Hart, härter - Hartz
Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Sonntag, 19. August 2007

Hartz muss weg, weil dieser Gesetzesunrat keines seiner vorgeblichen Ziele wirklich erreichen kann - er aber massivem Unrecht in vielerlei Form Tor und Tür öffnet. Wacker ignorieren kollektiv all jene, die für dieses Legislativ-Desaster verantwortlich sind, weiter die logisch-rechtliche Substanz dieses juristischen Mülls. Angesichts Millionen fehlender ordentlicher Arbeitsplätze leistet der nämlich nur Eines: Eine ohnehin unter enormen Druck stehende Gruppe von Bürgern wird etlicher ihrer von der Verfassung garantierten Grundrechte beraubt und zu wehrlosen Opfen behördlicher Gängelei gemacht. Wie das sich anfühlen kann wollen wir in diesem Beitrag, verehrte Leserinnen und Leser, anhand eines konkreten Einzelfalles im Detail aufzeigen - damit auch nicht betroffene Bürger sich ein Bild von den im Lande bereits herrschenden Verhältnissen machen können. Denn längst geht ein Phänomen um in Absurdistan, welches nach Aussage maßgeblicher Politiker und Behördenmitarbeiter nicht existent ist. Dieses Phänomen hat einen Namen: Behörden-Willkür auf Basis der Gesetze zur "Modernisierung des Arbeitsmarktes in Deutschland" - im Volksmund "Hartz-Gesetze". Die könnten - und selbst das nur vielleicht - dann Sinn machen, wenn wir vor einem epochalen Arbeitskräftemangel stünden, weil Millionen Mitbürger lieber auf Sozialhilfe-Niveau die Hängematten bevölkern, anstatt zu "arbeiten". Wie wir alle wissen, ist das Gegenteil der Fall.

 

Einleitung

Schon der Umstand, dass die Anzahl der sogenannten "Aufstocker" - d.h. jener Menschen, die trotz Arbeit derart wenig verdienen, dass ihnen weniger als ALG2 bliebt - neuerdings stark wächst und inzwischen die Millionengrenze überspringt, beweist eindeutig, dass die allgemeine Arbeitsmotivation hier nicht das Problem ist. Gleichwohl sollte im hiesigen Arbeitsmarkt, wenn wir schon "freie Märkte" annehmen wollen, die Gesetze des Marktes auch gelten. Diese lesen sich dann so: Ordentliches Einkommen = Gute Motivation, Hungerlohn = Keine Motivation. Und genau hier schneiden die Hartzgesetze tief ins Fleisch der freien Entscheidung mündiger Bürger - denn sie zwingen Menschen in oft berufsfremde und mies bezahlte "Arbeit". Natürlich "schafft" die Wirtschaft solche Arbeitsplätze gerne - denn niedrige Löhne bedeuten noch höhere Gewinne - und dies nahezu "planbar", weil man sich darauf verlassen kann, dass Menschen behördlicherseits in die Ausbeutungsjobs hinein getrieben werden. Gegenwehr ist für die Betroffenen praktisch kaum möglich - durch juristische Tricks (Buchbinder-Wanninger-Spielchen, Beweislastumkehr, nicht aufschiebende Wirkung von Widersprüchen, etc.) werden ihre "Alibi"-Rechte munter unterlaufen.

Unser heutiger Fall ist aktuell und real - der Redaktion lagen sämtliche Dokumente im Original vor. Ungezählte vergleichbarer Fälle ereignen sich republikweit tagtäglich. Bei diesem Spiel geht jeder betroffene Mensch unter, sofern er nicht eine juristisch erfahrene Person und wortgewandt ist sowie über die Kapazität eines mittleren Schreibbüros verfügt. Fallmanager bei den Chaos-ARGE's - inzwischen teilweise irgendwo auf den Straßen Absurdistans "eingefangen" - dürfen hier zum Wohle öffentlicher Kassen andere Menschen nach Gutdünken (wenn nicht gar nach "Neigung"...) malträtieren, wie es ihnen grade in den Sinn kommt und haben dabei selbst nicht das Geringste zu befürchten.

Dabei ist es ja mitnichten so, dass kein Geld vorhanden wäre und man deshalb einen derart diskriminierenden Umgang mit arbeitslosen Mitbürgern in Absurdistan nötig hätte. Die Bundesagentur für Arbeit hockt auf Milliarden-Überschüssen, die Steuern sprudeln - und doch erstreckt sich die Politiker-Debatte im Wesentlichen darauf, welcher Gruppe von Reichen, Prominenten oder Unternehmen nun als nächstes mit diesem Geld der Pöppes gepudert werden soll. Irre Milliarden-Summen werden da hin und her verschoben. Während die Absurditäts-Partei Nr. 1 - die Union - sich intensiv damit beschäftigt, wie man über das Kombilohn-Modell Unternehmen und Reiche gleich bundesweit auf Dauer subventionieren könnte, verdient ein eilig shanghaites Herr von teilweise höchst merkwürdigen Individuen seinen Lebensunterhalt damit, anderen Menschen via behördlicher Schildbürgerlogik und Willkür selbst noch jenes Wenige streitig zu machen, was sie zum Leben unbedingt brauchen.

