Die Vierte Gewalt |
Geschrieben von Jürgen Scheffler | |
Sonntag, 14. Januar 2007 | |
Wieder einmal ist es der Spiegel - bzw. das was in ihm geschrieben wird, was uns zum Nachdenken, dies mal über die "vierte Gewalt", veranlasst. Damit gemeint ist die Macht der Medien - jene Macht, die bei der Verfassung heutiger Gesellschaften unberücksichtigt blieb, als man seinerzeit die Gewaltenteilung konzipierte. Wir leben in Umbruchzeiten - das dürfte sich wohl herumgesprochen haben - und damit wird die Frage "Wo wird es denn hingehen?" unausweichlich. Seit altersher scheint es für Menschen faszinierend, über die Zukunft nachzudenken - Eingeweideschauer, Hellseher und Astrologen waren seit Jahrtausenden Begleiter zumeist der Mächtigen und Reichen - und daran scheint sich bis heute wenig geändert zu haben. Allenfalls die wenig ästhetische Praxis der Eingeweideschau wich angeblich "wissenschaftlicher" Betrachtung. Ein gutes Bild über den heutigen Stand der Zunft lässt sich aus diesem Spiegel-Interview gewinnen - dessen viel versprechende Überschrift "Gesellschaft 2067" uns natürlich anziehen musste. Dort nämlich wird der "renommierte" Zukunftsforscher Matthias Horx interviewt... Woher er sein Renommee hat, wird indes - zumindest aus diesem Interview - eher weniger deutlich. Aus seinem abgebrochenen Soziologie-Studium kann es ja kaum stammen. Dafür aber verrät es einiges über seine geistige Provenienz - nicht zum ersten Mal stolpern wir über dieses Netzwerk, dem auch er angehört. Offenbar gelang es ihm, seine profunde wissenschaftliche Vorgehensweise auch auf das Institut Berlinpolis zu übertragen, dessen Beirat er angehört. Die enorme Aussagequalität dieses "Instituts" stieß uns bereits vor einiger Zeit auf (siehe Beitrag). Vermutlich dürfte die nüchterne Beschreibung des Vereins als "konservative Lobbyistengruppe" in Wikipedia den Nagel recht genau auf den Kopf treffen. Eigentlich verdient das Interview zunächst mal das Prädikat "Thema verfehlt" - denn von gesellschaftsrelevanten Aussagen ist darin praktisch keine Spur. Dafür aber findet sich dort eine geballte Ladung des kompletten neoliberalen Propagandaarsenals. Horx versteigt sich zu ziemlich haarsträubenden Statements unter der Überschrift: "Alles wird gut...". Es gäbe kein Job- und kein Arbeitslosenproblem, die Kluft zwischen Arm und Reich sowie das Elend auf der Welt seien rückläufig, Unternehmen kümmerten sich zunehmend um soziale Fragen, mit der Umwelt sei alles halb so schlimm und ansonsten würden Militäreinsätze der "Weltpolizei" schon sämtliche Probleme lösen... und sowieso werde die westliche Kultur den Fundamentalismus besiegen. Fast fühlt man sich versucht, Herrn Horx zu fragen, ob es denn wirklich der dritte Planet unseres Sonnensystems ist, den er da meint, oder ob ihm da nicht vielleicht eine Verwechslung mit dem von einschlägigen Kreisen so sehr gerne bemühten Sonnensystem des Aldebaran unterlaufen ist. Für lumpige 1.925 € jedenfalls kann sich der geneigte "Entscheider" auf der Website des Herrn Horx in Form der "Future Circle Membership" ein Jahr lang Gewissheit über die Zukunft zulegen. Sollte ihm dadurch das Hirn noch nicht genug vernebelt sein, sind da auch noch die Teilnahme am "Zukunftskongress 2007" für gleichfalls lächerliche 750 € oder eine Vielzahl von Tagesseminaren zu ähnlichen Preisen im Angebot... Nun - Spinner gibt es viele auf der Welt... und sie alle sollen von uns aus in einer toleranten Gesellschaft auch gerne nach