Bushbrand in der Klimaforschung
Geschrieben von Jürgen Scheffler   
Mittwoch, 30. August 2006

Seit einiger Zeit lässt die US-Regierung anscheinend nichts unversucht, Teile der Wissenschaft für die von ihr ohne jede Verunreinigung durch Vernunft oder Skrupel vertretenen wirtschaftlichen Interessen einzuspannen. Hauptaktionsfelder: Gentechnik und Umweltforschung. Über obskure Netzwerke wird mit viel Geld versucht, den Stand der wissenschaftlichen Forschung bei besonders gewinnträchtigen Themen soweit zu vernebeln, dass die Wissenschaft sich als Orientierung für Politik und Gesellschaften in der allgemeinen Wahrnehmung nicht mehr zu eignen scheint. Wie manchem vielleicht bekannt, wird parallel dazu besonders seitens Präsident Bush solch fundamentalistischen Neuprägungen wie "Intelligent Design" besondere Sympathie und Förderung zu teil. Neu ist dieses vormittelalterliche und Wissenschaft zerstörende Konstrukt nicht - schon vor rund 50 Jahren versuchten baptistisch und methodistisch vernagelte Kreise in den USA derartiges, nur nannte man es damals Kreationismus. Der Kern dieser selbst ernannten "Wissenschaft" lässt sich auf einen simplen und für den beschränkten Intellekt von US-Präsident Bush (IQ:91) besonders geeigneten Nenner bringen: "Nichts genaues weiß man nicht" und daher sei bewiesen, dass nur der rechte Glaube in Gott alle Phänomene der Welt schon ausreichend erklärt und den richtigen Weg weise (wie im Irak...). Am Beispiel der von Adepten Bush'scher Weltsicht von Zaune gebrochenen Diskussion um die Klimakatastrophe wollen wir ein wenig von der Methodik dieser finsteren Kreise offen legen. Der durch dieses durchsichtig motivierte Spiel verursachte Schaden für die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Forschung indes kann bei den gegebenen Verhältnissen in unserer schönen neuen Medienwelt kaum überschätzt werden. Zugleich ist diese Posse ein gutes Beispiel für die Vorgehensweise der Bush-Administration und decouvriert ein weiteres Mal ihre Motive.

 "Die Hockeyschläger-Kurve, die den Einfluss des Menschen auf das Klima visualisiert, sei falsch..." lautete der Auftakt aus dem besonders Bush-hörigen Australien zu einer erneuten Offensive, von der sich die amerikanische Kohle- und Öllobby offenbar die Befreiung aus dem Sumpf öffentlicher Kritik verspricht. Dabei geht man keineswegs zimperlich zu Werke: selbst publizistisch bestens beleumundete Schwergewichte wie die Zeitschriften "Nature" und "Science" geraten dabei in die Schusslinie.


Nicht nur der "Erfinder" der Hockeyschlägerkurve, der exponierte Klimatologe Michael Mann von der Pennsylvania State University, wird dabei aufs Korn genommen - flugs ist eine neue Verschwörungs-Theorie gebastelt: weltweit hätten sich gleich mehrere Dutzend Klimaforscher samt dem UN-Klima-Gremium IPCC verschworen, um nicht nur Michael Mann mit seiner - angezweifelten - Hockeyschlägerkurve zu "promoten", sondern vor allem auch um abweichende wissenschaftliche Erkenntnisse angeblich zu "unterdrücken".



Fragwürdiges Ereignis

Bedeutung gewinnt das Ganze vor allem dadurch, dass dieser Angriff auf Michael Mann nicht irgendwo, sondern im Juli als Anhörung vor dem US-Kongress stattfand, zu der Mann für eine Aussage unter Eid ein bestellt wurde. Das muss man sich mal vergegenwärtigen: Ein Forscher muss vor dem US-Kongress die wissenschaftliche Richtigkeit eines (wie wir noch sehen werden) marginalen Fitzelchens seiner Arbeit rechtfertigen. Vor jeder wissenschaftlichen Diskussion erhebt sich zu aller erst die Frage Nummer 1: Seit wann wachen Parlamente über eine angeblich "freie" Wissenschaft? Wissenschaft etwa als Ergebnis politischen Machtkalküls und Interessenklüngels? Irgendwie fühlt man sich da fast an die Zeiten der Inquisition erinnert - mit dem kleinen Unterschied vielleicht noch, dass Michael Mann vorläufig noch nicht mit seiner Verbrennung auf dem Scheiterhaufen zu rechnen hat.