 

 

Vorgeschichte

 

Und nun zu unserem Fallbeispiel. Frau G. (Name von der Redaktion geändert) lebt in Friedrichshafen am Bodensee. Eine Region in Deutschland, der Otto-Normal-Verbraucher keineswegs "Probleme" im sogenannten "Arbeitsmarkt" unterstellen würde - die offizielle Arbeitslosenquote pendelt hier derzeit um glänzende 3,2% - Werte von denen die überwiegende Mehrzahl anderer Regionen in Absurdistan nur träumt. Frau G. ist jetzt Anfang 40 und arbeitete lange Zeit im sozialen Bereich. Frau G. entschied sich vor einigen Jahren zur Aufgabe dieses Jobs, als das Mobbing ihres Chefs immer unerträglicher wurde. Bald darauf strebte sie eine berufliche Neuorientierung an, in deren Verlauf sie die Berufsausbildung zur Bürokauffrau als Lehrgangsbeste abschloss. Frau G. ist nunmehr voller Hoffnung – mit diesen Vorraussetzungen sollte sie in einer solchen Region Chancen ohne Ende haben.

Doch es gibt Schwierigkeiten von Anfang an - der tatkräftigen Frau gelingt es trotz intensiver Bewerbung nicht, einen ordentlichen Arbeitsplatz zu ergattern, obwohl sie ein breites Erfahrungs- und Kenntnisspektrum mitbringt. Sie bleibt arbeitslos – und wird somit ein "Fall" für die "Hilfe zur Arbeit" der Options-Kommune Bodenseekreis.

Auch wenn das Leben auf Hartz-Niveau alles andere als prickelnd ist, schmeißt Frau G. die Flinte nicht ins Korn - bewirbt sich wieder und wieder – unterbrochen von jeweils kurzbefristeten und berufsfremden Jobs. März 2007 verordnet ihr das Amt einen 1€-Job, den Frau G. anstandslos versieht und der ihr wenigstens ein paar zusätzliche Euro einbringt, sodass ihr der Unterhalt ihres kleinen Autos leichter fällt - welches in der Region mit ziemlich zerstückelten ÖPNV-Angebot durchaus wichtig ist. Viele Jobangebote hier setzen ein Fahrzeug voraus. Eines Tages im Mai erhält Frau G. von ihrem Amt telefonisch die Aufforderung, sich bei der Firma S. vorzustellen.

Frau G. macht für 9.5.2007 einen Termin aus - nach einem ca. 1-stündigen Gespräch mit dem Firmenchef Herrn S. scheint am das meiste abgeklärt – Herr S. räumt Frau G. Bedenkzeit bis zum nächsten Tag ein. Frau G. ist nicht unbedingt begeistert – der in Aussicht gestellte Verdienst scheint ihr etwas mickrig. Telefonisch erkundigt sie sich beim Amt, ob sie Zuschüsse erhalten könne - was natürlich nicht drin ist. Frau G. rechnet nach - unter Berückschtigung der Fahrkosten zum künftigen Arbeitsort wird ihr kaum mehr beiben, als bisher. Doch ihr ist auch klar (und selbst wenn sie es vergessen hätte - wurde es ihr im Telefonat wie immer sehr deutlich gemacht), dass sie nicht wirklich eine Wahl hat. Wie ausgemacht ruft sie also am nächsten Tage die Firma S. an, erreicht aber nur die Bürokraft. Inzwischen war Frau G. eingefallen, dass sie es bei der Vorstellung versäumt hatte, sich nach den Rahmenbedingungen der Stelle - also Urlaub, Sonderzahlungen und Entwicklungsmöglichkeiten zu erkundigen. Frau G. holt das nach und bekundet zum Ende des Gesprächs, dass sie den Job machen wolle.

Allerdings informiert sie ihre Gesprächspartnerin, dass die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen sei und dies noch 1 bis 2 Wochen dauern könne. Firma S. werde sich dann bei ihr melden. Im Stillen ist Frau G. gar nicht mal so unglücklich über die neuerliche Wendung – immerhin eröffnet diese ihr die vage Chance, vielleicht irgendwo doch noch einen besser bezahlten Job zu finden. Dennoch - Frau G. überkommen auch Anflüge von Resignation: 2 Jahre lang hatte sie sich für ihre Ausbildung abgerackert, sich wirklich angestrengt - und nun sowas?

Zwischenzeitlich hatte Firma S. offenbar - was Frau G. zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte - beim Amt um weitere Bewerber für ihre Praktikantenstelle gebeten - woraus klar hervor geht, dass Herr S. sich wohl nicht für Frau G. entscheiden konnte. Näheres über die Gründe ist nicht bekannt – doch hält dies das Amt nicht davon ab, aktiv zu werden, während Frau G.noch eher fast fürchtet denn hofft, die Stelle tatsächlich zu bekommen.

Von Firma S. hört Frau G. erst einmal nichts mehr – dafür aber hat sie am folgenden Freitag dicke Post - Inhalt: ein Bescheid über die Absenkung ihres ALGII um 30% für 3 Monate. Auf nicht weniger als 5 Seiten Bescheid und dazu noch 4 Seiten Rechtsbelehrung, die sie unter Androhung weiterer Sanktion unterschrieben zurück zu senden hat, macht Fallmanagerin B. ihr klar, dass Frau G. die folgenden 3 Monate ein um 104€ gekürztes ALGII erhalten werde. Sanktion! (Die wichtigsten Dokumente sind im Folgenden abgebildet - zur Wahrung der Anonymität sind Stellen geschwärzt).