ihrer Facon reich und/oder glücklich werden. Bedenklich aber wird es, wenn ihre absurden Ansichten Einfluss oder gar Macht gewinnen. Leider lässt die auffallende Nähe zwischen den Horx-Thesen und so manchem Dogma heutiger Politik gerade in diesem Punkt wenig Gutes ahnen... Eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt selbst wollen wir uns und ihnen auch ersparen - eine Diskussion von Grimms Märchen wäre da vermutlich ohnehin ertragreicher. Und so erhebt sich die Frage, wie so etwas zu derart viel medienoffizieller Aufmerksamkeit gelangen kann. Schließlich nennen wir das Horx-Angebot mal etwas zurückhaltend - ein kommerzielles Angebot, wie es viele andere auch gibt - z.B. im Esoterik-Markt. Und doch gibt es einen Unterschied - denn von letzteren werden sie kaum allwöchentlich etwas im Spiegel oder anderen publikumsstarken Medien sehen. Bei der Klärung der Frage, warum ausgerechnet das Horx-Angebot dort so zum Zuge kommt, könnte man ja zunächst meinen - das läge daran, dass es sich hier eben um wissenschaftlich wohl begründete Information dreht. Es gibt aber viele, viele solcher Institute, die sich - möglicherweise sogar ernsthafter - mit dem Thema Zukunft auseinander setzen und - nebenbei bemerkt - zu völlig anderen Analysen und Ergebnissen kommen. Hiervon taucht wenig - und wenn dann höchst vereinzelt mal etwas in den Medien auf. Gehen wir der Frage weiter nach und beginnen beim Spiegel: Der Spiegelautor und Göttinger Politologe Franz Walter ist zum Beispiel jemand, der in seinen häufig erscheinenden Spiegel-Kolumnen Arbeitslosen von heute immer wieder vorhält, sie seien unzureichend "vernetzt" - und dabei gerne mal offen mal eher unterschwellig die These transportiert, Netzwerke gehören eben zum "new way of life" in unserer schönen neuen Zeit. Und er weiß wovon er spricht - denn er gehört dem gleichen Netzwerk wie Horx (Link) an. Zwar ist es mühsam, der Netzwerkerei auf den Grund zu gehen... aber es lohnt sich. Faustregel: Je absurder die Aussage, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Protagonist aus irgendeinem Netzwerk stammt. So in etwa, wie man bei Christiansen beruhigt darauf wetten kann, dass ein unbekanntes Gesicht dort aus dem Umfeld der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft stammt. Unsere heutige Medien- und Informationslandschaft scheint vollkommen durchwuchtert von derartigen Strukturen, die alle immer nach dem gleichen Schema funktionieren. Gegenseitig werden sich höchst einkömmliche Aufträge und Auftritte zugeschanzt - in denen man - nicht selten unter massiver Förderung anwesender Netzwerkskollegen - sein Bekanntheitsprofil ausbauen kann. Cross-Promotion - neudeutsch für Amigo-Wirtschaft - ist denn auch die regelmäßige Geschäftsgrundlage solcher Strukturen - denn: je bekannter um so mehr Einladungen, je mehr Einladungen um so bekannter... Eine Spirale kommt in Gang und sie dreht sich - wie könnte es anders sein - vor allem um Eines: Geld! Weiteres Wesensmerkmal der Netzwerktechnik - der Konsument des Medienprodukts wird hierüber nicht informiert. So kann es durchaus vorkommen, dass z.B. von 5 Diskutanten in einer Runde drei aus dem gleichen Netzwerk stammen und oberflächlich zwar auf verschiedenen Seiten fechten, während sie in Wahrheit vor allem an ihrer Cross-Promotion arbeiten. Weiß ja niemand... und reden tut man darüber genau so wenig, wie darüber wer von unseren Angeordneten von wem alles wieviel an "Nebeneinkünften" einstreicht.