So war denn die Kurvendiskussion im Grunde auch nur Marginalie bei diesem konzentriert vorgetragenen Angriff auf Inhalt und Freiheit von Forschung und Lehre. Eher wohl war daran gedacht, für die Forscher der Welt ein Exempel zu statuieren, dass sie fortan mahnen soll, ihre Forschungsergebnisse bitteschön kompatibel zu den Interessen von Kapital und Macht ausfallen zu lassen oder zumindest so zu kommunizieren. "Wessen Geld ich ess, dessen Lied ich sing" scheint die unterschwellige Mahnnung des US-Kongresses an Forscher im 21. Jahrhundert.


Der wissenschaftliche Faktengehalt des Vorwurfskonstrukts an Micheal Mann indes ist ohne Übertreibung wohl als "streng gegen Null gehend" einzustufen. Gegen Null gehen aber nicht nur die Michael Mann zur Last gelegten Fakten, sondern auch das mögliche wissenschaftliche Resultat des gesamten Manövers überhaupt. So drängt sich der Verdacht auf, hier gehe es gar nicht um einen wissenschaftlichen Disput sondern um ein Manöver platter Meinungsmanipulation hinter dessen Scheinkulisse weitgehend in die Defensive geratene Kapital-Interessen wieder flott gemacht werden sollen.


Da erhebt sich zunächst doch wohl wichtige Frage Nummer 2: "Wieso überhaupt sollten sich weltweit Klimaforscher verschwören? Welches Interesse könnte sie leiten?..." Sehr schade, dass sich viele diese einfache Frage schon gar nicht mehr stellen. Leider neigt unsere von Medienverdummung geplagte Gesellschaft offenbar allzu sehr dazu, höchst komplexe Sachverhalte auf wenige "Kernaussagen" und einzelne Köpfe zu projezieren. Vor allem dies öffnet der Strategie, unbequeme wissenschaftliche Erkenntnisse durch die konzentrierte Bekämpfung solcher Exponenten zu "neutralisieren", Tür und Tor.



Umgang mit widersprüchlicher Wissenschaft


Neu ist derartiges nicht - denn, wie immer, wenn Forschungsergebnisse in Konflikt zu massiven Wirtschaftsinteressen geraten, scheint sich die Wissenschaft heutzutage alsbald "aufzulösen" - Irgendwoher tauchen irgendwelche Schrate auf, und werfen marginale Spitzfindigkeiten in den Raum, um die ein riesiges Medien-Brimborium inszeniert wird. Beispiele gibt es zu hauf: Atomstromerzeugung, Gentechnik u.v.m. sind Gebiete, die von sich angeblich erbittert bekämpfenden Wissenschaftslagern gekennzeichnet sind. Hochinteressant daran ist, dass bislang noch nie eine von wirtschaftlichen Interessen derart massiv unterstützte These über längere Zeit Bestand gehabt hätte - zumindest ist mir kein solcher Fall bekannt. Sie alle verschwanden nach einer gewissen Zeit sang- und klanglos von der Bildfläche.


Der Grund hierfür ist logisch - denn solche "Wissenschaftskriege" werden ja ohne jede Rücksicht auf naturwissenschaftliche Zusammenhänge "gemacht", d.h. mit viel Geld und Einfluss geschaffen. Eine solche "Investition" leistet man sich natürlich nur, wenn eine hinreichende Bedrohungsschwelle für massive wirtschaftliche Interessen gegeben ist. Der Rest ist stehende Praxis: Selbstverständlich mag es für manche bislang weniger reussierte Forscher verlockend sein - in Zeiten zunehmenden Wettbewerbs um "Drittmittel-Forschungsaufträge" zumal - eine interessengeleitete statt einer objektiven Interpretation der eigenen Forschungsarbeit zu präsentieren. Den meisten Normalbürgern ist ohnehin kaum bewusst, wie sehr gerade die plakativ in den Vordergrund gestellten Forschungs-Aussagen in aller Regel bestenfalls Hypothesen sind. Mit der zumeist höchst unübersichtlichen Materie selbst befasst sich ohnehin kaum jemand im Detail.


