen dafür, dass Gesellschaften einen vernünftigen Umgang mit der schönen neuen Informationswelt erst noch erlernen müssen. Viel Zeit für diese notwendige Entwicklung ist bereits vertan - und so könnte es am Ende gar zu einer Überlebensfrage für die Menschheit werden, diesen Lernprozess endlich - auch gegen alle Widerstände - zu beginnen.

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