 

 

 

 

Die Sanktion

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Soweit der eigentliche Bescheid, dessen "Berechnungsbogen" - also das Blatt auf dem dem Betroffenen seine Armut schwarz auf weiß vorgerechnet wird - wir weggelassen haben. Damit unbeteiligte Menschen sich mal ein Bild von der juristischen Wucht machen können, mit der eine solche Sanktion bei Bürgern in Absurdistan "einzuschlagen" pflegt, wollen wir es uns aber nicht nehmen lassen, auch einmal die solchen Bescheiden beigefügte "Rechtsfolgen-Belehrung" vorzustellen:

 

 

 

 

 

 

Die Rechtsfolgen

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Frau G. wehrt sich...

 

Fassungslos starrt Frau G. auf den Papierwust in ihren Händen. Wut steigt in ihr auf - zugleich könnte sie heulen. Auf sie drischt man hier ein - ausgerechnet sie, die sich nie etwas zu Schulden kommen ließ und immer darauf achtete, alles ordnungsgemäß zu machen. So braucht es einige Zeit, bis die Begründung für diese Sanktion in dem Papier- und Paragraphenwust überhaupt in ihr Bewusstsein dringt. Dort steht Schwarz auf Weiß: sie habe sich geweigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen. Man bezieht sich auf das Telefongespräch zwischen Frau G. und ihrer Fallmanagerin nach der Vorstellung und wirft Frau G. vor, sie hätte in dem dann folgenden Gespräch mit der Bürokraft der Firma S. ihre Bereitsschaft, die Stelle anzutreten, nicht bekundet. Stattdessen habe sie lediglich nach Urlaub, Sonderzahlungen und Aufstiegsmöglichkeiten gefragt.

Verehrte Leserinnen und Leser, schauen Sie sich diese Passage des Bescheides in voller absurdistanischer Pracht mal genauer an. Abgesehen vom teilweise unwahren Inhalt, hätte ein solches Machwerk als amtlicher Bescheid allein schon aus formellen Gründen vor Gerichten kaum Bestand. Weder sind Hergang, Daten oder Uhrzeiten angegeben - noch sind beteiligte Personen oder eventuelle Zeugen hinreichend benannt. Die Formulierung "Die Firma sei nun nicht mehr bereit, Sie einzustellen..." suggeriert lediglich – und das ohne jeden Beweis - eine solche Bereitschaft hätte je vorgelegen. Ansonsten stützt sich der Bescheid ALLEIN auf das Telefonat zwischen Frau G. und der Bürokraft der Firma S. - was man wohl schwerlich als Bestandteil des Bewerbungsgespräches ansehen kann. Und in diesem für die eigentliche Bewerbung marginalen Gespräch habe Frau G. die Unverschämtheit besessen, nach Urlaub etc. zu fragen.

Schon die formellen Mindestgebote einer Tatbestandsfeststellung sind derart krass verletzt, dass jeder Strafverteidiger diesen - bei gewöhnlichen Kriminellen - augenblicklich in der Luft zerreißen würde. Bei Langzeitarbeitslosen hingegen scheint alles möglich. Hier kann offenbar jeder Sesselinhaber - ob er nun des Deutschen und des Denkens hinreichend mächtig ist oder nicht - munter einfach irgendeine wüste Behauptung in den Raum stellen und daraufhin mal so richtig nach Herzenslust vor sich hin sanktionieren. Denn der - in diesem Fall eindeutig zu Unrecht - Beschuldigte ist praktisch wehrlos, wie Frau G. in der Folge noch erfahren sollte.

Am liebsten würde Frau G. sofort das Amt anrufen, denn in ihren Augen KANN es sich nur um ein Missverständnis handeln - doch dies geht nicht – es ist Freitag nachmittag. Sie muss bis Montag warten, bevor sie sich mit dem Amt in Verbindung setzen kann. Nach den üblichen Mühen gelingt ihr das am Montag, im Verlauf der Gespräche wird ihr klar: Aus Sicht des Amtes handelt es sich hier keineswegs um ein Missverständnis sondern das Amt fühlt sich "im Recht". Frau G. protestiert und entschließt, Widerspruch einzulegen. Inzwischen sind es nur noch wenige Tag bis zum Wirksamwerden der Sanktion. Auch wenn Frau G. sich noch im falschen Film glaubt - am nächsten Ersten wird sie 104€ weniger auf ihrem Konto vorfinden und noch weiß sie kaum, wie sie so für die nächsten drei Monate über die Runden kommen soll.

LuciaB-Widerspruch

 

Trotz Widerspruch wird die Sanktion natürlich wirksam - so sehen es die "Gesetze" vor. Übertragen auf Kriminelle hieße dies: der Strafprozess hat zwar noch nicht einmal angefangen - aber vorsichtshalber wird der Verdächtige schon einmal eingesperrt. Hierdurch gelangen Behördenmitarbeiter fast auf eine Stufe mit dem Papst - ihren Feststellungen und Anschuldigungen wird die Aura des "Unfehlbaren" zuteil - irgendein Behördenmitarbeiter wird zu Kläger, Richter und Vollstrecker in einer Person. Ein Staat, der so mit einem Teil seiner Bürger umspringt, hat jede Menge Namen verdient - nur einen nicht mehr: Rechtsstaat.