Advokaten-Denken in solchem Zusammenhang ist ein fataler Fehler und 100%-Garant für die Auflösung jedes wissenschaftlichen Fundaments. Wenn wir Pech haben im vorliegenden Fall auch für die Auflösung von Lebenschancen künftiger Generationen. Unbestreitbar nämlich steht erstens fest, dass es letztlich nur einen für unser Klima wirksamen Zusammenhang geben kann und zweitens schert dieser Zusammenhang sich definitiv einen Dreck um Wirtschaftsinteressen. Somit wäre selbst ein Nachweis gravierender Fehler in der Hockeyschlägerkurve für die vorliegende Problematik von - vorsichtig formuliert - höchst überschaubarem Nutzen.


 Gleichwohl aber eignet sich diese - sachlich praktisch so gut wie irrelevante - Diskussion bestens zur "Meinungsmache". Man stelle sich die Schlagzeile vor: "Exponierter Klimaforscher wird wissenschaftlich widerlegt..." Im heute von vielen Medien auf unerträgliche Weise unablässig geförderten Primitiv-Denkschema wird damit die Gegenseite automatisch zur "richtigen" Ansicht - natürlich ohne dass auch nur ein eingehenderer Blick auf die tatsächlichen Gesamt-Zusammenhänge geworfen worden wäre. Genau darauf zielte das von Joe Barton, dem Vorsitzenden des Energieausschusses im Repräsentantenhaus sowie strammer Konservativer und nicht minder strammer Verfechter der Klimapolitik von George W. Bush, inszenierte Manöver ab.


Womit wir wieder bei den Interessen im Hintergrund und bei unserer zweiten Frage angelangt sind. Warum nun also, sollten Klimatologen sich gegen die krasse Außenseiter-Haltung der US-Regierung in Sachen Klima "verschwören"? Was haben sie davon - wer verdient daran? Wird Michael Mann etwa Millionär durch sein Eintreten für eine klimabewusstere Haltung? Nein - wird er nicht und andere auch nicht. Noch verdient fast jeder Werbefuzzi und Medienbrabbler noch deutlich mehr als das, was ein Michael Mann je als Gewinn aus "seiner" Hockeyschlägerkurve ziehen könnte.


Betrachtet man allerdings mal für einen Moment die Interessenlage der Gegenseite, tun sich wahre Abgründe auf - in Jahrmillionen auf dem Planeten angesammelte fossile Brennstoffe werden gegenwärtig in geradezu unvorstellbarem Ausmaß "verprasst". An einsamer Spitzenposition hierbei - welch Wunder - die USA. Ganze "staatstragende" Clans dort wurden unvorstellbar reich und mächtig mit diesem Geschäft - und haben offenbar keineswegs vor, sich diese Pfründe madig machen zu lassen.


Auch hier wieder wird die eigentlich wichtigere Grundsatzfrage Nummer 3 erst gar nicht gestellt: "Kann ein winziger Teil der Weltbevölkerung eigentlich das Recht für sich beanspruchen, einen Großteil der weltweiten Vorräte an fossilen Brennstoffen zu verjubeln?" Diese einfache Frage lässt sich eigentlich auch ohne jede Klimatologie bereits eindeutig beantworten.




Klimatologische Aspekte der Diskussion 1


Doch nun zur Klimaforschung selbst und der letzten Frage Nummer 4: Ist diese Hockeyschlägerkurve denn wirklich von solch hoher Relevanz? Hat sie wissenschaftlich eine so enorme Aussagekraft? Wohl eher weniger - und hierfür gibt es eine Reihe einsehbarer Gründe. Zunächst liegen Klimaprozessen hochgradig vernetzte Einflussfaktoren zu Grunde - von denen die Temperatur nur einer, wenn sicher auch ein sehr wichtiger ist. Zudem gibt es erst seit 150 Jahren eine systematische direkte Erfassung entsprechender Messdaten - für die Zeit davor ist man auf indirekte Methoden, so genannte "Stellvertreter" (auch "proxies" genannt) wie Baumringe, Wachstumsschichten von Korallen und Eisbohrkerne angewiesen.