Damit
dies dauerhaft funktioniert, ist es ganz wichtig - und damit kommen
wir zum dritten Merkmal - dass man eindeutige Situationen vermeidet.
Eine solche wäre erreicht, wenn dem Konsument Urteilsfähigkeit
in der strittigen Sache vermittelt würde. Dies wäre zwar
ein Imagegewinn für eine Seite - für die andere aber ein
Imageverlust, womit diese im wahrsten Wortsinn "Goldene"
Regel der Cross-Promotion verletzt wäre. Womit auch klar ist,
wieso Diskussionen z.B. bei Christiansen immer so ausgehen, wie sie
ausgehen... Man halt halt artig miteinander zu sein - gleich wie
bedeutsam das Thema auch sein mag, sonst sieht es finster aus mit
künftigen Einladungen. Das wäre noch hinnehmbar, wäre das Ganze im Programm als Unterhaltungsshow ausgewiesen - aber sowohl Christansen als auch das Interview über die Zukunftsgesellschaft werden uns unter dem Label "Politik" verkauft - ja verkauft - denn in der Regel muss man für diesen Unsinn in irgendeiner Form auch noch zahlen... In unseren Artikeln zur "Dokumentar"-Filmerin Dr. Rita Knobel-Ulrich (FDP) wurde schon deutlich, dass sich die Netzwerkerei keineswegs auf die Welt der Talk- und Personalityshows beschränkt. Selbst die Nachrichten bleiben nicht verschont - hier war vor einiger Zeit ein sage und schreibe fast 10 min Werbespot zu Microsofts neuem Makro-Virus Windows Vista mitten in den ARD-Nachrichten "platziert". Kleinere Gefälligkeiten gehören da ohnehin schon zum Alltag - hat sich eigentlich schon mal wer gefragt, was eigentlich Tour-Ankündigungen irgendwelcher Kommerz-Künstler in den Nachrichten verloren haben - warum wird die Tour des Einen über das mächtige Medium Fernsehen angekündigt und die Anderer nicht? Der Befund legt eindeutig nahe - in der gesamten Branche ist längst entscheiden zu viel Geld im Spiel und hat jeden Sinn und Vernunft unter gepflügt. Geld, welches man im Falle Fernsehen teilweise über Gebühren Millionen Menschen per gesetzlichen Privilegien aus der Tasche zieht und vermutlich kaum weniger, welches von Vertretern einschlägiger Interessen in sie hinein gepumpt wird - um eben die Kommunikation gewisser Botschaften zu fördern. Die wirkliche Einflussnahme geschieht dabei weit weniger über die offizielle Werbung - denn dies ist ein ziemlich genau überwachtes Segment. Sie erinnern sich vielleicht noch an den ARD-Skandal in Punkto "Schleichwerbung". Und hier bietet die Netzwerktechnik eben entscheidende Vorteile - denn sie ist ja verdeckt. Nicht einmal enge Kollegen dürften genau wissen, wer in welchem Ausmaß mit wem "netzwerkt". Auffallend aber bleibt, dass nahezu jedes bekannte Gesicht im Fernsehgeschäft - und sei es der Wetterfrosch - auch Buchautor zu sein pflegt, was für die Mitglieder unseres eingangs genannten Netzwerks gleichfalls zutrifft. Nun braucht man sich nur noch zu fragen, wer im großen Stil Bücher verlegt - und schon rücken wir den Quellen der Einflussnahme näher: die Verlagskonzerne vom Kaliber Bertelsmann, Burda etc. Die echten Prommigrößen betreiben dagegen ohnehin fast ausnahmslos ihre jeweils eigenen "Produktionsfirmen" was in diesem Umfeld scheinbar schon wieder ein Stück mehr Unabhängigkeit bedeutet, wie an der geplatzten Christiansen-Nachfolge abzulesen. Sicher - der Medienbereich ist seit jeher einem Spagat ausgesetzt. Nämlich dem zwischen wahrheitsgemäßem oder zumindest genregerechtem Journalismus, der eigenen Meinung des Autors und dem Spiel der "freien" wirtschaftlichen Kräfte. Doch Netzwerkerei beschränkt sich ja keineswegs nur auf den Medienmarkt - sie findet überall dort in der Wirtschaft statt wo es um viel viel Geld geht. Und hier gerät der Vorwurf von Franz Walter an Arbeitslose