Zudem: Sanktion bedeutet hier im Gegensatz zum Kriminellen, dass der Lebensunterhalt des Betroffenen auf freier Wildbahn konkret gefährdet wird. Die so beliebten Ratschläge kurzdenkender und chronisch nicht betroffener Spießer im Lande - "Es gibt doch die Tafeln... " oder dieses widerliche "HartzIV-Kochbuch..." ändern nichts daran, dass hier eine Behörde vorsätzlich Menschen jenes Geld vorenthält, von dem sie jederzeit annehmen muss, dass es der bloßen Ernährung und dem Dach über dem Kopf dient. Und das Ganze ohne Beweisaufnahme, Verhandlung oder Mitwirkung eines Richters. Wenn dieses Recht sein soll, dann wird es langsam schwierig zu definieren, was überhaupt noch Unrecht sein soll.

Und doch verschärfte man die Hartz-Gesetze erst Anfang 2007 erneut: künftig können auch Leistungen für die Unterkunftskosten in eine Sanktion mit einbezogen werden. Was eigentlich soll denn dieser Schwachsinn - will man hier Langzeitarbeitslose etwa auch noch obdachlos machen? Es wäre schon interessant zu erfahren, wie sich die feinen Herren mit den vielen Nebenjobs in Berlin die für eine Beschäftigungsaufnahme motivierende Wirkung dieses Schwachsinnes so vorstellen... hier öffnet sich doch bestenfalls ganz deutlich eine "Karriere" als Zwangsarbeiter im Arbeitslager (Hatten wir alles schon...)

Man kann es nicht oft genug widerholen - Langzeitarbeitslose sind zum ganz überwiegenden Teil ganz normale Arbeitnehmer. Menschen, die sich zum Teil jahrzehntelang auch für das Wohl dieser Gesellschaft abgerackert haben. Ihre Arbeitslosigkeit verursachen nicht sie selbst, sondern die perversen Entwicklungen in der Wirtschaft. Hier werden Millionen ordentlicher Mitbürger durch diesen Gesetzesunrat "HartzIV" auf eine Stufe gesetzt mit jenen paar Figuren eines asozialen Bodensatzes, den es in jeder Gesellschaft immer gab und immer geben wird. Doch selbst für jene gilt das Menschenrecht. Selbst Schwerst-Kriminelle werden in teuren staatlichen Einrichtungen alimentiert - Langzeitarbeitslose aber, die absolut gar nichts verbrochen haben, sollen um Ernährung und Unterkunft fürchten müssen, weil irgendeine Heuschrecke ihren Arbeitgeber verfrühstückte? Und das in Zeiten, wo aufgrund von Deformationen auf dem Arbeitsmarkt etliche Millionen von Arbeitsplätzen schlicht nicht vorhanden sind?

Keineswegs unerwähnt lassen wollen wir, dass die Hartzgesetze zum allein deswegen noch weitgehend ohne Mord und Todschlag über die Bühne gehen, weil hier die überwiegende Mehrheit der Amtspersonen und Betroffenen vernünftig agieren - doch auch dieses gesellschaftliche "Kapital" ist nicht unbegrenzt. Für die Beurteilung von Gesetzen kann dies sowieso KEIN Maßstab sein. Hier zählt allein, was diese Gesetze ZULASSEN. Und wie wir an unserem Beispiel sehen, ist dies eine beachtliche Menge - und eigentlich bei weitem mehr, als dem Staat nach unserem Grundgesetz und nach der Menschenrechtscharta der UN eigentlich erlaubt wäre. Hier gibt es nur eine Alternative: dieser Gesetzesschrott gehört eingestampft.

Kehren wir zurück zu unserem Fallbeispiel. Auf den Widerspruch von Frau G. folgt der sattsam bekannte Behördenpoker. Mehrere Wochen verstreichen mit teilweise emotionalen Telefonaten, irgendwelchen - mangels Beweisbarkeit nicht relevanten - telefonischen "Bescheiden" zu ihrem Widerspruch wie "Die Sanktion bleibt bestehen..." und dem üblichen "Zuständiger-Wechsel-Dich"-Spielchen, das den Ämtern des Landes längst in Fleisch und Blut über gegangen scheint. Frau G. versucht verzweifelt, der Wahrheit Recht zu verschaffen und kommt auf eine Idee: Man war sich doch nicht unsympathisch bei der Vorstellung. Wie wäre es, wenn sie den Chef der Firma S. um eine Aussage zum strittigen Sachverhalt bitten würde? Der erste Sanktionsmonat ist bereits verstrichen, als Frau G. den Firmenchef Herr S. erreicht.