Gleichzeitig aber ist die Temperatur selbst auch wieder Funktion anderer Parameter - z.B. des Gehalts der Atmosphäre an Treibhausgasen, der Albedo der Erdoberfläche und viele, viele mehr. Allein die auch von Hockeystick-Kritikern kaum noch bestrittene Tatsache, dass die vorliegenden Erkenntnisse menschlichen Einfluss nachweisen, sollte beunruhigend genug sein. Eine genaue Quantisierung des Einflusses spielt da zunächst mal eine eher nachgeordnete Rolle.

Die gegenwärtige Population tut auf jeden Fall etwas, was es in der Vergangenheit in diesem Ausmaß nicht gegeben hat. Jährlich werden 22 Mrd Tonnen Kohlendioxid zusätzlich durch menschliche Aktivität freigesetzt. Hierin enthalten sind sowohl die Folgen der Grünflächenrodung als auch die durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Diese nehmen sich gegenüber den geschätzten 550 Mrd Tonnen Kohlendioxid recht bescheiden aus, die jährlich im atmosphärischen Zyklus ohnehin umgesetzt werden. In vielen Fällen ist dies auch das Parade-Argument für Verfechter einer "Susi-Sorglos-Weiter-So"-Haltung bei ihrer Kritik an die Adresse spielverderbender Klimatologen. Eines aber vermögen diese Menschen allesamt nicht zu erklären - hierzu betrachten wir einmal die folgende Abbildung:



Das obige Diagramm zeigt den Verlauf der Kohlendioxid-Konzentration und Temperaturänderung aufgetragen über die letzten 400.000 Jahre (im Vergleich dazu erstreckt sich die angeblich so fürchterlich wichtige Hockeyschläger-Kurve gerade mal über die letzten 1.000 Jahre). Ferner - und das kann man nicht oft genug wiederholen - stieg der Kohlendioxid-Anteil in unserer Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung in nur 150 Jahren von ca. 280 ppm (part per million) auf 370 ppm im Jahre 2002 und liegt heute bereits bei knapp über 380 [2]

Allein im Jahr 2005 wuchs dieser Anteil um 2,6 ppm - in nur einem einzigen Jahr! Zudem bewegen wir uns heute mit den 380 ppm in der Kohlendioxid-Konzentration auf einem Niveau, dass es vermutlich in den letzten 20 Millionen Jahren nicht gegeben hat. Wenn man nun noch mit in Betracht zieht, dass die Abbildung doch eindrucksvoll die Korrelation von Kohlendioxid-Gehalt und Temperaturänderung über einen sehr langen Zeitraum verdeutlicht und sich dann einmal klarmacht, in welch geringen Anteilen Kohlendioxid als Spurengas in der Atmosphäre offenbar so nachhaltig in Wechselwirkung mit dem wichtigen Parameter Temperatur tritt, sollte eigentlich selbst Bush die Lust auf Sorglosigkeit restlos vergangen sein - schließich werden die USA selbst zunehmend von erratischen Klimaphänomenen getroffen.


Klimatologische Aspekte der Diskussion 2


Somit ist es relativ unerheblich, wie groß man den Einfluss der ungehemmten Verprassung fossiler Brennstoffe nun genau quantifiziert - zweifelsfrei steht zunächst mal fest, dass wir derzeit bereits weit jenseits des Bereiches liegen, innerhalb dessen sich das System in erdgeschichtlich jüngerer Zeit offenbar bewegte. Hiermit liegt die Menschheit mit ihrer zusätzlichen CO2-Freisetzung definitiv auf der falschen Seite des Gleichgewichts. Solange keine zweifelsfreien Erkenntnisse über die ultimative Wirksamkeit einer natürlichen Dämpfung auch in diesem neuen Parameterbereich vorliegen, wird im Klartext munter weiter russisches Roulette mit unserem Klimasystem gespielt.