zum blankem Hohn: Wie bitteschön und zu welchem Zweck soll sich denn eine Putzfrau oder ein Produktionsarbeiter "vernetzen"? Wenn Millionen Arbeitsplätze fehlen dann fehlen sie - mit oder ohne "Vernetzung". Wenn einer einen wegen "Vernetzung" ergattert so bedeutet dies nichts anders, als dass ein anderer ihn nicht bekommt oder verliert... So schaut die Wahrheit über Netzwerke aus, die wir nun auch besser bei ihrem eigentlich zutreffenden Namen - nämlich Vetternwirtschaft mit nahtlosem Übergang zur Korruption - nennen können. Und hier können wir bei CogitoSum Franz Walters Großmütigkeit nicht mehr nachvollziehen. Zu den grundlegenden Spielregeln einer offenen Gesellschaft gehört, dass sie auch wirklich offen zu sein hat. Hiergegen verstoßen Netzwerke fundamental - indem die Bevorzugung eines bestimmten Personenkreises ja geradezu ihre Existenzgrundlage darstellt. Ähnliches gilt übrigens auch für das - leider sogar in unserem Grundgesetz verankerte - Verbandsunwesen auf dem Sektor Unternehmen und Organisationen. All diese Strukturen definieren sich um die Förderung von Interessen nur eines Teiles der Gesellschaft oder einer gesellschaftlichen Gruppe - Partialinteressen. Solche Partialinteressen sind per definitionem gegen die sie umgebende Gesellschaft gerichtet, weil der Erfolg eines Partialinteresses in aller Regel mit der Benachteiligung von dieser Struktur nicht zugehörigen Menschen oder auch Unternehmen einhergeht. Theoretisch zwar ist der Markt eine gute Absicherung gegen derartige Tendenzen - denn das Betreiben von Partialinteressen kostet einerseits Geld und engt andererseits die Personalauswahl ein, was mittelfristig zu schlechterem Output gegenüber dem freien Fall führen muss. Schlechterer Output hätte eigentlich weniger Markterfolg zur Folge - zumindest solange es sich noch um freie Märkte handelt. Kehren wir zurück in die Medienlandschaft. Was ist dort Erfolg? Erfolg ist beim Fernsehen die Einschaltquote - denn danach bestimmt sich, welche Preise der Sender für die Ausstrahlung von Werbung verlangen kann. Bei den Zeitungen ist es nicht anders - hier bestimmt im wesentlichen die Auflage die Preise für Werbung. Die Messung und Erfassung dieser nicht unwichtigen Parameter ist durchaus keine simple Angelegenheit und es toben darüber interessengeleitete und wissenschaftliche Kriege, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen. Zumal ja klar sein sollte: Niemand kauft eine Zeitung, um die Werbung darin zu lesen - ebenso wie niemand zu diesem Zweck fern sieht. Im letzteren Fall wird sie sogar besonders häufig als störend empfunden - vor allem wenn die Werbung einem auch noch in doppelter Lautstärke um die Ohren geschlagen wird. Eigentlich aber "kaufen" Menschen Medienprodukte, um sich entweder unterhalten zu lassen oder um sich zu informieren. Und hier wird dann deutlicher, wie groß die Schieflage unserer heutigen Medienlandschaft längst geworden ist. Denn die eigentliche Existenzberechtigung von Medienprodukten spielt - wenn überhaupt - nur noch eine immer geringere Rolle. Dies gilt besonders für die Unterhaltung - mehr als eindrucksvoll bewiesen durch die miserable Qualität der zahlreichen Vertreter der gegenwärtigen "Tele-Novela"-Welle. Große Medienkonzerne haben hier den "freien" Markt längst ausgehebelt - d.h. sie haben dominierenden Einfluss auf das Gesamtangebot - Verlage wie Bertelsmann oder Burda kontrollieren zugleich mehrere Fernsehsender und unzählige Periodika wie Zeitungen. Und diese Monokultur ist es, die auch den Weg zum Missbrauch des ganzen Systems für Einflussnahme bereitet. Wobei die Wirkung der Medien in ihrer Gesamtheit auf die Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch angewachsen sein dürfte. Inzwischen aber nehmen selbst kommerzielle Interessen immer weniger den Weg über die offizielle "Werbung" - denn diese wird vom Informationsempfänger, wenn überhaupt, quasi "unter Vorbehalt" wahr genommen. Nein - ganz offen konzentriert man sich zunehmend auf die Platzierung im Redaktionellen, da hier die höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Konsument die gewollte Botschaft auch verinnerlicht. Bei gesunder Struktur im Medienbereich wäre derartiges kaum möglich - dem Konsumenten würde der Abfall der Informations- oder Unterhaltungsqualität bewusst und das entsprechende Medium müsste um Marktanteile fürchten. Die heutigen oligopolartigen Strukturen aber verhindern dies - und somit setzt sich die "Entwertung" der Medien ungehemmt fort. Dieser Sachverhalt ist lange schon auch von den Partialinteressen erkannt - und sie entdeckten diesen Weg als die "Goldmine" des 21. Jahrhunderts schlechthin. Seitdem produzieren "Think-Tanks" Kommunikations-Strategien - knallharte Partialinteressen werden in eine - zumeist dürftige - Theorie gegossen, die dann mit einem ganzen Arsenal dazu passender Teilinformationen und vor allem auch "Unterhaltung" in die Medienmaschinerie gedrückt, um den Boden für beabsichtigte Denk- und Verhaltensweisen gezielt zu bereiten. Ist dies dann geschafft - profitiert natürlich derjenige am meisten davon, für den diese Entwicklung "absehbar" gewesen ist. Wer dies bezweifelt, der erinnere sich einmal daran, zu welchen teilweise grotesken Folgen die WM-Kampagne hierzulande stellenweise geführt hat... Noch schlimmer als nur der wirtschaftliche Aspekt an dem Ganzen ist, dass auf diesem Weg inzwischen längst massiv Einfluss auf die Politik genommen werden kann - Politiker sind von ihrem öffentlichen Image abhängig - d.h. wer nicht spurt, muss kurz über lang mit öffentlicher "Demontage" rechnen. Nicht wenig spricht dafür, dass dies nicht etwa neu ist - schon zu Kohls Zeiten wurden ambitionierte parteiinterne Gegenspieler via lancierter Mini-Skandälchen reihenweise aus dem Weg geräumt und diese Mittel dürften seitdem weit mächtiger geworden und zudem perfektioniert sein. Mit dem Herrn Horx und seinen Thesen schließt sich dann der Kreis vollends - in dem man neben der Gegenwart auch noch beginnt, die Zukunft (genauer:die Zukunftserwartung) zu manipulieren - und die immer tieferen Eingriffe in das Bildungswesen (Drittmittelforschung, Elitenbildung) könnten dann bald auch dafür sorgen, dass selbst die Nutzung der Vergangenheit für eine objektive Analyse immer weiter zurück gedrängt wird. Mit diesem beunruhigendem Ergebnis stehen heutige Gesellschaften vor nicht weniger, als der höchst konkreten Versagensgefahr ihrer Gewaltenteilung und des Marktprinzips. Wichtig dabei ist mir, zu betonen, dass es nicht das Prinzip selbst ist, was hier versagt. Vielmehr versagt seine Realisierungsform gesellschaftlich und politisch. Und dies, weil mächtige Partialinteressen sich immer ungehemmter durchsetzen können. Anders als Herr Horx komme ich da zu dem Schluss, dass die westliche Kultur bei Fortbeschreiten dieses Weges langfristig kaum Chance haben dürfte, sich gegenüber anderen durchzusetzen, sondern am Ende sich selbst zerstören wird. Nun - das hat Marx auch schon behauptet - und daher seinen Gegenentwurf der Kommunistischen Gesellschaft geschaffen. Diese mag ja theoretisch wunderbar sein - nur kommt sie eben mit den Menschen und ihren leider nun mal vorhandenen Eigenschaften nicht zu recht. Und so schufen sämtliche Realisierungsversuche da im Eiltempo vor allem eines: Oligarchien.