Als sie Herrn S. die Ereignisse schildert, zeigt dieser sich überrascht von diesem Vorfall - und bestätigt Frau G. sofort, dass sie aus seiner Sicht die Stelle selbstverständlich zugesagt habe. Frau G. informiert das Amt über die Aussage von Herrn S. - allerdings ohne damit irgendetwas zu erreichen. Daraufhin ruft Frau G.erneut bei Herrn S. an und bittet ihn um eine schriftliche Bestätigung. Herr S. ist inzwischen empört, denn auch er hat sich zwischenzeitlich bei Amte bemüht, die Angelegenheit telefonisch aus der Welt zu schaffen. Herr S. sichert Frau G. seine sofortige schriftliche Stellungnahme sowie die Bezeugung der Ereignisse in einem eventuellen Verfahren zu. Zum ersten Mal seit Wochen geht es Frau G. wieder besser - sie scheint am Ziel. Es muss ihr nur mehr noch als bloßer Formakt erscheinen, die ungerechte Sanktion aufheben zu lassen.

Schon am nächsten Tag hält sie die schriftliche Bestätigung der Firma S. in Händen, dass sie die Stelle keineswegs abgelehnt habe und Frau G. leitet diese gleich am folgenden Tag an das Amt weiter. Ganz kann sie ihren Triumph nicht verbergen und auch als Entschädigung für die in den zurück liegenden Wochen erfahrenen Demütigungen vermerkt sie auf dem Schreiben noch handschrifltich: "Zur Kenntnisnahme! Ich bitte Sie hiermit, die zu Unrecht einbehaltenen Leistungskürzungen auf mein Konto zu überweisen, sonst werde ich andere Schritte einleiten!"

LuciaB-Zeuge

 

Doch Frau G. hatte ihre Rechnung nicht mit den kafkaesken Verhaltensmustern absurdistanischer Behörden gemacht. Es verstreichen weitere Wochen - ohne jede Reaktion auf die Stellungnahme der Firma S. oder die Aufforderung, die Sanktion zurück zu nehmen. Als sie dann am 19. Juli (Sanktionswoche 8 läuft bereits...) wieder telefonisch Kontakt mit dem Amt aufnimmt, um sich nach dem Stand ihrer Dinge zu erkundigen, reaktiviert das Amt zunächst wieder den erprobten Buchbinder Wanninger. Frau G. wird hin- und her verwiesen - aber sie lässt sich nicht mehr abwimmeln. Schließlich erfährt sie mehrerlei: 1. Die Sanktion werde nicht zurück genommen - das sehe im Übrigen auch der Amts-Chef so.... 2. ein schriftlicher Widerspruch von ihr läge nicht vor... und 3. das Amt lasse es in dieser Sache jederzeit auf eine Klage ankommen...

Frau G. kocht vor Wut und ist zugleich der völligen Verzweifelung nahe. Sie - eine ordentliche Person, die sich Jahrzehnte ihres Lebens im sozialen Bereich abgerackert hat, sich nie etwas zu Schulden kommen liess, fast immer gearbeitet und sich auf Teufel komm heraus beworben hat - hier zum Gespött einer anscheinend allmächtigen Behörde gemacht. Kurze Zeit später - Anruf vom Amt. Ihr Widerspruch sei plötzlich irgendwie aus dem Nirvana "aufgetaucht" - wird Frau G. informiert. Immerhin - sonst wäre ihr Fall womöglich noch dem Fristablauf anheim gefallen, denn gegen den Bescheid ist ein Widerspruch nur innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden wirksam - dies wäre um den 16.06.2007 gewesen und der ist nun bereits lange verstrichen.

 

 

Die "große" Ehrung...

 

Am Freitag danach: die "Sanktions-Bearbeiterin", Frau Y.-Z., meldet sich bei Frau G. Obwohl nach vorheriger Amtskommunikation für Frau G. eigentlich nicht zuständig, erkundigt sie sich, ob Frau G. ihren 1€-Job noch mache. Sodann überschüttet Frau Y.-Z. unsere geplagte Frau G. mit einer, wie sie mündlich in nicht ganz lupenreinem Deutsch formuliert - "großen Ehre". Sie "dürfe" an einem Kurs teilnehmen, der sehr teuer sei - und wo Y.-Z. nur einen einzigen Platz zu vergeben habe und dabei "natürlich" gleich an Frau G. gedacht habe, weil sie sich ja so eifrig bewerbe. Ihren 1€-Job soll Frau G. nunmehr aufgeben und gleich am folgenden Montag habe sie bei diesem wahnsinnig tollen "Kurs" zu erscheinen. Zynismus in einer nicht mehr zu überbietenden Form...

Denn: Bei diesem angeblich so "tollen" Kurs, der eine so wunderbare "Ehre" darstelle, handelt es sich um nicht anderes als die "Arbeitsfabrik" im nahen Markdorf. Wir berichteten bereits mehrfach über diese höchst dubiosen Einrichtungen, die seit 2006 bundesweit aus dem absurdistanischen Boden schießen wie Pilze aus dem Waldboden. Frau G. kann sich nun wirklich "geehrt" fühlen, denn nunmehr wird sie auch die paar Euro von ihrem 1€-Job nicht mehr haben - dafür aber im 14-Tage Turnus unter für viel öffentliches Geld out-gesourcter Aufsicht das machen dürfen, was eigentlich ein Teil der Aufgaben des Atmes wäre - nach möglichen Stellen zu suchen. Daneben natürlich: Bewerbungen schreiben - also genau das, was Frau G. ohnehin schon immer tat. Hier bliebt nur Sarkasmus: Man kann ja verstehen, dass die von ihrer achso wichtigen Sanktionstätigkeit total überbeanspruchte Behörde selbst für rudimentäre Formen von Vernunft einfach zu überlastet ist. Sie scheint nur noch für das "Treten" der Arbeitslosen zuständig - die sich dann in den Arbeitsfabriken selbst "helfen" dürfen, allerdings mit der "kleinen" Beigabe, dass hierbei irgendwelche Unternehmerverbände eine Menge Kohle einsacken.