Dies umso mehr, als die Dynamik menschlicher Aktivität das System völlig anderen Zeitkonstanten aussetzt, als sie natürlich je gegeben waren. Die Langzeitkurve enthält sowieso Hinweise auf nichtlineare Zusammenhänge, das heißt, Systemparameter regieren mit deutlicher "Übersteuerung" auf wechselseitige Störungen. Angesichts der Zeitskala kann es dann schon mal locker mehrere Generationen dauern, bis eine Übersteuerung wieder gedämpft ist. Noch fataler: auch kleine Störungen wie z.B. 22 Gt anthropogenes Kohlendioxid gegenüber 550 Gt im natürlichen Gesamtumsatz können durchaus länger anhaltende empfindliche Schwankungen des Gleichgewichts nach sich ziehen.

Einer der wenigen Befunde, die hier für Entwarnung sorgen könnten, wäre ein anhaltender und signifikanter Rückgang der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre. Dieser nämlich würde beweisen, dass die Dämpfungskapazität im System auch mit Störungen jener Charakteristik fertig wird, wie der Mensch sie in das System einbringt. Ein solcher Befund jedoch ist derzeit nicht einmal in Ansätzen erkennbar - statt dessen steigt die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre ungebremst wenn nicht gar beschleunigt weiter.

Grade und besonders dann, wenn keine genaueren Aussagen getroffen werden können, gebietet es die ebenso so simple wie stringente Logik des Risikos, mit zusätzlichem Kohlendioxid-Eintrag in die Atmosphäre größtmögliche Vorsicht walten zu lassen. Zumal uns ja auch nicht unbekannt ist, dass mit der fortschreitenden Industrialisierung und Motorisierung in China und anderen Schwellenländern weiter kräftige Zuwachsraten praktisch schon vorprogrammiert sind. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe und unser Umgang mit Grünflächen sind die einzigen Parameter, die dem Menschen überhaupt direkten Einfluss auf den Kohlenstoffzyklus der Atmosphäre geben, was zugleich auch Verantwortung beinhaltet.


Vielleicht wären für Bush und seine Kumpanen ein paar Gespräche mit Fachleuten aus Risikoabteilungen großer Versicherer heilsam (
ein Beispiel). Wenn er denn schon den Niedergang New Orleans verdrängt hat, bestünde hier vielleicht noch die Chance, auch solchen Menschen mal vor Augen zu führen, worum es bei dem Ganzen überhaupt geht. Unbestritten dürfte wohl auf jeden Fall sein, dass gegenwärtige Unwetterkatastrophen und deren Folgen längst in Dimensionen vorstoßen, die seit Beginn der Wetteraufzeichnung so noch nie da gewesen sind.


Unerwähnt lassen sollte man auch nicht, dass die Folgen menschliche Aktivität sich nicht nur im zusätzlichen Eintrag von Kohlendioxid in die Atmosphäre manifestieren - auch bei Methan und weitern Spurengasen erfolgt ein signifikanter anthropogener Eintrag. Deren Gehalte in der Atmosphäre folgt einer ähnlichen Entwicklung. Methan ist ein noch viel stärker wirkendes Treibhausgas als Kohlendioxid - in Form von eisartigem Methanhydrat lagern gigantische Mengen davon in den Shelf-Regionen der Ozeane, die bei nur geringfügig ansteigender Meerestemperatur (um etwa 2° C) instabil zu werden drohen und schlagartig gewaltige Mengen Methan frei setzen könnten.



Fazit

Ein etwas genauerer Blick auf die aktuellen klimatischen Gegebenheiten sowie die bislang darüber vorliegenden Erkenntnisse lassen Alarmstimmung aufkommen. Auch wenn der eine oder andere Zusammenhang noch nicht restlos verstanden sein mag - es besteht nicht ein einziger ernst zu nehmender Hinweis, der eine Entwarnung auch nur ansatzweise rechtfertigen würde. Die folgende Kurve gibt eine Vorstellung vom tatsächlichen Gegenstand der Kurvendiskussion - sie zeigt die Kurve von Michael Mann (blau) im Vergleich zu jener der Kritiker McIntyre und McKitrick (gelb).