Die
westliche Demokratie indes brauchte wesentlich länger bis zu
diesem Stadium, dessen Schwelle wir gerade überschreiten. Der
Grund hierfür ist meiner Ansicht nach darin zu suchen, dass
diese Demokratien gewaltengeteilt verfasst sind - d.h. die
Realisierungsform ist so gewählt, dass Machtasymmetrien gezielt
entgegen gewirkt wird - und das war es, was man den damaligen
sozialistischen Systemen voraus hatte. Nach so viel Theorie bliebt nur noch die Frage offen - was kann da praktisch getan werden? Die kritische Phase scheint längst erreicht - denn NOCH können sie, verehrte LeserInnen, zum Beispiel CogitoSum wenigstens im Internet lesen. Wenn man so will - eines von ganz vielen kleinen Lichtern - einzeln unbedeutend aber in der Gesamtheit ein letzter Rest eines wirklich freien Marktes auf dem Informationssektor. Dies ist den heute bereits sehr Mächtigen ein Dorn im Auge - und sie scheinen finster entschlossen, das anarchische Internet nicht länger an der Effizienz ihrer millionenschweren Manipulationskampagnen nagen zu lassen. Daher möchte man dem ungeliebten Medium "Internet" auch unbedingt zu Leibe rücken - aus allerlei verschiedenen Richtungen. Andauernd wird man mit Nachrichten über die "angebliche" Kriminalisierung des Internets bombardiert - Bombenbaupläne und Kinderpornographie seien schlimme Auswüchse... Ja - derartiges ist schlimm - doch die geeignete Gegenmaßnahme besteht nicht in breit angelegter Beschnüffelung und Kriminalisierung von großen Teilen der Internetnutzer sondern in massivem Druck auf jene Länder, in denen solche Angebote entstehen können. Hier tut sich wenig bis nichts - stattdessen schickt man lieber "Bundestrojaner" durch die Netze. Ein weiterer Angriff kommt aus oft übersehener Ecke - Windows als Betriebssystem dominiert den Markt und bei Microsoft lässt man seit Jahren nichts unversucht, den Interessen der Mächtigen auch Macht im Internet zu verschaffen. Das digitale Rechtemanagement (DRM) ist so ein Beispiel dafür - hier soll das Betriebssystem verhindern, dass auf Computern Informationen unberechtigt genutzt werden. Dies ist nicht Aufgabe eines Betriebssystems - oder würde ihnen ein Auto etwa gefallen, dass überall und zu jeder Zeit sämtliche geltenden Verkehrsregeln automatisch einhält, ohne Ihnen eine Wahl zu lassen? Nun - selbst wenn das neue Windows Vista vermutlich einige heftige Schritte in diese Richtung vorangeht, erst einmal muss es gekauft werden... und zudem stünde im Notfall immer noch Linux bereit. Daher versuchen die Medienkonzerne auch schon lange - und das vor allem auf EU-Ebene - Softwarepatente durchzusetzen. Ein geradezu geniales Mittel, missliebige Betriebssysteme sowie das freie Programmieren überhaupt zu bekämpfen. Finanzstarke Konzerne können sich jeden möglichen Unsinn patentieren lassen und dann rechtlich gegen die finanzschwache aber zumeist wesentlich kreativere Konkurrenz vorgehen. Damit jedoch nicht genug - der Zugang in das aufziehende Internet 2.0, dem ultimativen Datenhighway zur Übertragung von HDTV-Film, soll derart teuer werden, dass nur finanzstarke Anbieter dort publizieren können. Die Rechnung der Protagonisten