Frau G. wusste all dies noch nicht, als sie beim Versuch, sich einen Anwalt zu nehmen, auf weitere interessante Erfahrungen stößt. In Friedrichshafen - dem Sitz der Kreisverwaltung des Bodenseekreises - schien keiner der wenigen Fachanwälte für Sozialrecht bereit, ihren Fall zu übernehmen. Sind wir hier etwa auf eine der Ursachen für die ominöse juristische "Siegesserie" des ortansässigen Amtes gestoßen? Wenn denn diese behauptete Serie stimmen sollte - wird sie demnächst allerdings ein jähes Ende finden. Frau G. gelang es inzwischen, einen kompetenten Rechtsbeistand aus einer anderen Stadt zu beauftragen und der gesamte Vorfall wird nun sein juristisches Nachspiel bekommen.

 

 

Das vorläufige Resultat

 

Frau G hat derweil immer noch einige Wochen ihrer "Sanktion" durchzustehen - die sich dank der "großen Ehrung" durch Frau X.-Y. wegen des jetzt auch noch fehlenden Geldes aus dem 1€-Job gleich noch ein wenig härter anfühlt. Tag für Tag geht sie unterdessen in die "Arbeitsfabrik" und macht dafür dort zusammen mit 19 anderen "Kollegen" einen Teil der Arbeit des Amtes - natürlich zum Nulltarif versteht sich.

Frau G. ist eine tatkräftige und energische Persönlichkeit. Sollte es ihr gar - was nicht unwahrscheinlich ist, sofern sie ausreichend Zeit an einem freien PC ergattert (zu Hause hätte sie zwar einen in Vollzeit, aber wen interessiert das schon...) gelingen, während des Zeitraums ihrer "Abordnung" zur Arbeitsfabrik (also auch in den sogenannten "Heimarbeits-Phasen") irgendwo einen Job zu finden, wird auf jeden Fall reichlich "Belohnung" ausgeschüttet - natürlich nicht über sie, sondern über das BFZ - dem Betreiber der "Arbeitsfabrik". Dies nämlich erhält für jeden seiner Schützlinge auf Zeit, der einen Job findet, satte 500 Euro - und gleich noch einmal 500 Euro, wenn nach 6 Monaten der Schützling immer noch im Job ist. Dies natürlich - wie könnte es in Absurdistan anders sein - völlig unabhängig davon, ob der Job nun den Aktivitäten der Arbeitsfabrik zu verdanken ist oder nicht.

Neben ohnehin schon geschätzt 16.000 € pro Monat wechseln hier also noch einmal Tausend Euro den Besitzer - und strömen über ein undurchsichtiges Geflecht aus gemeinnützigen und normalen Firmen hin zu bayrischen Unternehmerverbänden. Frau G. hat man ungerechtfertigt 312 Euro vom kargen ALGII abgezogen und sie um ihr bischen Geld aus dem 1€-Job gebracht, damit sie vorerst als Goldesel für anscheinend völlig verarmte Unternehmerverbände dienen kann. So kann "Fördern und Fordern" in Absurdistan real eben auch aussehen. Und das Schönste: An der Statistik der Langzeitarbeitslosen nimmt Frau G. weiterhin - wie alle ihre "Kollegen" auch - natürlich nicht mehr teil.

Diese Bewunderung absurdistanischer Pracht und Macht wäre nicht vollständig, würden wir nicht an die Firma S. erinnern - denn Herr S. wollte eigentlich nichts weiter, als eine Praktikantenstelle nach seinen Vorstellungen zu besetzen. Resultat: Herr S. durfte sich mächtig ärgern, musste Schreiben verfassen und darf womöglich demnächst in den Zeugenstand. Mancher Unternehmer würde bei dem Ganzen genau das "Lernen", was der intelligenzfreie Spießermund schon immer behauptete: Arbeitslose einzustellen, bereitet doch nichts als Ärger... So wunderbar kann Arbeitsmarktpolitik in Absurdistan funktionieren - mit Kanzlerin Merkels Worten: Es läuft förmlich wie "geschmiert"

 

 

Abschließende Bewertung

 