Auch für den Nicht-Fachmann sollte nach dem Vorangegangenen ersichtlich sein, dass der zur Diskussion stehende Sachverhalt für die Frage unseres Umgangs mit fossilen Brennstoffen im Hier und Heute so interessant ist, wie das Platzen eines Sackes Reis in China. Insbesondere die aktuelle Kohlendioxid-Konzentration muss jedem Anlass zur Sorge geben. Da nutzt auch der Hinweis wenig, dass es vor Jahrmillionen vielleicht auch schon mal so gewesen sein könnte - die der Theorie nach vernunftbegabte Menschheit sollte alles in ihrer Macht stehende dafür tun, dass sie selbst nicht mehr als unbedingt nötig zu einer möglichen Klimakatastrophe beiträgt.


Schließlich war es nach Ansicht vieler Forscher auch eine solche, die vor rund 55 Millionen Jahren schon einmal beinahe zum Erlöschen alles Lebens auf der Erde geführt hätte. Entgegen der Auffassung von Dollars verblendeter Kurzdenker können wir der Frage nicht ausweichen, ob gigantische Transport-Subventionen oder die 20 Liter Verbrauche der gegenwärtigen SUV-Mode wirklich ein derart unverzichtbares Gut der Menschheit darstellen, dass sie dieses "Vabanque-Spiel" mit unserer Atmosphäre rechtfertigen. Ein
Artikel in Spiegel-Online vom März 2006 macht in diesem Zusammenhang denn auch beklemmend deutlich wo - wenn denn schon - eher Verschwörer am Werk sein könnten. Micheals Manns Anhörung vor dem US-Kongress jedenfalls ist nichts weniger als ein weiterer trauriger Meilenstein in der Kette kaum noch fassbarer gesellschaftlicher Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte.


Zeit zum "Umdenken" oder vielleicht besser formuliert "Wieder denken" ist eigentlich schon lange - offensichtlich aber pulverisiert der fortgesetzte Tunnelblick auf kurzfristige Profite jede Hemmschwelle, an Mechanismen herum zu spielen, die man nicht wirklich versteht. Dies lässt sich ohne Abschwächung in gleicher Form auf gleichartige Umtriebe in der Akzeptanz-Durchpeitschung von Gentechnik übertragen. Nichts charakterisiert diese Haltung besser als der dem Cree-Häuptling "Seattle" zu Beginn der Industrialisierung zugesagte Spruch: "Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss vergiftet und der letzte Fisch gefangen ist, wird der weiße Mann begreifen, dass man Geld nicht essen kann."


Und selbst wenn Michael Mann in Details Flüchtigkeit oder mangelnde Liebe zu irrelevanten Details zur Last gelegt werden kann - dies richtet vor den Zeitskalen der Entwicklungsgeschichte keinen nennenswerten Schaden an. Tausende anderer klimawissenschaftlicher Arbeiten sowie eine Unmenge zweifelsfreier Messwerte sind damit noch nicht widerlegt. Der Mensch aber muss sich endlich bewusst werden, dass sein Einfluss auf diesen Planeten Dimensionen erreicht hat, in welchen er und seine Gesellschaften nicht mehr umhin kommen, Verantwortung für die Zukunft des Lebens auf diesem Planeten zu tragen. Fehler können hier schnell existenzielle Ausmaße annehmen - und der freie Gebrauch seiner Vernunft ist das einzige Mittel des Menschen solchen zu begegnen. Geld- und Machtinteressen haben in diesem Zusammenhang auch nicht das Geringste verloren.


Die Kurvendiskussion um den Hockeyschläger ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie vehement die Übergriffe der Macht auf Vernunft und Freiheit von Forschung und Wissenschaft inzwischen schon sind und befindet sich in guter Übereinstimmung mit vergleichbaren Entwicklungen auf nahezu allen Lebensfeldern, nicht zuletzt im sozialen Bereich. Angesichts der Erbärmlichkeit dieser im US-Kongress aufgeführten Posse um die Hockeyschläger-Kurve könnte man schon mal versucht sein, genau jenen zu nehmen und mittels mehr oder weniger sanfter Schläge auf manche Köpfe endlich mal wieder Denkprozesse in denselben in Gang zu setzen.

CogitoSum - Beitragskritik:
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(Autor-Überarbeitung eines der ersten CogitoSum-Artikel vom Juli 2006)