funktioniert in etwa so: Die Masse der bisherigen Internetnutzer wird sich ein Bein ausreißen, um via teuren und knowhow-intensiven Computerboliden (möglichst exklusiv mit Windows "Vista") in jenen Genuss zu kommen, den sie beim klassischen Fernseher durch simples Betätigen des Einschaltknopfes auch bekommen. Wie bei vielen Übeln der Zeit, scheint der Net 2.0-Prozess jedenfalls in USA wesentlich weiter fortgeschritten - und dort hat sich bereits eine Bewegung zur Rettung des Internets ("Save The Internet") gebildet - zur weiteren Information: Link. Wer englisch versteht, der möge sich bitte diesen kurzen Beitrag auf YouTube mal ansehen - hier wird recht gut deutlich, wie demnächst auch hierzulande gegen das konventionelle Internet vorgegangen werden könnte. Zumal die großen Content-Anbieter nicht mehr um Einbußen fürchten müssten, weil sie ihren Content künftig über das exklusiv von ihnen beherrschte Net 2.0 anbieten können. Die großen Netzanbieter werden ihre Investitionen vermehrt ins Net 2.0 umlenken (so ist es auch hierzulande zumindest mal angekündigt) - und dabei könnte es, natürlich rein "zufällig", geschehen, dass das bestehende Netz mehr und mehr der Verwahrlosung überlassen wird. Die Folge: es verliert an Funktionalität für seine Nutzer, die dann früher oder später in das anbieter-kontrollierte Net 2.0 wechseln (müssen) - Letztlich gilt nun mal: ohne User auf Dauer kein Net... Nun - liebe LeserInnen - in diesem Beitrag haben wir einen weiten Weg zurückgelegt und manche(r) mag sich fragen, wieso der Autor gerade diesen Matthias Horx als "Aufhänger" ausgewählt hat... Ich denke den meisten wird es im Verlauf des Beitrags deutlich geworden sein - wer noch Zweifel hat, kann sich über diesen Link über die Ansichten und Prognosen dieses Herren zu unserem obigen Thema - dem Web 2.0 - informieren.... Ganz unten finden sie dort klare Worte dazu, aus denen unzweifelhaft hervor geht, welchen Interessen gedient wird. Noch eines zur Wortwahl - dort ist von "Social Web" und von "Social Commerce" die Rede - lassen sie sich nicht hinter das Licht führen - hier geht es nicht um Soziales sondern eher um das glatte Gegenteil davon - denn Herr Horx unterschlägt schlicht die vorhersehbaren Randbedingungen des Internet 2.0, wenn die Neutralität des Netzes (d.h. seine Anbieter-Unabhängigkeit) aufgegeben wird - was ohne scharfe gesetzliche Auflagen (von denen hier bis heute nichts in Sicht ist...) wohl kaum zu verhindern sein wird. Man wird den Verdacht nicht los, hier und eigentlich weltweit soll die letzte große Bastion der freien Meinungsäußerung gestürmt werden - doch noch kann was getan werden. Niemand kann Menschen zwingen, sich in die schöne neue Welt einzukaufen. Zu welchem Zweck eigentlich? Bereits heute lassen sich Videosequenzen auch im alten Internet ansehen - und Einheitsbrei haben wir schon zur Genüge in den anderen Medien. Was nutzt den Menschen eigentlich ein noch so schönes HDTV-Net - wenn dort nur noch einmal mehr das auftaucht, was man tagtäglich ohnehin über Radio, Fernsehen und Zeitung um die Ohren geschlagen bekommt?
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