In den ARGE des Landes setzen öffentlich bedienstete Menschen alles daran, den sogenannten "Vermittlungshemmnissen" bei ALG2-Beziehern auf die Spur zu kommen. Wenn etliche Millionen von ordentlichen Arbeitsplätzen schlicht und einfach fehlen - so diese nicht anders als krank zu nennende Behördenlogik - dann müssen da bei Langzeitarbeitslosen eben solche vorliegen. Man muss sie nur eben nur aufspüren. Wer auf ALG2 angewiesen ist, ist schon von dessen Höhe her weitgehend ausgeschlossen von seiner Teilnahme am soziokulturellen Leben im Lande. Er ist aber auch noch mehr: in Augen behördlicher Logik wird er zum Therapie-Fall, geplagt von "Vermittlungshemmnissen". Und dank der Hartz-Gesetze mangelt es den Behörden fürwahr nicht an "Therapien", um auch diesen "Fall" wieder dem gesunden Teil der Bevölkerung zuzuführen. Bedenklich dabei das behördlich Zerrbild eines gesunden Mitbürgers: das ist nämlich einer, der jede noch so jämmerliche "Arbeit" zu jedem noch so lächerlichen Lohn klag- und widerspruchslos auszuführen hat. Solche Menschen hatten in früheren Epochen einen Namen: Sklaven.

Wie subtil in der anscheinend beabsichtigten Schaffung einer neuen Sklaven-Klasse vorgegangen wird zeigt Folgendes: Hinter vorgehaltener Hand hört man inzwischen von "Formularen", zu deren Ausfüllung Arbeitgeber seitens der Ämter genötigt werden, die Bewerbungsgespräche mit Arbeitslosen haben. Ein vermutliches Ziel dieser offenbar mehrseitigen Formulare dürfte - unabhängig von allem was da offiziell behauptet wird - vor allem wohl sein, den Behörden Munition zur Sanktionierung ihrer angeblichen "Kunden" zu liefern.

Verehrte Leserinnen und Leser - nun stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie seien Chef eines Unternehmens und haben eine freie Position zu besetzen. Fast trauen Sie sich kaum, die freie Stelle zu veröffentlichen, weil sie genau wissen: es werden wieder Berge von Bewerbungen eintrudeln und doch können sie nur ein oder zwei zur Vorstellung einladen und letztlich nur einem Einzigen aus dem ganzen Haufen eine Chance geben. Gleich im Dutzend wäre eigentlich allen anderen Absagen zu schicken nicht zuletzt mit saftigem Porto für die Rücksendung der Unterlagen zu versehen. Und nun noch dieses: Was würden sie tun, wenn sie zudem auch noch genau wissen: Hole ich mir einen Langzeitsarbeitslosen zur Vorstellung, muss ich zusätzlich auch noch dieses "Blockwart-Formular" ausfüllen - und das wo Sie "Petzen" schon in der Schule nicht wirklich mochten? Und selbst wenn sie sich auch dieser Prüfung noch unterziehen...

Kann man unter solchen Umständen viele Unternehmer nicht verstehen, die sich von vornherein in sicherer Entfernung von diesem Abgrund unserer heutigen Gesellschaft halten? Die sich sagen - um Himmels willen keine (Langzeit-)Arbeitslosen. Auch Firmenchefs sind Menschen und nicht jeder Mensch quält andere neigungsgemäß gerne. Nicht jeder Chef mag sich zum Sklaventreiber machen lassen, indem er Sklaven einstellt. Es ist dabei auch eine Frage der Unternehmenskultur: Verhandeln und Feilschen, miteinader Rangeln sind vielschichtige soziale Prozesse und zwar solche, die auch gegenseitige Achtung und Respekt transportieren. Wie aber sollen solche Prozesse mit Menschen möglich sein, die von vornherein per Gesetz gar keine Verhandlungsposition inne haben? Im Gegenteil: ihnen droht schon teilweiser Entzug ihrer kargen Lebensgrundlage, sobald sie es nur wagen, nach der Anzahl der Urlaubstage zu fragen?

Es ist doch eigentlich klar, dass viele Unternehmer einen Teil ihres Unternehmenerfolges nicht Menschen anvertrauen wollen, die schon per Gesetz derart diskriminiert sind. Die Hartz-Gesetze scheinen förmlich darauf angelegt, bei Individuen all jene Kernkompetenzen gleichsam "auszuradieren", auf die es ganz besonders in jener Ellbogengesellschaft ankommt, zu der wir uns - angeblich ohne Alternative - hin entwickeln: Urteilsfähigkeit, Vernunft, Mut, Selbstvertrauen, Menschlichkeit. Kaum jemand übersteht längere Zeit in dieser "Maschinerie" ohne nicht erheblichen Schaden an seiner Persönlichkeit und diesen wichtigen Kernkonpetenzen als Arbeitnehmer, und - und darauf scheint das Ganze auch zu zielen - eben auch als Bürger zu nehmen. Für so Betroffene liest sich unser Grundgesetz immer mehr wie bloße Makulatur - Es gilt nur noch für die anderen, die auch sonst alles haben und denen es gut geht. Es kann nicht genug gewarnt werden: Verantwortliche auf allen Ebenen sollten sich nicht wundern, wenn immer mehr Betroffene einestages beginnen, ihr Verhalten ihrer empfundenen Situation anzupassen.

Es geht hier um Menschen, die nicht das Geringste verbrochen haben, und die nach unserem Grundgesetz durchaus präzise Vorstellungen davon haben dürfen, unter welchen Bedingungen sie was arbeiten wollen. Das Leben auf Hartz-Niveau allein schon ist gewiss alles andere als prickelnd - und die vielen Rückschläge bei Bewerbungen sind da auch noch zu "verdauen". Die höchst bescheidende Hartz-Welt (man kann nicht einmal ohne Zustimmung seines "Fallmanagers" verreisen...) indes sollte für die meisten Menschen als "Motivation" zur Arbeitssuche völlig ausreichend sein. Wieso um alles in der Welt kann die (angeblich vom Volke ausgehende) Amtsgewalt diese Menschen, die es ohnehin schon schwer genug in unserer Gesellschaft haben, nicht einfach "in Ruhe" lassen - oder ihnen wenn schon, dann wenigstens echte Hilfe bieten? Nein - nach spätmittelalterlicher Manier muss auf diesen Menschen behördlicherseits regelrecht herum getrampelt werden. Sie werden schikaniert - drangsaliert - und nach tumber Behördendenke dazu gezwungen, allein eine möglichst hohe Anzahl von Bewerbungen zu generieren. Als ob das fehlende Arbeitsplätze herbei schaffen könnte... Noch bestimmen Bedarf des Arbeitgebers und die Qualität einer Bewerbung die Aussichten auf deren Erfolg. Wenn Arbeitsplätze fehlen, fehlen sie auch weiterhin - vollkommen unabhängig wie sehr man Personalstellen von Unternehmen mit Bewerbungen "bombadiert". Kann es wirklich sein, dass es im anbrechenden 21. Jahrhundert keinen anderen Weg gibt, Bedarf und Kapazität schnell und effektiv zueinander zu führen?

Dass aber jede einzelne Bewerbung Hoffnung für den sich bewerbenden Menschen bedeutet - ihn dazu veranlasst, sich wieder mit seinen persönlichen und beruflichen Perspektiven zu beschäftigen, wird seitens der sich selbst meist als sozial "kompetent" sehenden Amts-Sesselinhaber völlig ignoriert. Bis zu 10 Bewerbungen monatlich und mehr verlangen die Behörden von manchen - und würgen dem Betroffenen damit zumeist 10 schwere Misserfolgserlebnisse pro Monat herein. Im Schnitt alle 3 Tage durchläuft ein solcher Menschen den Zyklus - Freude über das Finden eines passenden Jobangebotes - Hoffnung und Planen (denn auf ALG2 Niveau gibt es nichts zu planen...) - und den vernichtenden Zusammenbruch all dessen, wenn dann die Absage kommt.

Damit nicht genug - wie im geschilderten Fall auch - werden die Menschen dann noch zusätzlich in "Maßnahmen" gezwungen - Maßnahmen, bei denen ihre primäre Rolle allein die eines Goldesels für andere zu sein scheint Dies gilt für Zeitarbeit und Arbeitsfabrik gleichermaßen - und daneben auch für so manches andere. Mit einem "freien Arbeitsmarkt" hat all dies nichts zu tun - höchstens mit dem Gegenteil davon. Diese Gesetze wurden von "Politikern" erlassen, die sich erstens dazu verpflichtet haben, dem Gemeinwohl zu dienen - die ihren Wählern in den Wahlkreisen sonstwas erzählt haben, damit sie gewählt wurden. So weit so gut - aber auch diese Menschen haben Pflichten - allen voran jene, denen sie ihre durchaus nicht unbeträchtlichen Einkünfte verdanken. Wie kann es angehen, dass diese Menschen Gesetze generieren, die bei jedem Betroffenen die Zustimmung zu unserer Gesellschaft auf den Nullpunkt sinken lassen müssen?

Frau G. und ihre Kollegen jedenfalls sind den Realitäten um Einiges näher, als die von ihren Nebenjobs so bedauernswert gehetzte Elite in Berlin. Denn sie müssen stets jenen Schwachsinn ausbaden, den die feinen Herr- und Damenschaften dort verbrechen. Sie bezahlen ihn förmlich mit der Qualität und mit Jahren ihres Lebens. Der politische Kompromiss mag ja die notwendige Form zur Suche eines gesellschaftlichen Optimums sein - doch findet jeder Kompromiss dort sein Ende, wo es um grundlegende Bürger- und Menschenrechte geht. Wenn in solchen Fällen die Kompromittierenden sich dann auch noch sozusagen selbst bedienen, bleibt nur noch ein Name für einen Staat, der solche Strukturen hervorbringt und fördert: Bananen-Republik! Irgendwer kriegt irgendwelche Bananen, weil er Anderen Wege eröffnet, sich grundlos zu bereichern. Und hierin kommt man derzeit in Absurdistan fürwahr vortrefflich voran, wie zahllose Beispiele täglich aufs Neue unter Beweis stellen.

Höchst merkwürdig muss in diesem Zusammenhang eine neuerliche geniale Kreation behördlicher Logik wirken - die gut-mittelalterliche "Bettelfuhre" (das Umeinanderschicken armer Menschen) wurde anno 2007 wieder entdeckt. Es gibt ARGE's im Lande, die zahlen insgesamt 1.250 € "Prämie" an jene Langzeitarbeitslosen, die eine - gleich welche - Beschäftigung weit weg (über 100 km vom bisherigen Wohnort) - aufnehmen. Braucht es noch mehr Beweise dafür, auf welchem Weg wir uns eigentlich befinden?
 

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